XXVI

647 21 0
                                    

Vorsichtig schwang ich erst das eine Bein, dann das andere über das Geländer meines Balkons.
Es war mitten in der Nacht, doch der Mond gab mir genug Licht, um noch das Nötigste sehen zu können.

Meine Füße schob ich in die Lücken zwischen den Säulen, die das Geländer stützten, an das ich mich mit meinen Händen klammerte. Maeson hatte mir befohlen, mich nicht umzudrehen und nach unten zu schauen, als ob ich das jemals vor hatte!

Dann lehnte ich mich etwas nach hinten, um mit meinem Fuß nach der Ranke zu tasten, die sich die große Säule, die den Balkon stützte, hinauf schlängelte. Als ich glaubte, den Ast der Ranke unter der Sohle meiner Sandalen zu spüren, holte ich tief Luft. Diese Schuhe waren aber auch wirklich nicht für eine gewagte Kletter-Aktion geeignet! Doch leider konnte ich nichts für die aktuelle Mode was Schuhe anging.

Mit meinem anderen Fuß tastete ich mich weiter runter an der Säule entlang, bis ich einigermaßen sicher auf der Ranke stand. Dann versuchte ich, mich mit meinen Händen an der Ranke festzuhalten. Das erwies sich allerdings als etwas schwerer, da sie so dünn war, dass ich sie nur mit meinen Fingerspitzen umfassen konnte. Doch mein Griff war wirklich wichtig, falls ich mit den rutschigen Sohlen meiner Schuhe den Halt verlieren sollte.

Mit etwas schneller klopfendem Herzen und einer angestrengten Mine kletterte ich vorsichtig und alles andere als schnell die Säule hinab.

„Danke Götter!", murmelte ich und atmete erleichtert auf, sobald ich den Steinboden der Terrasse unter meinen Füßen spürte.

Allerdings war keine Zeit für eine Pause, Maeson wartete sicherlich schon auf mich.
Also beeilte ich mich und lief dicht an der Gartenmauer entlang. Im Schatten der Bäume blieb ich unentdeckt, falls sich irgendjemand hier draußen aufhalten sollte.

Als ich an der Stelle ankam, an der sich ein Kiesweg der Mauer näherte, blieb ich ich stehen und sah mich suchend in der Dunkelheit um. Doch so sehr ich mich auch bemühte, ich konnte Maeson einfach nirgends entdecken.

Es war aber doch diese Stelle die er gemeint hatte, oder?
Und ich war auch nicht zu früh stehen geblieben?

Zweifelnd ging ich ein paar Schritte weiter, drehte dann jedoch wieder um. Ich war mir relativ sicher, dass dort war, wo Maeson mir befohlen hatte hin zu gehen.
Doch wo war er dann?

Hoffentlich war ihm nichts passiert!

„Olympias!"

Ruckartig drehte ich mich um und sah Maeson, der auf mich zu kam. In der Hand hielt er zwei Umhänge, von denen er mir einen hin hielt.

„Tut mir leid, ich wurde aufgehalten.", klärte er mich leise auf, woraufhin ich eine Augenbraue hob.

„Aufgehalten?"

„Nun ja, fast erwischt von einer Wache.", gab Maeson zu und grinste.

Mein Mund klappte auf und ich starrte ihn ungläubig an. Da wäre er fast in eine sehr ungünstige Lage gekommen und ich wäre wahrscheinlich verrückt vor Sorge noch einige Stunden hier im Garten umhergeirrt, und er lachte einfach ganz locker darüber?
Er hatte sie doch nicht mehr alle!

Maeson zog sich den Umhang über den Kopf und zog sich die Kapuze tief ins Gesicht. Kopfschüttelnd tat ich es ihm gleich.

„Komm, wir müssen hier rüber.", meinte Maeson dann und deutete auf die Mauer neben uns.

„Und wie?", wollte ich berechtigterweise wissen, denn sie war etwas höher als ich groß war.

„Ich hebe dich drüber.", entgegnete Maeson und bevor ich mich wehren konnte, hatte er mich schon mit seinen kräftigen Händen an der Hüfte gepackt und hoch gehoben.

„Was soll das denn?", rief ich überrascht nach unten, woraufhin mir ein energisches 'shhhh' entgegen kam.

„Entschuldigung.", murmelte ich sofort.
„Aber was soll das?", fragte ich dann wieder flüsternd.

„Jetzt zieh dich auf die Mauer. Ich kann dich so nicht ewig heben!", befahl mir Maeson und mir blieb gar nichts anderes übrig, als seiner Aufforderung zu folgen.

Mühsam zog ich meine Beine nacheinander auf die Mauer und rappelte mich dann ächzend auf. Das ganze Essen im Palast und die wenige Bewegung kam meiner Kraft und Ausdauer ganz und gar nicht zugute!
Einen Moment später erschien Maeson neben mir und wirkte total entspannt, er war nicht einmal außer Atem. Und das, obwohl ihn nicht einmal jemand hoch gehoben hatte.
Sofort beschloss ich, wieder häufiger Messer zu werfen und Spaziergänge zu machen, anstatt den ganzen Tag in meinem Gemach zu verbringen.

Dann ließ ich diesen Gedanken hinter mir und sah zu meiner Rechten den Hügel hinab. Ein weites, rotes Meer aus Hausdächern breitete sich vor uns aus, in dem sich ein komplexes Straßensystem entlang schlängelte.
Vom Palast aus war durch die Mauer die Sicht auf die Stadt sehr begrenzt, weshalb ich oftmals vergaß, wie groß und schön Rom eigentlich war.

„Bereit für dein Abenteuer?"
Maeson zwinkerte mir zu und sprang - ohne eine Antwort abzuwarten - von der Mauer.
Der Boden war an dieser Stelle gar nicht so tief, vielleicht zwei Meter. An anderen Stellen hätte man sich mindestens die Knochen gebrochen, wenn man von der Mauer gesprungen wäre.

Ich seufzte, dann sprang ich entschlossen hinab und landete auf dem weichen Gras. Jetzt gab es kein zurück mehr.

„Wie kommen wir eigentlich wieder in den Palast?", fragte ich Maeson, denn auf dieser Seite der Mauer konnte er unmöglich von selbst hinauf klettern.
Er war zwar groß aber kein Riese.

„Keine Sorge, ich habe alles organisiert."

Ich nickte und vertraute darauf, dass er schon wissen würde, was er da tat.

„Oh und... wenn irgendetwas passieren sollte und wir getrennt werden, dann gehst du auf der Stelle zurück zum Palast, verstanden?"
Maeson war stehen geblieben und sah mich prüfend an.

„Aber-"

„Nichts aber. Ich kenne die Stadt und die Leute. Ich kann mich, wenn es darauf ankommt, wehren. Du dagegen, du bist nicht schwach, versteh das nicht falsch! Aber das hier ist nicht der Palast wo an jeder Ecke Wachen stehen, die dir helfen. Wenn du in die falschen Hände gerätst, kannst du schon morgen auf dem Sklavenmarkt landen. Und was glaubst du, was erst passiert, wenn man dich hat und merkt, wer du bist?"

Ich schluckte und senkte den Kopf. Ich wusste nicht, was ich dagegen sagen sollte, denn Maeson hatte Recht. Wir mussten vorsichtig sein, denn sonst konnte das hier gewaltig in die Hose gehen.

„In Ordnung. Ich werde zurück zum Palast gehen, wenn etwas sein sollte.", seufzte ich schließlich ergeben.
„Auch wenn ich dich wirklich nicht alleine lassen wollen würde, falls dir etwas passieren sollte."

„Das glaube ich dir gerne.", raunte Maeson und zwinkerte mir zu.
An einem großen Ego schien es ihm wohl nicht zu fehlen.

Ich rollte mit den Augen und wandte mich von ihm ab. Dann lief ich den Hügel hinab und konnte es kaum erwarten, die engen Gassen Roms zu erforschen und vielleicht das ein oder andere Wirtshaus zu erkunden.

Maeson holte mich schnell wieder ein und stellte sich mir in den Weg. Ich blieb stehen und sah abwartend zu ihm hinauf.

„Nicht so eilig, Prinzessin.", raunte er und zog mir meine Kapuze tiefer ins Gesicht.

Dann kam er neben mich und legte seinen Arm um meine Schulter.

„Jetzt sehen wir schon etwas besser aus, meinst du nicht?", sagte er, während wir die ersten Schritte in eine Straße hinein machten.
Ich war mir sicher, sein Schmunzeln hören zu können.
Doch sehen konnte ich es nicht, denn ich musste meinen Kopf gesenkt halten, auf die Straße vor mir richten. Auf keinen Fall durfte ich hier draußen erkannt werden.

The Slave's DarlingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt