Verletzung

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Am Samstag stand dann wieder ein Bundesligaspiel an. Das Spiel durchbrach ein wenig den Presserummel, der uns an dem Freitag massiv belagert hatte. Selbst vorm Mannschaftshotel, in welches Roman Freitag Abend einzog war die Hölle los. Unzählige Reporter forderten die Securitykräfte vor dem Spiel. Ich blieb zuhause, bei seinen Eltern.
Der FC Bayern gab sich die Ehre und es wurde als Schlüsselspiel bezeichnet. Um nicht unnötig die Aufmerksamkeit auf Roman zu ziehen sass ich an dem Spieltag auch nicht an der Bank. Ich hatte ihn zu Jule gefahren am Abend zuvor, damit später ein Auto am Stadion stand und wir von dort aus zum Essen ins Acqua fahren konnten. Mit seinen Eltern und Marco war ich dafür im VIP Bereich.
In Jeans, Sneakern und Langarmshirt, mit einem Trikot von Roman, hatten wir mit den anderen mächtig Spaß. Die anderen Frauen waren auch da, wir unterhielten uns. Die Presse hatte mich an dem Tag im Stadion besonders im Blick. Ich hatte den Eindruck, ständig das Klicken im Ohr zu haben, wenn ein Auslöser gedrückt wurde. Jenny lachte viel mit mir.  Marco versuchte mich ganz großer Bruder Manier ein wenig abzuschirmen.

Es war zum Ende der ersten Halbzeit, als Bayern München einen Vorstoß wagte. Roman konnte den Schuss parieren, das gegnerische Tor verhindern, war aber mit der rechten Hand sehr unglücklich auf dem Boden aufgekommen. Trotz der Geräuschkulisse hörte ich den Aufschrei bis oben zur Tribüne. Ich war erschrocken, sprang von meinem Sitz auf. Auch seine Eltern waren besorgt.
Bis zur Halbzeit hielt er definitiv durch, doch mit dem Pfiff lief ich runter. An der Kabine hörte ich Thomas reden, doch ich wählte den Weg in das erste Behandlungszimmer.
Roman sass auf der Liege, Markus tastete seine Hand ab. "Es ist unangenehm, aber es tut nicht weh!", hörte ich Roman sagen. "Du willst also weiterspielen?", ertönte die Gegenfrage von Arzt und Co- Trainer und mein Freund nickte.
Markus ließ uns dann allein. "Wenn du mich in der Halbzeitpause sehen willst, reicht es, mir das zu sagen. Du musst keine Verletzung vortäuschen!", sagte ich leise. Er lächelte leicht. "Gewinn für mich!", gab ich meine ungefragte Zustimmung zum weiterspielen und küsste ihn, ehe ich für die zweite Halbzeit wieder auf die Tribüne ging.

Romans Sicht

Das Spiel gegen die Bayern gewannen wir. Nach dem Spiel und dem Duschen hatte ich nur einen leichten Druck in der Hand, was Markus als Prellung abtat, als er noch einmal nachschaute, da auch noch keine nennenswerte Schwellung aufgetreten war. Wir verzichteten auf einen Verband.
Maddy hatte mein Trikot und das Langarmshirt gegen einen dünneren Strickpulli ausgetauscht, als wir mit meinen Eltern zum Acqua fuhren. Sie fuhr, mit ihrem Wagen, und ich sass entspannt daneben. Die lockere und familiäre Atmosphäre machte mich glücklich.
Ein Teil der Mannschaft kam auch und wir feierten unseren Sieg. Alles war gut, auch als wir zuhause ins Bett gingen.

Nachts wurde ich wach, weil ein dumpfes Pochen in der Hand mich nicht ruhen ließ. Es war zwei Uhr in der Frühe. Ich wälzte mich hin und her, bis Maddy sich regte. "Was ist los?", wollte sie verschlafen murmelnd wissen.
"Babe, meine Hand!", erhielt sie zur Antwort. "Hast Du Schmerzen?", wollte sie wissen was ich bejahen musste.
Sie tastete nach der Nachttischlampe und das leichte Licht erhellte das Schlafzimmer. Ihr Oberkörper richtete sich auf, mit einer Hand rieb sie über ihre Augen. Dann kniete sie sich direkt zu mir, nahm meine Hand.
Diese zeigte sich deutlich geschwollen und schmerzempfindlich. Maddy ging vorsichtig mit der Hand um, als sie die Griffe als Physiotherapeutin anwandte. Gelegentlich musste ich Schmerzlaute unterdrücken. "Ich glaube kaum, daß da eine Spraydose hilft!", seufzte sie.
Vorsichtig drückte sie mir einen Kuss auf, ehe sie sich aus dem Bett erhob. "Ich zieh mir schnell was an, dann helfe ich Dir.", ertönte ihre Stimme. Wir würden ins Krankenhaus fahren und instinktiv wusste ich bereits, daß es nicht gut ausgehen würde. Diese Verletzung würde mich längerfristig aus dem Verkehr ziehen.
Leise bewegte sie sich im Haus fort und verschwand im Bad. Als sie wieder ins Schlafzimmer kam, zog sie sich das lockere Top, welches sie zum Schlafen getragen hatte aus. Leggings, Top und einer meiner Hoodies mussten reichen. Dann half sie mir in eine Jogginghose und Shirt mit Hoodie. Leise gingen wir nach unten und schlüpften in unsere Sneaker. Mit meinem Wagen fuhren wir in die chirurgische Notaufnahme des Knappschaftsklinikum.
Die anwesende Krankenschwester erkannte mich und rief umgehend den diensthabenden Chirurgen. Ein Dr. Trebler kam sehr schnell zu uns.
Nach einem Röntgenbefund und dem anschließenden Gespräch wurde meinem Sportlerdasein der Dämpfer versetzt, den ich zuhause bereits befürchtet hatte. In der Mittelhand gab es eine Fraktur und die musste fixiert werden. Bereits am Dienstag würde die Titanplatte eingesetzt werden. Diese würde in der Hand belassen, solange sie nicht störte. Bis zur Operation wurde mir eine Gipsschiene angepasst. Ich schwieg, ich konnte nichts sagen, so wie ich es immer bei Verletzungen tat. Maddy versuchte mich aufzumuntern, aber ich konnte dem nie mehr als einsilbige Antworten entgegen bringen. Bis sie verstummte.
Mein Ausfall würde mindestens sechs Wochen betragen, was meine ohnehin schon miese Laune noch mehr schmälerte. Ich war wütend, auf alles, auf jeden, was mich schweigsam bleiben ließ.

Pflichtgefühl - Herz über KroneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt