‚Du trägst nun meinen Namen', schoss mir Titus' Stimme durch den Kopf.
‚Und du hast mich zum Mitglied der kaiserlichen Familie gemacht. Dafür bin ich dir sehr dankbar.'Ich nahm ein Messer aus dem Behälter und packte es am Griff. Dann visierte ich die Mitte der Zielscheibe an, während mir immer noch die Situation von gestern Abend nach der Hochzeit vor meinem inneren Auge herum schwebte.
‚Du, Caecilia Olympias hast mir zu der Macht verholfen, die mir schon immer zu stand.', hörte ich meinen Ehemann sagen, so als ob er immer noch neben mir stehen würde.
Die selbe Wut von gestern Abend stieg wieder in mir hoch.
Ich kniff meine Augen zusammen und schleuderte das Messer mit voller Wucht auf die Zielscheibe zu. Triumphierend grinste ich als ich sah, wohin ich getroffen hatte. Nämlich genau in die Mitte.Doch die kurze Euphorie wurde direkt wieder von meiner Wut und meinem Hass auf Titus eingeholt. Gestern Abend hatte er mich nach der beendeten Zeremonie in meinem Zimmer aufgesucht und mir siegessicher offenbart, dass er nun endlich die Macht hatte, die er schon immer haben wollte und ich bald sehen würde, zu was er alles fähig war.
Ich schnappte mir ein nächstes Messer und legte es mir in der Hand zurecht.
Es war unfassbar, wie sehr ich mich in Titus getäuscht hatte. Dabei war doch ich diejenige, die unberechenbar war. Aber nun hatte sich der dumme, schüchterne, feige Titus als machtgieriger, hinterhältiger Idiot herausgestellt. Würde ich mein Kleid ruinieren wollen, hätte ich mich jetzt auf der Stelle übergeben.
Aber stattdessen folgte das zweite Messer dem ersten, es schoss mit einem Zischen auf die Holzplatte zu und blieb direkt neben dem anderen Messer mit einem dumpfen Geräusch stecken.
Das war schon immer meine Methode gewesen, mit Aggressionen oder überschüssiger Energie umzugehen. Würde Titus mich weiterhin derartig auf die Palme bringen, könnte ich glatt bei den nächsten Olympischen Spielen im Messerwerfen jegliche Preise einsammeln. Nur leider war ich keine Griechin und zudem eine Frau, weshalb meine kurze Träumerei schon wieder endete.Ich seufzte, dann nahm ich mir das nächste Messer und stellte mir vor, direkt auf Titus zu zielen. Ich holte noch mehr aus als sonst immer und sah dann zu, wie meine Waffe genau auf das vorherige Messer zuschnellte. Mein Wurf war wohl ziemlich kraftvoll gewesen, denn ich hatte den Griff des Messers gespalten. In meinen Vorstellungen war genau dort Titus' Kopf gewesen.
Ich musste zugeben, dass dieser Gedanke schon einigermaßen befriedigend war.
„Das war wirklich ein sehr beeindruckender Wurf, Eure Hoheit. Ich bin sprachlos."
Ruckartig drehte ich mich um, doch ich wusste auch ohne zu schauen wer da hinter mir stand. Es war Maeson.
„Ach, das war nichts Besonderes. Eher interessant finde ich, dass du mich anscheinend beobachtest.", entgegnete ich und musterte ihn einmal von oben nach unten.
Verdammt, sah er wieder gut aus. Und dieses leichte Lächeln mit dem er mich gerade ansah? Das hatte Potential zum Verlieben.
Doch jetzt war ich wütend, da hatte ich keine Zeit, um ihn anzustarren.„Ich habe Euch doch überhaupt nicht beobachtet.", sagte Maeson gespielt trotzig und verschränkte seine starken Arme vor der Brust.
„Ich habe einfach nur einen Spaziergang durch den Garten gemacht und nachgesehen, ob alles in Ordnung ist. Dabei seid Ihr eben einfach zufällig in mein Sichtfeld geraten."„Na wenn das so ist..."
Ich drehte ihm den Rücken zu und lief zur Zielscheibe, um dort die Messer wieder heraus zu ziehen.„Aber es wundert mich ehrlich gesagt nicht, dass Ihr mich gar nicht bemerkt habt.", fing Maeson wieder an und ich zog fragend eine Augenbraue hoch, während ich wieder auf ihn zu kam.
„Ihr scheint sehr mir Euch selbst und Euren Gedanken beschäftigt zu sein."
„Und das meinst du woher zu wissen?", hakte ich leicht genervt nach und ließ ein Messer nach dem anderen in den eisernen Behälter fallen.
Ich konnte es gerade wirklich nicht gebrauchen, dass sich irgendwelche Leute in meine privaten Probleme einmischten.„Nunja...", fuhr Maeson leicht verunsichert fort, „Bei der Wucht mit der Ihr das Messer eben in zwei Teile gespalten habt... da kann doch nur etwas Wut dahinter stecken, oder?"
Etwas überfordert, weil er mich so einfach durchschaut hatte, stand ich einfach nur da und schnappte nach Luft.
Dann wurde ich nur noch wütender.
Es war immer quasi mein Motto gewesen, nie wirklich meine Gefühle oder mein wahres Ich zu zeigen. Doch nun hatte nicht nur Titus es geschafft, mich zu täuschen sondern auch noch Maeson ist es gelungen innerhalb von einer Sekunde auf den Grund meiner Seele zu schauen.
Wenn es etwas gab, was ich gar nicht leiden konnte, dann war es das Gefühl zu Versagen.„Ich fasse es nicht! Nur weil ich eine Frau bin, kann ich nicht unter normalen Bedingungen so einen Wurf hinlegen? Ich muss gleich Aggressionsprobleme dafür haben?", entgegnete ich schnippisch und stemmte meine Hände in die Hüfte.
„Nein, nein.", stammelte Maeson und wich etwas zurück.
„So habe ich das doch gar nicht gemeint!"Natürlich war mir klar, dass er es nicht so gemeint hatte. Doch ich wollte einfach nicht zugeben, dass Recht hatte. Also musste ich dafür sorgen, dass er selbst glaubte, eben nicht recht zu haben. Zudem war ich einfach stinkwütend auf ihn, da er das konnte, was ich schon seit Ewigkeiten können wollte.
Nämlich Menschen lesen zu können und das mit einer Leichtigkeit, als wäre es das normalste auf dieser Welt.„Ja ist klar. Verschwinde bitte ganz schnell mit deinen Geschlechterrollen und lass mich in Ruhe!", zischte ich und er wich noch einen Schritt zurück.
„Aber ich wollte doch-"
„Weißt du eigentlich nicht wer ich bin?", unterbrach ich Maeson energisch.
„Ich bin die Tochter deines Kaisers. Und du hast mir zu gehorchen also verschwinde jetzt!"Verdattert starrte Maeson mich an und war für einen Augenblick lang unfähig etwas zu tun. Dann fasste er sich wieder und stammelte:„Ist in Ordnung, Eure Hoheit. Es tut mir l-"
„Jetzt geh endlich! Oder ich sorge dafür, dass du in einer Stunde gehängt wirst!", rief ich woraufhin Maeson es sehr eilig hatte, von mir weg zu kommen.
Natürlich hatte ich die Drohung nicht ernst gemeint, ich war doch schließlich kein schlechter Mensch. Aber jetzt hatte ich dafür ein schlechtes Gewissen. Da war er einmal nett und gesprächig - genau das was ich mir von ihm gewünscht hatte - und was machte ich? Ich hatte ihm im Endeffekt gedroht ihn umzubringen. Und das nur, weil ich nicht mit dieser gesamten Situation einfach nicht klar kam.
Was war denn nur mit mir los?
Oh Gott, er hasst mich jetzt bestimmt!Am liebsten hätte ich mich einfach auf die Wiese fallen lassen und angefangen zu heulen, aber dann fiel mir ein, dass mich hier jeder sehen könnte.
Also riss ich mich zusammen, setzte ein gefälschtes Lächeln auf und hoffte, dass ich niemandem begegnen würde, vor allem nicht Titus.Ich machte mich auf direktem Weg auf zu meinem Zimmer, wo ich sofort alle Tränen raus ließ, sobald die Tür hinter mir geschlossen war.

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The Slave's Darling
Ficción histórica106 n.Chr. Flavia Olympias ist die Tochter des Kaisers vom Römischen Reich. Eigentlich führt sie ein relativ angenehmes und luxuriöses Leben, das sie größtenteils auf dem Landhaus der Familie verbringt. Doch ihr Vater hat schon wieder einen Mann au...