Wenn Du dann da bist

651 13 2
                                    

Um sechs in der Frühe wachte ich auf. Im Beistellbettchen regte sich unser Babymädchen und ich holte sie raus.
Langsam ging ich mit ihr in ihr Zimmer, wo ich sie wickelte.
Während sie unter der Wärmelampe lag betrachtete ich sie ganz genau, bevor ich sie anzog. Ich hielt ihre kleinen Hände und Füße. Ich roch an ihrem Köpfchen. Und ich freute mich, das ich nun endlich die ganzen Kleidungsstücke für sie ausprobieren konnte. Jetzt bekam sie ein Wickeloberteil zu einem ärmellosen Strampler an.
In dem großzügigen Sessel am Fenster in ihrem Zimmer setzte ich mich hin und stillte sie. Roman kam dazu, nahm sie im Anschluss an sich, denn ich wollte duschen.

Im Bad genoss ich das warme Wasser, welches mir den vorherigen Tag vom Körper spülte. Mein Bauch war fast wieder komplett flach, aber bei weitem noch nicht so fest wie vorher. Meine Oberweite wirkte fülliger, aber mein Gesicht war schmal wie zu Beginn der Schwangerschaft. Ich beobachtete mich im Spiegel, wollte sehen, ob ich anders aussah. So anders wie ich mich fühlte. Emotional sah ich in mein Spiegelbild. Vor zwei Jahren hatte ich unser Baby verloren, jetzt war unser Babymädchen warm und klein bei uns.
In Unterwäsche huschte ich vom Bad ins Schlafzimmer. Roman, der noch nachts duschen gewesen war, trug eine kurze Jogginghose und ein Shirt. Er beobachtete mich. Im Ankleidezimmer suchte ich mir eine Leggings mit einem weiteren Shirt über einem schlichten StillBH. Das Shirt knotete ich seitlich, damit es nicht rumflatterte. Meine Haare waren locker geflochten.
Luana lag im Bettchen und Roman hatte das Bett gemacht. Er zog mich an sich. "Gestern morgen war sie noch in Deinem Bauch. Jetzt kann man es kaum mehr sehen. Unfassbar!", sagte er leise. Wir küssten uns, genossen es uns ohne Babybauch umarmen zu können. Er legte die Hand auf den wieder flachen Bauch. "Ist es unangenehm?", wollte er wissen. Ich schüttelte den Kopf. "Es ist anders, fühlt sich noch irgendwie unwirklich an, aber es ist nicht unangenehm.", versuchte ich zu erklären.
"Wollen wir frühstücken, dein Bruder braucht auch was zu Beissen!", sagte ich ihm.

Romans Sicht

Ich nahm unser Babymädchen, als wir runter gingen. Maddy machte mir einen Kaffee, nahm sich selber ein Wasser. Nur schwer konnte ich mich lösen und machte mich auf den Weg zum Bäcker. Mein Mädchen und mein Bruder sollten frühstücken, auch ich bekam Hunger. Gleichzeitig machte ich einen Stopp beim Metzger, um später grillen zu können. Und ich führte ein Telefonat mit Sandro vom Aqcua.
Als ich zurück kam warteten die beiden schon an der Frühstückstheke. Nach der gemeinsamen Mahlzeit holte ich unser Baby aus dem Stubenwagen. Ich setzte mich auf die Couch, hatte Luana an meiner Schulter liegen. Ich wollte sie inhalieren, ich wollte sie bei mir haben, wollte dieses vollkommene Gefühl wenn sie an meiner Schulter lag. Ich konnte kaum fassen, daß dieses zierliche Bündel unseres war. Marco beobachtete mich, hielt meine Frau dabei umarmt. "Roman als glücklicher Vater! Wir werden Dich wohl heilig sprechen müssen!", lachte er und gab Maddy einen Kuss auf die Wange.
Um halb zwölf machte Marco sich auf den Weg zum Flughafen um unsere Eltern zu holen und um meine Spezialbestellung abzuholen. Um zwölf klingelte es und Gesa stand vor der Tür. Ich ließ sie rein und bat sie ins Wohnzimmer. In der Küche sah sie Maddy, wie sie Süßkartoffeln zum späteren Grillen marinierte. Zu leiser Musik bewegte sie sich, ein leichter Hüftschwung gepaart mit weiteren rhythmischen Bewegungen. "Babe!", sprach ich sie an und sie wandte sich um. Sie strahlte ihre Hebamme an. "Du hast gestern Abend ein Baby bekommen! Was tust du denn da?", bemerkte sie überrascht. "Tanzen. Es geht mir gut!", lachte Maddy. Sie sah entspannt und glücklich aus, ließ mich lächeln. Lächelnd küsste ich meine Frau. Ich übernahm die Küche während Maddy unsere Tochter aus dem Stubenwagen holte und leichtfüßig mit Gesa hochging.

~~~

Im Kinderzimmer schaute Gesa sich unser Mädchen an. Sie verschlief alle Griffe der erfahrenen Hebamme. Nach den Untersuchungen wickelte ich sie frisch und zog sie in eine rosa Hose mit kleinen Söckchen und einem weißen Pullover. Gesa musterte mich. "Wie geht es Dir?", wollte sie wissen. "Es geht mir gut. Ich habe geschlafen und das Stillen klappt super.", gab ich an. Das Stillen wollte Gesa einmal sehen, wofür wir Luana aufwecketen, und wir erledigten auch das, als hätten wir nie etwas anderes gemacht. Dann tastete sie meinen Bauch ab, wofür ich mich im Schlafzimmer auf das Bett legte. Auch dort war soweit alles gut. Sie bat mich aber langsam den Weg in den Alltag mit Baby zu finden. Ich sollte es nicht übertreiben. Ich lachte leise. "Ich fühle mich gut, regelrecht gelöst!", sagte ich ihr. Ich liess auch nicht aus, das ich in der Nacht wegen des verlorenen Babies geweint hatte. Gesa sagte mir, dass das gut sei und ich diese Gefühle zulassen sollte. Für Dienstag machten wir einen neuen Termin. Dann sollten wir nachmittags ins Krankenhaus kommen, weil dann auch die Frauenärztin schauen wollte. Dann ließ sie mir noch Tee da, der mir helfen sollte wegen dem Stillen, um es der Kleinen leichter zu machen. Anschließend klingelte ihr Handy und eine Geburt forderte sie, weshalb sie sich schnell verabschiedete und unten nur schnell an Roman vorbeiflitzte.
Im nächsten Moment hörte ich schon die frischgebackenen Großeltern und Marco. Ich zog ein Longshirt an, enganliegend und mir praktischer Knopfleiste seitlich, zum Stillen. Dann nahm ich Luana und hatte sie federleicht an der Schulter liegen. Langsam ging ich runter und an die Terrassentür, wo alle draußen waren. Karin hielt Roman im Arm, als sie mich entdeckte. "Oh Gott!", murmelte sie, aber der frischgebackene Opa nahm mir das Baby bereits vorsichtig aus dem Arm. Einen Kuss auf die Wange bekam ich noch, aber dann setzte er sich mit ihr hin. Karin kam zu mir. "Sie sieht aus wie Roman, nur in super winzig und sehr süss!" sagte sie gerührt, umarmte und herzte mich, setzte sich dann zu ihrem Mann.
Marco stand dann links von mir, Roman rechts. Dieser legte einen Arm um mich. "Dir ist bewusst, daß wir sie nie wieder sehen!", sagte er leise. Es fiel ihm gerade sehr schwer, sie zu teilen. So schlang ich meine Arme um seine Körpermitte und küsste sein Kinn. "Auch wenn wir jetzt nicht daran denken wollen, es wird eine Zeit kommen, in der wir uns wünschen sie nehmen sie!", flüsterte ich. Als wir uns umsahen hielt nun Karin ihre Enkelin. Die frisch gebackenen Großeltern diskutierten mit Marco, wer sie denn als nächstes bekam und wieso sie nicht bei wem anders sei.
Roman fischte sich unser Baby irgendwann aus den Umarmungen seiner Eltern, denn sie fing an unruhig zu werden, sie suchte mit ihrem kleinen Gesicht.
Drinnen ließen wir uns gemeinsam auf unserem Sessel nieder, wo ich stillte, Roman sass einfach nur dabei und beobachtete uns.

Pflichtgefühl - Herz über KroneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt