XXV

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„Du hast vorhin gesagt, nur weil du viel besitzt, bist du nicht glücklich.", sagte Maeson nach einem kurzen Moment der Stille.
„Stimmt das?"

Verwundert darüber, warum er plötzlich darüber sprechen wollte, drehte ich meinen Kopf und sah ihm in die Augen.
Maeson hielt meinem Blick stand, seine Augenbrauen hatte er leicht nach oben gezogen. Es schien ihn wohl wirklich zu interessieren, wie jemand wie ich, der alles hatte, einfach nicht glücklich sein konnte.

„Nun ja, teilweise.", fing ich an und sah seufzend wieder nach vorne.
„Natürlich weiß ich es zu schätzen, keine Sklavin zu sein und nicht hart arbeiten zu müssen. Ich habe jeden Tag etwas zu essen, zu trinken und naja... ein ziemlich großes Dach über dem Kopf."

Maeson schmunzelte, was mir sofort ein Lächeln ins Gesicht zauberte.

„Das war es dann aber auch so ungefähr.", fuhr ich fort und mein Lächeln verschwand langsam wieder.
„Weil mein Vater solch eine wichtige Persönlichkeit ist, lebe ich schon seit meiner Geburt total isoliert. Der einzige Grund warum ich den Palast verlasse, ist, um zu unserem Landhaus zu fahren. Aviana ist zwar eine tolle Freundin und ich bin sehr dankbar sie zu haben, aber außer ihr habe ich zu keinen anderen Gleichaltrigen Kontakt. Ich habe ständig das Gefühl, dass ich etwas verpasse. Da draußen findet das Leben statt und von hier drin wird es geregelt. Doch ich tue nichts von beidem. Ich existiere einfach nur vor mich hin, Tag für Tag, und soll dann auch noch jemanden wie Titus heiraten. Mein Vater ist auch kein leichter Umgang, wie du vielleicht mitbekommen hast... aber wahrscheinlich mache ich mich gerade einfach nur lächerlich, meine Probleme sind doch schließlich nur Luxusprobleme, oder?"

„Ich kann dich verstehen, Olympias."
Maeson nickte leicht und seine Haare fielen ihm wieder vor die Stirn.
Direkt fragte ich mich, ob er mich wirklich verstand. Er war doch ein Sklave, wie sollte er also eine Ahnung davon haben, wie das Leben einer Prinzessin war?

Doch es ermutigte mich, dass er auf meiner Seite stand. Ich fühlte mich dadurch nicht mehr so alleine gelassen. Denn außer mit Aviana konnte ich mit niemandem sonst über meine Gefühle und Probleme reden.

„Und ich finde auch wirklich nicht, dass deine Gefühle lächerlich sind. Nur weil es dir von materiellen Aspekten her gut geht, heißt es nicht, dass deine Probleme weniger zählen als die von Menschen, die zum Beispiel unter Hunger leiden. Mentale Gesundheit ist schließlich auch eine Voraussetzung für ein gutes Leben, oder?"

„Ja, du hast Recht.", seufzte ich.
„Und du weißt gar nicht, wie viel es mir bedeutet, dass du das auch so siehst."
Ich schenkte Maeson ein halbherziges Lächeln.

„Naja, das ist doch nur normaler Menschenverstand.", murmelte Maeson verlegen.

„Vielleicht ist es das, aber ich habe immer solche Schuldgefühle, wenn mir bewusst wird wo ich wohne, was für Tuniken ich trage und wenn ich daran denke, wie viel Essen uns zu Verfügung steht, dann wird mir schlecht. Und wenn dann auch noch Rebellen bei mir zu Hause auftauchen, weil sie sich so schlecht behandelt fühlen und keinen anderen Weg sehen als Widerstand zu leisten und meinen Vater zu stürzen, glaubst du, ich kann dann einfach mit meinem Tag weiter machen, so als ob nichts wäre?"
Frustriert fuhr ich mir durch meine Haare und starrte an die Decke.

„Sogar jetzt wo ich Angst habe, dass mir etwas angetan werden kann, fühle ich mich schuldig. Sie kämpfen doch auch nur für ihre Rechte, für mehr Freiheiten, oder? Wenn einer von ihnen erwischt wird, dann wird er getötet, das ist wohl klar. Diese Menschen riskieren also ihr Leben weil sie so unzufrieden sind, während ich hier jeden Tag alles habe, was ein Mensch braucht."

„Du kannst doch gar nichts dafür, dass du eben keine normale Bürgerin bist. Und außerdem", Maeson schluckte und sah mir in die Augen, „braucht ein Mensch auch Liebe."

Mein Atem stockte und eine Zeit lang war ich zu nichts anderem fähig, als Maeson einfach nur anzustarren.

Es überraschte mich, dass er dieses Thema ansprach, denn Liebe war ein seltenes Gut. Meine Eltern liebten sich auf keinen Fall, das war offensichtlich. Auch mein Bruder liebte seine Frau nicht und selbst wenn Aviana und ihr Mann sich gut verstanden, war das trotzdem keine wirkliche Liebe.

Und dann waren da noch Titus und ich, das zwischen uns war wohl eher das komplette Gegenteil von Liebe. Ich verachtete ihn - aus gutem Grund - und für ihn war nur meine Position von Bedeutung.

Also wie sollte ich da verstehen, dass jeder Mensch Liebe brauchte?

„Ich verstehe nicht ganz, was du meinst.", sagte ich schließlich, als ich meine Stimme wieder gefunden hatte, und zog meine Augenbrauen nach oben.

„Ich meine damit, dass jeder Mensch in irgendeiner Form Zuneigung braucht. Und so wie ich das beurteilen kann, bekommst du davon nicht zu viel ab, oder?"

„Kann schon sein.", murmelte ich und starrte auf meine Hände.
Ich wollte nicht zugeben, dass ich mich oftmals einsam fühlte, wenn Aviana gerade nicht da war. Die einzigen zwei Personen zu denen ich sonst noch ein gutes Verhältnis hatte, nämlich zu meiner Mutter und meinem Bruder, hatten ständig alle Hände voll zu tun und hatten praktisch nie Zeit für mich.

„Siehst du?", sagte Maeson feststellend und fühlte sich in seiner Beobachtung bestätigt.

„Man muss aber aufpassen, dass man sich vor lauter Einsamkeit nicht selbst verliert.", fuhr er dann etwas leiser fort und sah mir fest in die Augen.

Mein Mund klappte auf und ich starrte zurück.

„Ich bin nicht depressiv, Maeson."
Ich schüttelte den Kopf und hätte fast über die Absurdität seines Gedankens gelacht. Andererseits fand ich es süß von ihm, dass er sich scheinbar Sorgen machte.

„Aber manchmal würde ich einfach zu gerne abhauen, um weg von hier zu kommen. Ich will nicht nur davon hören, wie das Leben außerhalb dieser Mauern ist. Ich will es sehen und selbst spüren."

„Wieso tust du das dann nicht?", entgegnete Maeson, seine Frage war tatsächlich ernst gemeint.

„Wieso ich nicht aus dem Palast ausbreche?"
Belustigt stieß ich einen Lacher aus.
Er spinnte doch wirklich!

„Wenn man merkt, dass ich fehle wird ein riesiger Suchtrupp nach mir geschickt. Und die armen Männer dürften nicht umkehren, bis man mich gefunden hätte."

„Wer hat denn gesagt, du musst für länger als ein paar Stunden abhauen?", meinte Maeson schulterzuckend woraufhin ich die Stirn runzelte.

„Du könntest doch auch einfach nur für eine Nacht deine rebellische Seite ausleben. Niemand würde etwas merken."
Maeson stand auf und fing an, durch den kleinen Raum zu laufen. Langsam wurde das ewige Sitzen wirklich unbequem.

„Theoretisch ja. Aber sag mir, Maeson, wie soll ich draußen durch die Straßen marschieren, ohne dass ich erkannt werde? Und wie soll ich überhaupt unbemerkt aus dem Palast kommen?"

„Oh, das ist einfacher als du denkst, Olympias."
Maeson bleib vor mir stehen, seine Augen funkelten abenteuerlustig.

Ab und zu tat ich zwar schon riskante Dinge, doch über die Mauern des Palastes zu hüpfen hatte ich bis jetzt noch nicht einmal im Traum gewagt. Allerdings war der Gedanke daran so aufregend, dass mein ganzer Körper zu kribbeln begann.

Ein Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus, ich hatte Lust auf ein verbotenes Abenteuer.

„Na dann, Maeson, zeig mir wie gut du dich als Komplize eignest!"

Als einige Zeit später zwei Wachmänner gegen die Tür klopften und uns Bescheid gaben, dass der Angriff vorbei war, spielte ich die Rolle der verängstigten Olympias so perfekt, dass niemand darüber Verdacht schöpfen würde, was ich eigentlich im Sinn hatte.

The Slave's DarlingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt