Wir befanden uns im Thronsaal, meine Eltern saßen, mein Bruder stand zur Rechten meines Vaters und ich stand etwas weiter vorne.
Jetzt sollte ausnahmsweise ich im Mittelpunkt stehen. Normalerweise war es üblich für mich, dass ich links neben meiner Mutter stand, zwei Schritte weiter die Wachen. Ich war es gewohnt, dass man mir keinerlei Beachtung schenkte.Doch jetzt lagen alle Augen auf mir. Jeden einzelnen Blick spürte ich, weshalb mir zunehmend unwohl wurde. Es störte mich überhaupt nicht, dass die Leute mich sahen, ausgiebig anstarrten und ihre eigenen Gedanken über mich bildeten. Sollten sie doch sehen wie gut ich heute aussah.
Aber ich lebte einfach viel lieber im Hintergrund, im Geheimen. Wo nicht jeder römische Bürger über jeden einzelnen Schritt, den ich tat, Bescheid wusste.Zwar waren hier im Saal außer meiner Familie nur einige Wachen und ein paar Diener, jedoch wusste ich genau, dass sie reden würden.
Flavia Olympias würde Titus Caecilius Flaccus heiraten.
In zwei Tagen würde das die ganze Stadt wissen. Dabei wollte ich ihn nicht einmal heiraten.Nach außen hin konnte man mir mein Unwohlsein allerdings kein bisschen ansehen.
Meine Mutter hatte mir früher neben Eleganz auch Arroganz und Kälte gelehrt. Ich müsste nämlich einschüchternd sein können, um mich in einer von Männern regierten Welt behaupten zu können.
Also stand ich hier, elegant in meinem edlen Kleid, der Schminke und der Frisur und arrogant, indem ich mein Kinn nach oben reckte, eine Hand in die Hüfte stemmte und meine linke Augenbraue nach oben zog.
Sollte Titus doch direkt wissen, dass ich keine unterwürfige Hausfrau sein würde.Mit einem leichten knarzen wurden die Holztüren geöffnet und Titus kam hereingeschritten, begleitet von drei bewaffneten Legionären.
Ich musste ihn nicht einmal für mehr als eine Sekunde lang beobachten um zu wissen, dass er ganz und gar nicht mein Typ war.
Seine weiße Tunika saß zwar locker, jedoch zeichnete sich unter dem Stück Stoff ein gut genährter Bauch ab. Auch seine Arme ließen daraufhin deuten, dass er noch nie in seinem ganzen Leben auch nur einmal eine sportliche Aktivität betrieben hatte.Na super, er war sicher kein furchtloser Krieger mit spannenden Geschichten die er mir erzählen konnte, sondern nur ein langweiliger Politiker den nichts weiter als theoretische Machtkämpfe interessierten.
Laut hörbar atmete ich aus und erntete dafür einen mahnenden Blick von meinem Vater.
Wie sollte ich denn bitte den Rest meines Lebens mit diesem Mann an meiner Seite verbringen, ohne dabei ernsthafte Aggressionsprobleme zu bekommen?
Ich hätte auf der Stelle losheulen können, wenn ich an mein bereits besiegeltes Schicksal dachte.
Doch ich riss mich zusammen, denn ich war schließlich Flavia Olympias - stark und unerreichbar, niemand konnte mir etwas anhaben.Titus kam mit einem Abstand von drei Metern vor uns zum Stehen und warf mir ein Lächeln zu, das mich wohl von ihm überzeugen sollte. Doch ich erwiderte es nicht, meine Mimik veränderte sich die ganze Zeit über kein bisschen. Nach außen hin konnte mir niemand meine Gedanken ablesen, nicht einmal auch nur annähernd erahnen.
„Titus Caecilius Flaccus! Es ist mir eine Ehre, Sie hier begrüßen zu dürfen. Uns alle freut es, dass Sie nun endlich eingetroffen sind!", ergriff mein Vater das Wort und lächelte nett.
Endlich stand vor ihm der Mann, der seine Tochter heiraten würde.„Die Freude ist ganz meinerseits, mein Kaiser! Es ist mir eine große Ehre, in den Palast eingeladen zu werden und Eure bezaubernde Tochter kennenzulernen.", antwortete Titus und sah von meinem Vater zu mir.
Bezaubernd, dass ich nicht lache.
Ich war vielleicht einschüchternd, oder sogar furchteinflößend. Aber keinesfalls bezaubernd.
Hauptsache er sagte das, was meinem Vater gefallen würde.
Wie gesagt, ein langweiliger Politiker der keinerlei Mut besaß.„Nun denn, Sie werden gleich die Gelegenheit bekommen, meine Flavia näher kennenzulernen.", entgegnete mein Vater und erhob sich dann.
„Die Herrschaften, wir begeben uns und den Speisesaal!"
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The Slave's Darling
Ficção Histórica106 n.Chr. Flavia Olympias ist die Tochter des Kaisers vom Römischen Reich. Eigentlich führt sie ein relativ angenehmes und luxuriöses Leben, das sie größtenteils auf dem Landhaus der Familie verbringt. Doch ihr Vater hat schon wieder einen Mann au...