Niemandsland

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Ähnlich wie die Nächte mit einem Neugeborenen sind, war Anna in den wenigen Stunden ihres Schlafes immer wieder wach geworden. Paddy neben sich liegen zu haben, in dessen wärmenden und schützenden Armen sie lag, war eine Überdosis Surrealismus und nicht so einfach zu begreifen. Nicht nach 17 Jahren getrennter Wege, Schmerz, Tränen und Verzweiflung. Sie spürte seinen warmen Körper hinter sich und sah an seinen Armen entlang, die schützend um sie lagen. Ihre Fingerspitzen glitten zart über seine Hände und legten sich auf ihnen nieder. Dann schloss sie wieder ihre Augen und atmete im gleichen Rhythmus wie Paddy, bis sie schnell wieder ins Land der Träume abdriftete.

Auch Paddy wachte immer wieder auf um sich zu vergewissern, dass sie tatsächlich gemeinsam hier waren. Er zog sie jedes Mal nah an sich und vergrub sein Gesicht in ihrem Nacken. Paddy inhalierte ihren süßen, fast narkotischen Duft und fiel in eine weitere Schlafsequenz.

Ihre innere Uhr weckte Anna nach wenigen Stunden Schlaf bereits wieder. Das Mutter-Sein veränderte vieles in ihrem Leben und dazu gehörte auch, dass sie, wann immer sie auch zu Bett ging, wenn es denn die Möglichkeit gab, nie länger als neun Uhr schlafen konnte.

Vorsichtig drehte sie sich zu Paddy. Anna betrachtete wie schon damals sein wunderschönes Gesicht, dass sich nur wenig verändert hatte. Die feinen Gesichtszüge, seine weichen Lippen und die zarten Wimpern. Sie betrachtete ihn, wie ein Gemälde in einer Galerie und konnte sich an ihm nicht sattsehen. Das was sie sah, der "neue" Paddy, der dem alten Paddy sehr ähnlich war, berührte sie tief. In ihren Augen war er immer noch ihr Junge vom Fluss. Sie würde ihn nie mit anderen Augen sehen. Die optischen Veränderungen könnten auch daran nicht rütteln.  Sie streichelte ihn ganz zart über den Kopf und vergrub ihre Finger in seinen Haaren. Sie spürte das Verlangen ihn zu berühren, ihn zu küssen, von ihm berührt und geküsst zu werden, hielt kurz inne und stand lautlos auf, ohne Paddy wecken zu wollen.

Anna trug leise ihre Tasche in das Schlafzimmer nebenan und machte sich frisch. Das Gefühl des Verlangens nach Paddy verwirrte sie zunehmend.  Allein die Tatsache, dass sie letzte Nacht das Bett geteilt hatten und nicht, wie vorgesehen in getrennten Zimmern geschlafen hatten, bereitete ihr Kopfzerbrechen. Noch war nicht alles Wichtige ausgesprochen worden, noch immer zu Vieles ungesagt. Und so sehr sie sich nach ihm sehnte, gab es nicht nur sie Beide. Annas Gedankenkarussell war wieder voll in Fahrt und drehte einige Extrarunden mit dreifachen Loopings.

Die See war relativ ruhig an diesem sonnigen Morgen. Anna lief wie hypnotisiert an das blaue schimmernde Wasser und schaute lange zum Horizont. Sie schloss die Augen und atmete die frische salzige Luft tief ein. Das Meer ließ sie immer an Paddy denken. Doch er war bereits in ihren Gedanken und lag auch nur einige Meter entfernt im warmen Bett.

Anna setzte sich auf den Steg und tauchte ihre Fußspitzen in das kalte Wasser

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Anna setzte sich auf den Steg und tauchte ihre Fußspitzen in das kalte Wasser. Sie dachte an ihre Kinder und daran, wie sehr sie es liebte mit ihnen am Meer zu sein. Anna liebte ihre Kinder mehr als alles andere auf dieser Welt. Oft hatte sie das Gefühl, dass ihre Kinder ihr Leben erst wieder lebenswert gemacht haben. Das Leben nach Paddy und vor der Geburt ihres ersten Kindes war schwer gewesen. So schwer, dass auch die neue Liebe zu ihrem Mann dieses Gewicht nicht ausgleichen konnte und Anna mehr als nur ein Mal vor dem Abgrund stand. Dieses neue Leben, dass sie in sich trug gab ihr Hoffnung und durch die Geburt ihrer Kinder wurde auch Anna neu geboren und der dramatische und unwiderrufliche Abgrund rückte in ein weit entferntes Niemandsland.

So tief und weit wie das MeerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt