II

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Aviana und ich waren gerade dabei meine Sachen zu packen, als wir hörten, wie die Legionäre eintrafen. Die Wagen, die an die Pferde angespannt waren, ratterten über den Schotterweg, der direkt zum Eingangstor unseres Landhauses führte. Dann stoppten die Wagen und ich hörte, wie mehrere Männer strammen Schrittes auf das Tor zuliefen und es mit einem lauten Knarren geöffnet wurde.

„Flavia Olympias, wir haben den Befehl, Euch auf der Stelle zurück nach Rom zu eskortieren!", ertönte die laute, tiefe Stimme von einem der Legionäre in der Eingangshalle.

„Mist! Beeil dich!", zischte ich Aviana zu.
Die Hälfte meiner Kleider, sowie sämtliche Schmuckstücke und Schriftrollen waren noch nicht eingepackt. Das konnte ich alles sicherlich nicht zurücklassen.
Denn wie sollte ich sonst meine Zeit verbringen, wenn ich nicht gerade lesen oder mit Aviana neue Kleidungskombinationen ausprobieren konnte?
Sollte ich mich etwa mit meinem zukünftigen Ehemann unterhalten?
Niemals!

Achtlos stopften wir einfach alles was wir zu fassen bekamen in die Stoffsäcke, als die Tür aufgerissen wurde und zwei Legionäre in vollständiger Rüstung ins Zimmer traten.

„Flavia, Ihr müsst nun mit uns mitkommen. Der Kaiser hat ausdrücklich klargemacht, dass wir keinerlei Zeit verschwenden sollen!"

Ich mochte den Namen Flavia nicht besonders, denn er verband mich mit dem kaiserlichen Geschlecht, worauf ich jederzeit verzichten würde. Außerdem hieß meine Mutter Flavia Silvana und die Frau meines großen Bruders Flavia Helena. Das waren meiner Meinung nach drei Flavias zu viel und manchmal verwirrend wenn nicht genau deutlich wurde, welche Flavia gerade gemeint war. Immerhin hatte ich die Ehre, einen Zweitnamen - Olympias - bekommen zu haben. Viele Mädchen erhielten einfach nur den Namen ihres Vaters in weiblicher Form.

„Einen Moment noch.", murmelte ich und griff nach den letzten Dingen, die noch im Zimmer verteilt waren.
Aviana hingegen schnappte sich so viel Gepäck wie möglich und lief damit auf die Legionäre zu.
Sie handelte immer so, wie ihr befohlen wurde. Etwas anderes blieb ihr allerdings auch nicht übrig, denn sie war nur eine Sklavin - oder wie ich sagte, Dienerin. Würde sie sich den Regeln widersetzen, wäre das harmloseste was passieren würde, dass sie auf die Straße gesetzt wird.

Mir hingegen konnte nichts passieren. Zumindest nichts Ähnliches wie den Dienern.

„Flavia, Eure Hoheit! Wenn Ihr jetzt nicht bereit sind zu gehen, müssen wir Euch unsanft hinausbefördern!", rief mir der ältere der beiden Legionäre mit einem strengen Unterton zu.

„Keine Sorge, ich bin fertig. Wir können nun gehen.", erwiderte ich gelassen.
Ich ließ mich von nichts und niemandem aus der Ruhe bringen.
Ich war schließlich Flavia Olympias, die Tochter des Kaisers von Rom. Niemand hatte mir etwas zu sagen.

Erhobenen Hauptes lief ich zwischen den beiden Legionären durch die Tür aus meinem Zimmer heraus, dicht gefolgt von Aviana. Meine gepackten Sachen ließ ich im Zimmer stehen, die konnten ruhig die Legionäre hinaustragen. Normalerweise hätte ich das selbst getan, doch gerade war ich wirklich nicht in der besten Stimmung. Außerdem, wenn sie mich unbedingt so schnell wie möglich wieder nach Rom bringen wollten, konnten sie ruhig selbst mein Gepäck zum Wagen transportieren. Schließlich war ich ja nur eine Frau und somit total schwach. Männer suchten doch immer nach einer Gelegenheit um ihre Überlegenheit gegenüber den Frauen zu zeigen, weshalb ich ihnen diese Möglichkeit auf keinen Fall entgehen lassen wollte.

In der Eingangshalle blieb ich stehen und wartete, bis auch meine Mutter und mein Bruder mitsamt seiner Gemahlin auftauchten. Durch das offen stehende Tor aus Eisen beobachtete ich, wie die Legionäre und unsere persönlichen Diener eine der drei Wagen mit unserem Gepäck beluden.

„Flavia! Kommet mit mir!", rief mir ein Legionär zu, während er mir beim Näherkommen seine Hand hinhielt.
Ohne ein Wort zu sagen ergriff ich sie und ließ mich zu dem zweiten Wagen führen, der an drei Schimmel gebunden war.
Ich stieg auf die Stufe und betrat das Innere des Wagens. Er war aus Holz und mochte von außen vielleicht nicht allzu bequem aussehen, doch das Innere war reichlich mit Kissen ausgestattet, auf die ich mich niederließ. Es würde schließlich eine lange, zweitägige Reise über größtenteils unasphaltierte Straßen werden. Da war mir ein gewisser Komfort schon wichtig.

Kurze Zeit später gesellten sich mein Bruder und seine Frau zu mir, gefolgt von unserer Mutter.

„Olympias, wie siehst du denn aus!", bemerkte mein Bruder Augustus lachend, während er mich genauer musterte.

„Beschwer dich bei unserem Vater! Er wollte unbedingt, dass wir so schnell wie möglich abreisen, also hatte ich einfach keine Zeit mehr mich zu richten.", rechtfertigte ich mich, dennoch fühlte ich mich etwas unwohl.
Meine blonden Locken waren an den Spitzen noch nass von meinem Ausflug ins Wasserbecken und hingen einfach nur irgendwie von meinem Kopf herunter, für eine aufwändige Frisur war schließlich keine Zeit mehr gewesen. Auch meine einfache, weiße Tunika hatte ich nicht mehr gegen etwas Spektakuläreres tauschen können.
Neben meinem Bruder, dessen Haare perfekt saßen und der eine kunstvoll bestickte Toga trug, hätte ich glatt als seine Sklavin durchgehen können.

Durch die Öffnung im Wagen sah ich wie Magnus, unser Sklave der für das Landhaus zuständig war, das Tor schloss und schließlich in den dritten Wagen für die Bediensteten einstieg. Dann wurde auch unser Wagen geschlossen und mit einem Ruck setzten wir uns in Bewegung.

Alle schwiegen, denn niemand von uns freute sich wirklich darauf, wieder nach Rom zurückzukehren. Nicht nur ich hatte ein schlechtes Verhältnis zum Kaiser.
Auf dem Landhaus waren wir nur unter uns, konnten tun was wir wollten, hatten unendliche Freiheiten.
Doch im Palast standen wir unter der ständigen Kontrolle meines Vaters, besonders mein Bruder litt darunter. Er würde schließlich der zukünftige Kaiser werden und unser Vater wollte somit natürlich sicher gehen, dass er einen geeigneten Nachfolger haben würde.

Die hölzernen Räder des Wagens ruckelten unangenehm hart über den Kiesweg. Ich hatte jetzt schon keine Lust mehr auf diese Reise, am liebsten wäre ich einfach hinaus gesprungen und zurück zum Haus gerannt. Doch da wir die kaiserliche Familie auf Reisen mitsamt einigem an Gepäck waren, wurden wir von einer ordentlichen Ladung an Legionären begleitet, die für unsere Sicherheit sorgen sollten. Denn es kam nicht selten vor, dass Räuber Reisende überfielen.

Schließlich ergab ich mich meiner Situation und seufzte. Meine Mutter warf mir einen mitleidigen Blick zu und auch mein Bruder schien mir sagen zu wollen, dass er genau wusste, wie gerne ich das was mir bevorstand vermeiden würde. Ich hatte keine Lust auf meinen Vater und erst Recht nicht auf meine Hochzeit mit jemandem, den ich überhaupt nicht kannte. Doch vielleicht hatte ich Glück, und ich würde mich gut mit ihm verstehen. Dann wäre vielleicht auch mein Vater etwas glücklicher und alles wäre erträglicher.
Das war meine Hoffnung, auf der gerade all meine Willenskraft lag.
Doch diese Hoffnung beruhte auf vielen vielleichts, diese Hoffnung konnte viel zu leicht zunichte gemacht werden.

The Slave's DarlingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt