Liebevoll und akkurat legte sie das Besteck neben die Teller. Duftende Zweige zierten die Stoffservietten. Ein köstlicher Duft zog von der Küche durch das ganze Haus. Nelken, Zimt und Orangen, Rosmarin und ein wenig Wein lag in der Luft.
Paddy lag auf dem großen Teppich im Wohnzimmer und spielte die gefühlt fünfzigste Runde Schwarzer Peter mit den Mädchen. Aus dem Augenwinkel blickte er immer wieder zu Anna, die seine Hilfe den Tisch zu decken dankbar abgelehnt hatte. Nachdem sie ihn schon seit einigen Wochen nicht gesehen hatten, standen die Kinder schon am Morgen erwartungsvoll vor dem noch schlummernden Paddy und konnten es kaum erwarten mit ihm ausgiebig zu spielen.
Prinzipiell wussten sie schon Bescheid, auch wenn Anna ihre Eltern noch nicht offiziell in ihre Zukunftspläne eingeweiht hatte. Annas Mann nahm es sich nicht um sich bei seinen Noch-Schwiegereltern auszuheulen und zu empören, welche Schandtaten ihre Tochter sich leistete. Eine freudige Reaktion ihrer Eltern wäre nicht zu erwarten gewesen. Nach dem zufälligen, kühlen Aufeinandertreffen zwischen ihrer Mutter und Paddy im Krankenhausflur, lehnte Anna jegliche Auseinandersetzung mit ihrer Mutter ab. Ihr Vater, der sofort von ihrer Mutter darüber informiert wurde, dass Paddy zurück war, fiel weniger aus allen Wolken, als dass er geahnt hatte, dass dieser Tag irgendwann vor der Tür stehen würde. Seine Begeisterung hielt sich aber in Grenzen. Er liebte seine Tochter und die Enkelkinder aus tiefstem Herzen. Dass Anna überhaupt diesen Weg gegangen war, eine Familie zu gründen, war für ihn vor einigen Jahren noch ein Ding der Unmöglichkeit gewesen. Von heute auf morgen verschwand sie weit weg von allen Erinnerungen an ihre große Liebe. Jahre später kam sie tief am Boden und gezeichnet von den Spuren der Vergangenheit zurück und lebte ein, für die meisten Eltern, sehr gewöhnungsbedürftiges Leben. Der nächtliche Job in einer Bar, durchzechte Nächte, schlaftrunkene Tage, Alkohol, gelegentlich ein paar Joints, Therapien und emotionale Rückfälligkeiten zierten ihren Alltag. Besorgt und voller Angst beobachteten sie, wie ihre einzige Tochter schier unaufhaltsam dem Abgrund entgegensteuerte.
Umso beruhigter und glücklicher waren die Eltern gewesen zu sehen, dass mit dem netten Nachbarsjungen eine Wende in Annas Leben eintrat und sie, wenn auch sehr zaghaft, der Liebe eine Chance gab. Das Thema Paddy Kelly schien nun gestorben und begraben zu sein. Aufatmen und pure Erleichterung bei den Eltern und die Hoffnung, dass ihre Tochter nach dem Albtraum der vergangenen Jahre, zu einer Normalität kommen würde. Viele Dinge verschwiegen auch Annas Eltern voreinander, sie wussten mehr als ihnen lieb war und sahen dann und wann immer wieder diesen Blick in Annas Augen. Weit entfernt, voller Sehnsucht und Traurigkeit driftete sie unkontrolliert ab. Annas Mutter übersah demonstrativ ihre emotionalen Berg und Talfahrten, Annas Vater spürte ihre Qual und litt still mit seiner Tochter.
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So tief und weit wie das Meer
FanfictionDie offizielle Fortsetzung von "Für immer verbunden" von @AnnaParadiso78. Diese Geschichte hat mich sehr gefesselt und tief berührt. Ich habe viel über diese Geschichte nachgedacht und mir oft ausgemalt, wie es für Anna und Paddy weitergehen könnte...