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Der unterirdische Teil des Palastes war relativ gut beleuchtet, überall hingen Öllampen und Fackeln, die die Wände in einem ockerfarbenen Gelbton erleuchteten.

Vor der dünnen Holztür, die zu den Räumlichkeiten der Sklaven führte, blieb ich stehen und klopfte an. Hier gab es keine Wachen, die vor ungewollten Besuchern schützten. Wozu auch, wer ging außer den Sklaven freiwillig hier her?

Nachdem ich etwas gewartete hatte öffnete sich die Tür mit einem Knarren, doch ich konnte nicht sehen, wer dahinter stand. Der Raum war zu dunkel.

„Wo finde ich-"
Augenblicklich hielt ich inne.
Vor mir stand Maeson. Er war einen Schritt auf mich zu gekommen und stand nun deutlich sichtbar vor mir.

„Oh.", war das einzige, was ich von mir geben konnte, während ich versuchte, seinem Blick stand zu halten. Ich war total unsicher, wie ich mich nun in seiner Gegenwart verhalten sollte. Das letzte Mal hatten wir uns schließlich nicht allzu gut verstanden.
Zu meiner Überraschung schaute Maeson mich gar nicht wütend an. Sein Blick war viel mehr... neutral.
Diese Erkenntnis ließ mich fast schon in die Luft springen, auch wenn das lange nicht bedeutete, dass wir beste Freunde waren.

„Ähm... zurück zu meiner Frage. Weißt du zufällig, wo ich Aviana finden kann?"
Ein Lächeln setzte ich nicht auf, schließlich wollte ich nicht zu schleimerisch wirken.

Maeson musterte mich kurz und öffnete dann vollständig die Tür.

„Kommt mit, Eure Hoheit."

Ich folgte ihm nach innen und blickte mich neugierig um. Hier drin war ich komischerweise noch nie gewesen, obwohl Aviana und ich schon seit Ewigkeiten befreundet waren.

„Oh, ich dachte, hier gäbe es mehrere Räume anstatt einen großen für alle.", sprach ich meine Überraschung aus.

„Nun, Prinzessin, das ist das Leben.", entgegnete Maeson trocken, ohne mich anzusehen.
Ich blieb kurz still und dachte über seine Worte nach. Er hatte recht, ich hatte wenig Ahnung davon, wie das Leben außerhalb dieser Palastmauern tatsächlich war. Welches Leid die Menschen nur wenige Meter von hier erfahren mussten.
Aber woher sollte ich das denn wissen? Man ließ mich nicht einfach so nach draußen gehen und außerdem wohnte ich in einem Haushalt, in dem ständig von der unschlagbaren Größe und Perfektion dieses Reiches geprahlt wurde. Niemand redete über die Probleme.

„Nun, Maeson, kann ich etwas dafür, wo ich hinein geborgen wurde?"
Ich wollte nicht, dass er dachte, ich wäre ignorant und naiv. Denn das war ich meiner Meinung nach nicht.
Ich kannte eben nur mein Leben. Und das hatte ich entweder hier im Palast oder im Landhaus verbracht.

Maeson dagegen war als Sklave sicherlich viel herumgekommen. Er hatte einiges von der Welt gesehen, das Gute und das Schlechte.

Bei den Göttern! Für ihn musste es derart komisch sein, dass die gut behütete Prinzessin sich darüber wunderte, dass die Sklaven in einem Großraum untergebracht waren.

„Nein, in der Tat, das könnt Ihr nicht, Eure Hoheit. Aber ich denke, es würde nicht schaden, wenn Ihr Eure Augen öffnetet."
Maeson blieb in der Mitte des Raumes stehen und sah mich an. Das war das erste Mal seit unserer Auseinandersetzung, dass wir wirklichen Augenkontakt hatten.

„Das möchte ich, Maeson. Doch wie soll ich meine Augen öffnen, wenn sie von meinem Vater zugehalten werden?"

Maeson erwiderte daraufhin nichts und sah mich nachdenklich an. Ich wollte, dass er mich verstand. Meine Lage, meine Motive.

Gerade als ich etwas sagen wollte, schwang ein Vorhang im hinteren Teil des Raumes auf und ein paar Sklavinnen, unter ihnen Aviana, kamen hervor.

„Eure Hoheit!", rief Aviana überrascht und verbeugte sich, die anderen Sklavinnen taten es ihr gleich, wenn auch etwas zaghafter.

„Was macht Ihr hier?", erkundigte sie sich und Maeson stimmte ihr nickend zu.

„Das würde mich auch interessieren."

Die restlichen Sklavinnen wollten unauffällig verschwinden um uns unsere Ruhe zu lassen, doch ich hielt sie davon ab. 

„Nein, bleibt hier. Das solltet ihr alle erfahren.", fing ich an und seufzte.
„Mein Vater hatte soeben zu einer Besprechung ausgerufen. Es ging dabei um die Aufstände, die sich im ganzen Reich verteilt anhäufen."

Aviana nickte.

„Davon haben wir bereits gehört."

„Habt ihr auch davon gehört, dass wir hier nicht mehr allzu sicher sind? Dass es quasi jederzeit einen Angriff auf den Palast geben könnte?"
Ich sah in die Runde und suchte in ihren Blicken eine Antwort. Aviana schüttelte bedrückt den Kopf.

„Nun gut, dann erzählt es bitte allen Bediensteten weiter. Ich möchte, dass jeder sich der Situation bewusst ist und mit Vorsicht handelt."

„Ich bedanke mich für die Information, Eure Hoheit.", sagte Maeson schließlich und verbeugte sich leicht, bevor er dann aus der Kammer verschwand.
Die Sklavinnen taten es ihm gleich, sodass Aviana und ich nur für uns alleine waren.

„Ist es wirklich so schlimm?", fragte sie mich sofort und ich konnte die Besorgnis in ihren Augen sehen.

„Ich weiß nichts Genaueres. Das was ich euch gesagt habe, hat Vater uns so gesagt. Aber es muss wohl tatsächlich ernst sein, wenn er mich sogar dabei haben wollte, damit ich Bescheid weiß und für meine Sicherheit sorgen kann."
In der Tat, es war schon bewundernswert, dass Vater mich zu einer seiner Notfallsbesprechungen rief, wo ich doch erstens eine Frau war und zweitens er mich so sehr verabscheute.

„Naja, immerhin werden wir nun im Falle der Fälle nicht aus heiterem Himmel überrascht!", versuchte Aviana mich und sich selbst zu beruhigen.
„Ich werde sichergehen, dass die Sklaven die unterirdischen Kammern zu Schutzräumen herrichten."

„Das ist lieb von dir, Aviana.", seufzte ich und drückte ihre Hand.
„Aber selbst wenn wir gut geschützt sind, sehe ich in dieser Sache kein wirkliches Ende. Vater will die Aufständischen festnehmen und umbringen lassen. Doch meiner Meinung nach entstehen dadurch nur noch mehr Unruhen und Empörung unter den Bürgern. Ich weiß nicht, ob sie sich von ein paar Hinrichtungen einschüchtern lassen."

„Bei den Göttern! Das hat er vor?! Er kann doch nicht Römische Bürger exekutieren und glauben, dass das das Volk zufriedenstellt!"
Aviana lief unruhig durch den Raum und taufte sich die Haare.

„Das habe ich ihm auch gesagt. Als einzige. Doch er meinte nur, ich sei eine Frau und habe keine Ahnung von solchen Angelegenheiten.", schnaubte ich und verschränkte die Arme vor der Brust.

Ich hatte das Gefühl, dass mein Vater keinerlei logisches Denken von seinen Eltern geerbt hatte. Es konnte doch nicht sein, dass er der Kaiser war und Hinrichtungen die Lösung dieses Umstandes waren!

„Du hast Recht, es ist wirklich aussichtslos. Was ist denn das Ziel der Aufstände? Wollen sie deinen Vater stürzen?"
Aviana sah mir fragend in die Augen und ich nickte leicht.

„Das denke ich zumindest. Mit Sicherheit sind sie mit seiner Art zu regieren unzufrieden."

„Was heißt das also?", hakte Aviana nach.
Ich wippte unruhig hin und her, während ich meine Vermutung doppelt überdachte.

„Ich fürchte, das alles hört erst auf, wenn mein Vater ermordet und der Palast erobert ist. Und auch dann ist es nicht einfach vorbei."

The Slave's DarlingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt