Anschlag 1

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Gerade hatte ich mich setzen wollen, als mich eine Druckwelle erfasste und gegen eine der Rückenlehnen schleuderte. Ich knallte hart im Mittelgang auf. Mein Kopf prallte gegen eine harte Plastikumrandung eines Sitzes. Kleine spitze und scharfe Teile hatten mich erwischt, was sich wie kleine Nadelstiche anfühlte. was aber nicht weiter ins Gewicht fiel.
Es hatte drei rasch aufeinander folgende Knallgeräusche gegeben. Den ersten hatte ich voll wahrgenommen, die beiden danach dumpfer, wie weiter weg.
Es wurde leise, sehr einschüchternd. Es roch verbrannt.
Staub, Dreck und verschiedene kleine Gegenstände wirbelten durch die Luft. Für einen Augenblick war es totenstill.
Für einen Augenblick war es als würde die Welt stehen bleiben. Zögerlich kam Bewegung in die Mannschaft.
Nur sehr langsam stützte ich mich auf. In meinem Ohr hatte ich ein hohes Fiepsen, welches das Chaos um mich herum nur gedämpft an mich herantrug. Orientierungslos blickte ich mich um.
Christian war dabei den Bus zu stoppen, wurde aber von einigen Spielern angeschrien, den Bus weiterzubewegen. Das Ruckeln des Busses signalisierte, das er noch mal auf das Gas trat. Mich brachte das wieder zu Fall. Erst im Schutz einiger Bäume am Straßenrand kam das schwarze Vehikel dann zum Stehen.
Einige Spieler kauerten auf dem Boden zwischen den Sitzreihen. Es waren Rufe zu hören. Rufe nach Hilfe, Rufe nach Familienangehörigen, Rufe in verschiedenen Sprachen. Ich hörte Marc gedämpft vor Schmerz schreien und auf spanisch rufen. Die hintere Tür des Busses ging auf und die ersten Personen verließen schnell den Bus. Die Polizei war bereits vor Ort, denn einige Kräfte begleiteten den Bus immer zum Stadion, hatte Verstärkung und Rettungskräfte angefordert.
Behäbig richtete ich mich halb auf, ohne den Schutz der Sitzreihen ganz zu verlieren. Einige blökten mich an, daß ich unten bleiben möge, was aber keine Option war. Stattdessen blökte ich zurück. Mein Körper war mit Adrenalin vollgepumpt, funktionierte einfach vollends. Ich verschaffte mir einen Überblick, jetzt galt es zu helfen. Vorne schien alles in Ordnung zu sein und ich wandte mich dem hinteren Bereich zu. In dem einen Vierer vor der letzten Reihe saß Schmelle, der an der Schläfe blutige Kratzer hatte, ein blutiges Rinnsal zog eine Spur seine Wange hinab. Von der letzten Reihe nahm ich den Erste Hilfe Koffer. Ich legte ihm einen kleinen Druckverband an. Er signalisierte mir, daß sonst alles okay sei. Aber er sah mich angespannt an. Sein Blick hatte etwas erschrocken es als er mich ansah. Ich sah immer wieder die Kopfteile, die durch irgendwas durchlöchert waren. Einige Spieler hatten von den kleinen Partikeln, die durch die Luft geflogen waren punktuelle Blutflecken, die nicht weiter nachgeschaut werden mussten. Dann wandte ich mich um. In dem Vierer dort kauerte Roman vor Marc, versuchte ihn zu beruhigen. Der sonst so lebenslustige Spanier war bleich, er schwitzte. Sein Arm blutete stark. Ein Druckverband konnte eine erste Blutung stillen. Ich redete mit ihm auf spanisch. Das ließ ihn ruhiger werden.
Zwei SEK Einsatzkräfte betraten den Bus. "Wir brauchen einen Rettungswagen!", schrie ich, weiter mit dem Fiepsen im Ohr. Dagegen versuchte ich immer wieder den Kopf zu schütteln, blinzelte immer wieder gegen ein Schwindelgefühl. Das Adrenalin wurde weniger, peitschte mich aber noch durch die Regelung der Situation, ich dachte wenig, funktionierte aber effizient.
Roman sah mich dann an. Er war blass, der Schock stand ihm ins Gesicht geschrieben, doch mein Anblick ließ seine Augen noch grösser werden. Ich konnte nicht ahnen was er sah. Ich nahm sein Gesicht kurz in meine Hände. "Alles wird gut!", beruhigte ich ihn. Er küsste mich fest.
Nach und nach leerte sich der Bus und die ersten Sanitäter kamen rein. Einer nahm sich Marc an und auch Roman wurde aus dem Bus begleitet. Ich hockte gegenüber von Marc und gab das an, was ich gemacht hatte. Ein weiterer Sanitäter ließ sich neben mir nieder. Mit flinken Handgriffen bekam ich einen Druckverband an der Schläfe angelegt, was ich nicht verstand. Ich hatte keine Idee wofür der nötig sein sollte. Ich sass inzwischen im Mittelgang, konnte mich nicht mehr auf den Beinen halten. Mein Gleichgewicht machte mir einen Strich durch die Rechnung. Marc wurde noch ruhiger, was dem Beruhigungsmittel zuzuschreiben war, welches sie ihm gespritzt hatten. Gleichzeitig legte der Sanitäter mir einen Zugang und schloss direkt eine Infusion an. Er sprach leise, wovon ich nur die Hälfte verstand durch das monotone Geräusch im Ohr. Ein zweiter Rettungswagen war angefordert worden, was ich weiter nicht verstand. Der Bus war doch leer, nur noch Marc war mit mir da.
Marc wurde von Sanitätern aus dem Bus begleitet und direkt vor der Tür auf eine Trage gelegt. Nur Sekunden später ertönte das Martinshorn, welches den Abtransport des Abwehrspieler signalisierte. Der Sanitäter der mich versorgt hatte war wieder reingekommen und das Adrenalin, welches mich zuvor hatte agieren lassen, war quasi verpufft. "Wie geht es Ihnen?", wollte er wissen. Ich sah ihn an, merkte, wie mir die Augen zufielen, was ich abschütteln konnte. "Gut, es geht mir gut, nur ein bisschen schwindelig!", murmelte ich undeutlich, wieder fielen mir die Augen zu. Eine besänftigende Schwärze griff nach mir. "Scheisse, verdammte Scheisse. Schön wach bleiben! Hören Sie, wach bleiben.", verlangte der Sanitäter, was ich doch war. Das ich aus dem Ohr blutete, bemerkte ich nicht. Ich wusste nicht was er wollte, was seine hektischen Bewegungen Richtung Tür sollten. Es ergab alles überhaupt keinen Sinn. Einer der SEK Beamten betrat hinter ihm den Bus. "Der RTW kommt nicht nah genug an den Bus ran. Wir müssen ungeschützt laufen.", erklärte der Beamte. "Sie nehmen die Patientin, ich die Infusion und los. Das muss jetzt schnell gehen, ich kann einen Schädelbasisbruch nicht mehr ausschließen.", war es der Sanitäter der sprach, weil ich zugeben musste, daß ich jetzt nicht aufstehen konnte. Ich verstand nicht, wer jetzt noch da war, das von einem Schädelbasisbruch die Rede war. Ohne mit der Wimper zu zucken hob der dunkel maskierte Beamte mich auf die Arme und verließ mit mir den Bus. Mein Kopf sackte nach hinten, den konnte ich nicht halten, aber ich spürte etwas feuchtes an meinem Hals hinab tropfen. Der Sani hielt die Infusion im Schutz des zerstörten Bus hoch, mit der anderen Hand stützte er meinen Kopf.
Der Bus war von bewaffneten SEK Kräften und Polizisten umstellt. Von der Mannschaft konnte ich niemanden sehen. Der Sanitäter und der Beamte der mich trug steuerten den wenige Meter entfernten RTW im Laufschrift nach einem gemeinsamen Kommando an. Dumpf hörte ich Roman rufen, er klang verzweifelt, aber ich bekam das kaum mit. Der Notarzt setzte eine Spritze, die mich in Watte hüllte, mir jedes Empfinden und die Gewalt wachzubleiben nahm.

Pflichtgefühl - Herz über KroneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt