XXIX

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„So, das wäre alles. Olympias und Maeson, ihr verschwindet jetzt lieber wieder."
Ich schreckte hoch und sah meinem Bruder in die Augen.

Mein Bruder. Er wirkte plötzlich so fremd auf mich, als hätte ich ihn nie wirklich gekannt. Wie konnte es denn auch sein, dass ich nicht auch nur die leiseste Ahnung davon gehabt hatte, was er eigentlich im Schilde führte?

Maeson neben mir stand auf und rasch tat ich es ihm gleich. Die beiden nickten sich zu und ohne ein weiteres Wort zu sagen legte Maeson seine Hand auf meinen Rücken und führte mich wieder durch den Hintereingang hinaus ins Freie.

„Was war das denn bitte?!", zischte ich, als wir wieder alleine in den Gassen unterwegs waren, die Kapuze hatte ich wieder tief in mein Gesicht gezogen.

„Scheint so, als hätten wir zufälligerweise die Rebellengruppe gefunden, die uns in letzter Zeit so sehr auf Trab hält.", entgegnete Maeson mit ernster Stimme.

„Nicht nur das, es passt einfach nicht in meinen Kopf rein, dass ausgerechnet mein Bruder der Anführer ist!"
Bei dem Gedanken fröstelte es mich und ich schlang meine Arme um meinen Oberkörper.

„Ja, allerdings. Dass der Sonnenschein Augustus zu so etwas fähig ist, hätte man sich nicht gedacht, was?", lachte Maeson trocken.

Verwirrt zog ich meine Augenbrauen nach oben und betrachtete ihn nachdenklich aus dem Augenwinkel.
Er wirkte so unbeschwert, den ganzen Abend hatte er nicht einmal sein Gesicht verzogen. Er war stets gefasst und ruhig am Tisch gesessen und auch jetzt machte er keinen überraschten Eindruck.
Entweder war er sehr gut darin seine Emotionen zu verstecken und anderen etwas vorzuspielen, oder er hatte etwas geahnt.

Wer weiß, vielleicht hatte er schon die ganze Zeit über von der Sache gewusst, oder war sogar ein fester Teil dieser Rebellengruppe?
Vielleicht war unser Ausflug in die Stadt einfach nur eine Idee meines Bruders gewesen, ein Vorwand um mich an seinen Plan heranzuführen?

Maeson bemerkte, dass ich ihn anstarrte und zog eine Augenbraue hoch.

„Ist alles in Ordnung?"

Ich schaute wieder nach vorne und nickte. Obwohl eigentlich gar nichts in Ordnung war.

„Ich frage mich nur, was wir überhaupt in dem Wirtshaus gemacht haben. Also warum wolltest du mit mir genau dort hin?"
Ich machte eine Pause und sah neugierig wieder zu Maeson.
„Es gibt doch sicherlich unzählige Wirtshäuser in Rom, da kann es doch fast kein Zufall sein, dass wir ausgerechnet dort gelandet sind, wo mein Bruder seine streng geheimen Pläne ausheckt."

Maeson ließ sich so lange Zeit mit der Antwort, sodass ich dachte er würde gar nichts mehr sagen. Dann fuhr er sich durch die Haare und nickte schließlich.

„Ich weiß, das klingt ziemlich absurd. Ich war selbst sehr überrascht, als Augustus plötzlich vor uns stand. Alle anderen hätte ich dort erwarte, aber nicht ihn!"
Er lachte leise und schüttelte den Kopf, seine Haare wippten vor seinem Gesicht hin und her.

„Das hat man dir aber gar nicht angesehen.", entgegnete ich zweifelnd.

„Natürlich nicht. Wenn man hier draußen unterwegs ist, selbst im Palast, kann man sich nie sicher genug sein. Jeder könnte dein Feind sein. Wenn dein Feind dich aber nicht einschätzen kann, deine Ängste und Sorgen nicht kennt, dann machst du es ihm um einiges schwerer."

„Und warum erzählst du mir das? Ich könnte doch auch dein Feind sein.", meinte ich, gespannt auf seine Antwort.

Maeson öffnete den Mund ohne etwas zu sagen, dann schlich sich ein leichtes Grinsen in sein Gesicht.

„Du hast tatsächlich Recht, wir beide könnten Feinde sein. Niemand von uns beiden weiß das.", fing er an und sorgte dafür, dass ich nun noch verwirrter als ohnehin schon war.
Ich wollte doch inständig hoffen, dass Maeson nicht mein Feind war!

The Slave's DarlingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt