Weit weg

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Die kleinen Arme, die sich um ihren Hals schlangen und Anna fest an sich drückten spendeten ihr so viel Trost und ließen sie für kurze Zeit nicht an Paddy denken. Anna schaltete ihr Smartphone und ihre Erinnerung der letzten Tage aus und legte beides weit weg. Sie funktionierte wie ferngesteuert.

Erst als es im Haus stiller wurde, die Kinder in ihren Betten lagen und selig schliefen, krochen die Erinnerungen aus ihren dunklen Ecken zurück.

Die Küche war ihr kleiner Rückzugsort. Sie schaltete das Radio an und die ersten Klänge die sie wahrnahm lösten schlimmste Herzschmerzen aus. Ein Lied, tausend Erinnerungen und unzählige Gefühle überrollten Anna. Die Tränen flossen wie ein reißender Bach nach einem Unwetter ihre Wangen hinunter und tropften auf ihre Hände, die damit beschäftigt waren eine Zwiebel zu schneiden. Die reizenden Dämpfe taten das Übrige und für Anna gab es kein Halten mehr. Auch wenn das weinen zuerst befreiend wirkte, spürte sie schnell, wie sehr sie sich darin steigerte und buchstäblich zusammenbrach.

 Auch wenn das weinen zuerst befreiend wirkte, spürte sie schnell, wie sehr sie sich darin steigerte und buchstäblich zusammenbrach

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Anna atmete schwer. Sie zitterte am ganzen Körper. Sie fühlte sich paralysiert, kaum noch in der Lage zu stehen, erst gar nicht in der Lage zu gehen. Die Tage mit Paddy fesselten ihr Herz. Es konnte nicht mehr richtig schlagen, es verlor den Rhythmus und die Kraft.

Wie ein verschleierter Traum kamen ihr die letzten Tage in dem Haus am Meer vor. Zu unwirklich und zu schön um wahr zu sein. Und das was geschehen war, die Nähe die sie zuließ und zugleich suchte, kam ihr in diesem Moment so falsch vor. Nie war Untreue ein Thema gewesen. Weder zur Zeit mit Paddy, noch während ihrer Ehe. Das schlechte Gewissen nagte an ihrem doch schon sehr dünnem Nervenkostüm und brachte sie aus der Fassung. Wie sollte sie ihrem Mann jemals wieder in die Augen schauen, ohne im Erdboden versinken zu wollen.

Anna stach mit voller Wucht die Messerspitze in das Schneidebrett hinein und vergrub zitternd das Gesicht in ihren Händen. Unaufhaltsam rannen die Tränen über ihr Gesicht. Paddys Worte kreisten in ihren Gedanken. Er wollte sie. Er wollte mit Anna zusammen sein. Im Rausch der Emotionen gestand auch Anna ihm ihre Gefühle die nie erloschen waren. Doch jetzt verwirrten sie seine Worte, seine Zuneigung und seine Nähe. Diese Tage waren Anna und Paddy wie schwer verliebte Teenager gewesen. Jetzt zweifelte sie an allem, an seiner plötzlichen Anwesenheit in ihrem Leben, daran wer sie war und was sie wollte. Und an der Ernsthaftigkeit seines Geständnisses. Und plötzlich kam er ihr so fremd vor. Sie fragte sich, wie sie diese Nähe zulassen konnte. Das alles kam ihr so falsch vor.

Doch dann sah sie ihn wieder vor sich und wie Paddy ihre Namen in den Sand schrieb, als sie stundenlang am Meer saßen und über das Leben sinnierten. In seinen Armen fühlte sie sich so beschützt und sicher wie lange nicht mehr. Eine große Welle von Emotionen überrollte sie gnadenlos und ließ sie schluchzen und weinen. Sie weinte um Paddy, sie weinte um ihre Liebe, wegen ihre Untreue und sie weinte aus purer Verzweiflung.

Erschrocken sah ihr Mann durch einen schmalen Türspalt Anna förmlich zusammenbrechen. Ohne zu zögern fing er sie in letzter Sekunde auf, noch bevor Anna vor Erschöpfung und Trauer zu Boden sank. Anna vergrub sich in seinen Armen, die sie schon so oft gehalten und getröstet hatten und ließ seinen Trost und seine Fürsorge zu. Je länger sie in seinen Armen lag, desto stärker wurde das schlechte Gewissen und das löste die nächsten Tränen aus.

So tief und weit wie das MeerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt