Ich war die ganze Zeit so sehr in meinen Gedanken vertieft gewesen, dass ich von der Stadt gar nichts mehr richtig mitbekam. Doch als Maeson abrupt stehen blieb schaute ich mich neugierig um und vergaß dabei gänzlich, dass ich eigentlich auf meine Anonymität achten sollte.
Wir befanden uns scheinbar in einer Art Innenhof, denn zwischen den schmalen Gassen die hierher führten, ragten mehrstöckige Gebäude hervor.
„Was machen wir hier?", erkundigte ich mich und sah zu Maeson, der auf ein kleineres Gebäude direkt vor uns blickte.
Er machte den Mund auf um mir zu antworten, doch in genau diesem Moment öffnete sich die Hintertür des Gebäudes und ein junger Mann trat hinaus.Bei genauerem Hinsehen allerdings verschluckte ich mich quasi an meiner eigenen Spucke und ich keuchte überrascht auf. Dieser Mann war niemand geringeres als Augustus, mein eigener Bruder.
Auch er staunte nicht schlecht als er Maeson und mich erkannte, seine Augen ploppten förmlich aus seinem Schädel.
Alle drei standen wir wie festgefroren da und starrten unseren jeweiligen Gegenüber an.Einerseits konnte ich einfach nicht glauben, dass mein Bruder sich heimlich aus dem Palast geschlichen hatte und nun munter durch diese nicht ungefährliche Stadt spazierte. Er war doch der Thronfolger, wenn er den falschen Leuten in die Arme lief, dann war es das.
Aber dann fiel mir ein, dass ich hier nichts anderes tat. Allerdings war ich immerhin noch von einem starken Sklaven begleitet.Augustus war der erste, der sich aus seiner Schockstarre löste und lief ein paar Schritte auf uns zu.
„Was bei den Göttern habt ihr beide denn hier zu suchen?!", zischte er uns, vor allem aber eher mich, mit ausgestrecktem Zeigefinger an.
„Das gleiche könnte man dich doch auch fragen, oder?", gab ich zurück und verschränkte meine Arme vor der Brust.
Daraufhin holte mein Bruder erstmal tief Luft und fuhr sich durch die Haare, dann schüttelte er den Kopf und fasste sich wieder.„Ich habe hier wichtige Dinge zu tun. Ich bin mit Leuten unterwegs, die mir treu ergeben sind und jeden Winkel dieser Stadt kennen.", erwiderte er leise aber bestimmend.
„Aber du? Du bist eine Frau und dazu kennst du dich hier überhaupt nicht aus. Was glaubst du was los wäre, wenn dir etwas passieren würde?!"Ich schwieg betroffen, denn ich hatte sowieso schon an diesem Ausflug gezweifelt, aber die Ansprache meines Bruders ließ mich alles noch mehr hinterfragen.
„Olympias, du bist die begehrteste Frau dieses Imperiums, verheiratet hin oder her. Glaubst du da kann er - nichts gegen dich, Maeson - dich wirklich verteidigen?"
Mein Mund klappte auf und eigentlich wollte ich sagen, dass er es doch geschafft hatte, mich vorhin vor den Männern zu beschützen. Doch da ich ihm nun wirklich nicht noch die Umstände, unter denen es Maeson gelungen war, darlegen wollte, verriet ich das lieber nicht.
„Bis jetzt ist doch nichts passiert.", antwortete ich kleinlaut, woraufhin mein Bruder schnaubend den Kopf schüttelte.
„Was auch immer du hier zu suchen hast, ich kann einfach nicht glauben, dass du tatsächlich dachtest, es wäre eine gute Idee! Vor allem, wie kamst du darauf gerade Maeson mitzunehmen?"
Mein Bruder schaute skeptisch zwischen Maeson und mir hin und her. Er versuchte wahrscheinlich zu verstehen, wie ich ihn dazu hatte bringen können, mit mir auf dieses Abenteuer zu gehen.
Würde er doch bloß wissen, dass Maeosn derjenige war, der das alles hier organisiert hatte.Anstatt zu antworten schwiegen wir beide einfach nur, denn ich konnte meinem Bruder unmöglich die Wahrheit erzählen.
„Wisst ihr was, ich will gar nicht wissen in was für einer Beziehung ihr zueinander steht.", seufzte er schließlich kopfschüttelnd.

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The Slave's Darling
Historical Fiction106 n.Chr. Flavia Olympias ist die Tochter des Kaisers vom Römischen Reich. Eigentlich führt sie ein relativ angenehmes und luxuriöses Leben, das sie größtenteils auf dem Landhaus der Familie verbringt. Doch ihr Vater hat schon wieder einen Mann au...