Es war heiß draußen, so direkt unter der Sonne. Zudem musste ich meine Augen zusammenkneifen um sehen zu können, wo Titus stand.
Ich war wie benebelt. Das Licht, der Lärm, es kam mir alles vor wie ein Traum, durch den ich orientierungslos taumelte.Langsam und anmutig schritt ich auf Titus zu, der inmitten des Podiums stand. Auch er war komplett in weiß eingekleidet, der Umhang seiner Toga jedoch war mit roten und goldenen Mustern verziert.
Als ich bei ihm angekommen war, stellte ich mich ihm gegenüber. Ich schaute nach links, sah die unzähligen Stufen zum großen Platz hinab, der bis auf den letzten Fleck mit Menschen überfüllt war. Zu unserer Rechten standen mein Vater, meine Mutter und mein Bruder. Wie immer hatte mein Vater seine ernste Miene aufgesetzt, doch meine Mutter und mein Bruder lächelten mir aufmunternd zu.
Als ich wieder zu Titus sah, kam auch Maeson in mein Blickfeld. Er stand fünf Meter hinter Titus, in einer Reihe neben anderen Sklaven und Wachen.
Kurz begegneten sich unsere Blicke, dann sah er an mir herab und schien mein Aussehen zu begutachten. Ich konnte aber anhand seines Blickes nicht deuten ob er mochte was er sah, weshalb ich mich mit meinem aufgesetzten Lächeln wieder meinem Verlobten zuwandte.Die Mehrheit der Anwesenden dachte wohl, ich sei in diesem Moment glücklich. Das war auch gut so.
Denn meine Mutter hatte mich immer gelehrt, dass ich niemandem dem ich nicht vertraute, meine Gefühle zeigen sollte. Denn sobald die Leute den Schwachpunkt von einem kannten, war man verwundbar.„Ihr seht toll aus, Eure Hoheit!", raunte Titus mir zu und ich lächelte.
„Danke."
Eigentlich hätte ich sein Kompliment aus Höflichkeit auch erwidern müssen, aber ich lüge nicht. Deswegen blieb ich still und wartete ab, dass unsere Hochzeit nun beginnen würde.Eine ältere Frau, die pronuba, trat hinter meinem Vater hervor und stellte sich zwischen meine Familie und Titus und mich.
Es wurde ruhiger.
Die Frau hielt in ihren schrumpeligen Händen ein Pergament, das sie langsam entfaltete. Dann las sie daraus, wie es üblich war, mit lauter Stimme den Ehevertrag vor.Es war das gewohnte Gerede von wegen man soll sich immer gegenseitig treu ergeben sein und immer für einander da sein, egal zu welchen Zeiten.
Ich hörte überhaupt nicht zu, denn es interessierte mich nicht im Geringsten, was in diesem Vertrag stand. Ich wusste so schon, dass ich ab jetzt Titus zu gehorchen hatte. Wenn ich das nicht tat, würde ich hart bestraft werden.Als sie damit fertig war, mussten Titus und ich unsere rechten Hände aneinander halten, damit diese von der pronuba zusammen gebunden werden konnten.
„Ubi tu Gaius ego Gaia.", sprach sie nun die Formel aus, die uns endgültig miteinander vermählte.
„Ihr, Eure Hoheit, hört von nun an auf den Namen Caecilia Olympia.", erklärte die Frau und sah mir dabei tief in die Augen.
Ich nickte und schaute aus Versehen an Titus vorbei zu Maeson.
Ich war nun Eigentum von Titus, genau so wie er. Würde mich das in seinen Augen sympathischer machen?
Ich wusste es nicht, aber ich hoffte es. Denn es war mir wirklich ein Rätsel, warum ich die einzige Person weit und breit war, gegenüber der er sich so komisch verhielt.Maeson sah mich an und keiner von uns unterbrach für eine Zeit lang unseren Blickkontakt. Seine dunklen Augen hatten solch eine Anziehungskraft, dass ich mich gar nicht von ihnen abwenden konnte.
Dann aber fiel mir ein, dass das hier gerade meine Hochzeit mit Titus war. Da sollte ich eigentlich nicht so lange einen anderen Mann anstarren. Ich wandte also meinen Blick ab und sah wieder zu Titus, der allerdings nichts bemerkt hatte.
„Und Ihr, Titus Caecilius Flaccus, seid mit dieser Vermählung Mitglied der kaiserlichen Familie.", fuhr die alte Frau die Zeremonie fort und setzte meinem Ehemann einen goldenen Kranz auf den Kopf.
Ich konnte sehen, wie Titus sich darüber freute. Er war stolz darauf der zu sein, der es geschafft hatte mich heiraten zu dürfen. Wahrscheinlich ging es ihm dabei aber weniger um mich als Person, sondern um seine jetzige Position in der Gesellschaft. Er hatte nun einen ganz schönen Aufstieg geleistet.Während ich mich in Gedanken weiter über mein Schicksal ärgerte, folgte das nächste Programm der Hochzeit, nämlich die Opfergabe. Ich schaute nicht zu, wie jedes einzelne Familienmitglied ein Opfer darlegte. Ich war nicht gläubig. Aber außer mir wusste das niemand, denn sonst könnte ich mir nämlich mein eigenes Grab schaufeln.
Ungeduldig wartete ich also ab, bis auch dieser Vorgang vorbei war.Die Menge an Zuschauern jubelte und klatschte begeistert in die Hände, dann wurden wir nach einer kurzen Verabschiedung vom Volk alle nacheinander wieder ins Innere des Palastes geführt.
Titus und ich folgten dem obersten Legionär in den Speisesaal, dicht gefolgt von meinen Eltern, meinem Bruder und dem Rest der Familie.Mein Ehemann und ich setzten uns vor Kopf der langen Tafel, alle anderen setzten sich an die restlichen freien Plätze und sahen uns dann gebannt an.
Nun kam die pronuba auf uns zu, denn unsere Hände waren immer noch aneinander gebunden. Sie zog ein Messer hervor und durchtrennte das Band und sprach: „Ihr seid nun bis auf ewige Zeit verheiratet, mögen die Götter Eure Ehe willkommen heißen."Die Gäste fingen an zu jubeln und zu klatschen, ein Blick nach links verriet mir, dass Titus mit der Sonne um die Wette strahlte, woraufhin auch ich mir ein fröhliches Lächeln erzwang.
Ab diesem Moment an nahm ich alles was um mich herum geschah nur noch distanziert wahr. Die Sklaven kamen und brachten uns allen Essen, woraufhin ich mir einfach irgendetwas auf meinen Teller schaufelte.
Gesprächen ging ich so gut wie möglich aus dem Weg, denn ich war keineswegs in der Stimmung über meine familiären Zukunftspläne oder sonstiges zu reden.
Wenn ich daran dachte, dass nun alle von mir und Titus Nachwuchs erwarten würden, kam mir schon fast das Essen wieder hoch.Meine gesamte Kindheit lang hatte ich davon geträumt, mich in irgendeinen tollkühnen Soldaten zu verlieben, mit dem ich gemeinsam die spannendsten Abenteuer erleben könnte. Doch nun schien ich gefangen in diesem protzigen Labyrinth von Palast, an der Seite des größten Langweilers den dieses Reich je gesehen hat.
—
„Sag mir bitte, dass das alles gerade nur ein schlechter Alptraum ist und ich bald aufwachen werde und alles in Ordnung sein wird!"
Ich saß auf meinem Bett und schluchzte in meine Hände, die ich mir vors Gesicht hielt. Die Tränen liegen mir in einem Fluss die Wangen hinunter und tropften auf mein weißes Hochzeitskleid, das ich immer noch an hatte. Meine Schultern zuckten unkontrolliert und ich atmete so abgehackt, dass ich glaubte meine Lunge würde gleich kollabieren.Aviana kam auf mich zu, setzte sich neben mich und schlang einen Arm um meine Schulter.
„Tut mir leid, Olympias. Das hier ist kein Traum. Aber glaub mir, es wird alles mit der Zeit besser, verstanden? Meine Hochzeit war auch der Tiefpunkt meines Lebens. Und schau dir an, wo ich jetzt bin. Ich verstehe mich gut mit meinem Mann und wir haben den tollsten Sohn dieser Welt. Du musst einfach nur versuchen, diese Situation zu akzeptieren und das Beste daraus zu machen und du wirst sehen, dass alles nur halb so schlimm ist."
„Das ist lieb gemeint von dir.", entgegnete ich und sah zu Aviana.
„Aber ich werde mich niemals so gut mit Titus verstehen können, wie du mit deinem Mann."„Du weißt nie, was in der Zukunft sein wird..."
„Schon, aber... ich will einfach nicht von ihm schwanger werden!", schluchzte ich schon wieder los.
„Aber das muss ich, weil es von mir erwartet wird. Was ist das denn für eine ungerechte Welt in der wir leben?"„Ich weiß wie du dich fühlst, Olympias. Ich weiß...", meinte Aviana leise, während sie mir über den Rücken strich.
Doch nun fühlte ich mich nur noch schlechter. Denn wie konnte gerade ich, die Tochter des Römischen Kaisers davon sprechen, wie ungerecht diese Welt war? Und das, während neben mir eine Sklavin saß die den Großteil ihres Lebens so behandelt wurde, als wäre sie kein Mensch sondern nur eine Ware.
Da konnte ich mich doch fast schon glücklich schätzen, dass meine einzigen Probleme ein intoleranter Vater und ein Ehemann, den ich nicht liebte, waren.
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The Slave's Darling
Historical Fiction106 n.Chr. Flavia Olympias ist die Tochter des Kaisers vom Römischen Reich. Eigentlich führt sie ein relativ angenehmes und luxuriöses Leben, das sie größtenteils auf dem Landhaus der Familie verbringt. Doch ihr Vater hat schon wieder einen Mann au...