XXIV

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„Können die hier reinkommen?", erkundigte ich mich bei Maeson, während ich ängstlich auf die Tür starrte.
Ich erwartete schon fast, dass sie jeden Moment aufsprang und uns bewaffnete Rebellen entgegen rannten.

„Eure Hoheit, Ihr seid hier in Sicherheit. Das verspreche ich Euch.", entgegnete Maeson ruhig und sah mich an.

„Übrigens muss ich mich bei Euch entschuldigen. In der ganzen Unordnung habe ich vergessen, Euch mit Eurem Titel anzusprechen. Ich hoffe, Ihr könnt mir das verzeihen."

Da war sie wieder, diese Distanz in seiner Stimme.

„Maeson, bitte, ich bin doch nicht sauer auf dich, weil du ganz normal mit mir geredet hast.", versuchte ich klarzustellen.
„Im Gegenteil, ich mag das viel lieber."

Maeson hob verwundert eine Augenbraue ohne etwas zu sagen.
Ich schmunzelte, denn er hatte von Anfang an sicherlich gedacht ich würde mich für etwas Besseres halten und würde jeden zu jeder Zeit daran erinnern wollen, dass ich die Prinzessin war.

„Ich bin doch nur ein Mensch, genau so wie du. Warum sollten wir also unterschiedlich behandelt werden?"

„Also gut, Olympias. Dir ist schon bewusst, dass ich ein Sklave bin? Dass wir alles andere als gleich sind?"
Maeson stieß ein schnaubendes Lachen aus und ließ den Kopf hängen.

„Ach was, du bist ein Sklave?", meinte ich trocken und verdrehte die Augen.
„Du kannst doch nichts dafür, dass du nun keine Menschenrechte mehr hast."

Maeson reagierte nicht, er starrte einfach nur starr auf seine Hände, die zwischen seinen Knien baumelten.

Ich betrachtete ihn genauer. Seine welligen Haare fielen ihm wirr in die Stirn, inzwischen reichten sie bis fast zu seinem Kinn. Ich fragte mich, wie lange sie schon kein Messer mehr gesehen hatten. Dann fragte ich mich, wo er überhaupt her kam, wie sein Leben aussah bevor er ein Sklave geworden ist. Maeson konnte nicht sein Leben lang ein Sklave gewesen sein, dazu war er zu kräftig. Nicht selten litten Sklaven unter Mangelernährung.

Seine Unterarme ruhten auf seinen Knien, die Beine hatte er angezogen. Ich hatte einen perfekten Blick auf seine Armmuskeln, denn er trug eine Ärmelfreie Toga und das warme Licht der Fackeln kam seinem Äußerlichen nur zu gute.

Vielleicht war er einmal Soldat gewesen, überlegte ich. Das erklärte seine Muskeln und seine vorzüglichen Kampfkünste, die er beim Gladiatorenkampf zur Schau gestellt hatte.
Doch dann konnte er kein Römer gewesen sein, er muss Untertan eines feindlichen Reiches gewesen sein.

„Maeson, wie bist du eigentlich Sklave geworden?", fragte ich also neugierig nach.
Ich wusste meiner Meinung nach viel zu wenig über ihn, das gefiel mir nicht.

Maeson ließ sich Zeit mit der Antwort. Er starrte weiterhin auf seine Hände und schien sich erst die Worte zurechtlegen zu müssen.

„Ich wurde verhaftet und dann verkauft. So schnell geht das.", sagte er schließlich, ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen.
„Aber ich möchte darüber nicht reden."

Ich nickte verständnisvoll. Sicherlich war es ein traumatisierendes Erlebnis gewesen von jetzt auf gleich alles zu verlieren, nicht mehr als Mensch angesehen zu werden und um zu dienen an jemand fremdes verkauft zu werden.

„Siehst du, davor warst du genau so jemand wie ich.", meinte ich um wieder auf meinen Punkt von vorhin zu kommen.

Maesons Kopf schnellte nach oben und er starrte mich angespannt an, sein Atem ging plötzlich schneller. Verwundert starrte ich genau so zurück, denn ich wusste nicht, weshalb er so reagierte.

„Ein freier Mensch, der sein eigenes, kleines Leben dahin lebt.", fuhr ich nach der kurzen Stille fort.
„Warum sollte ich dann also eine Extrabehandlung bekommen? Ich bin doch keinesfalls ein besserer Mensch als du!"

Maeson entspannte sich wieder, atmete hörbar aus und fuhr sich einmal durch die Haare. Dann sah er mir in die Augen und nickte.

„Du hast Recht, du bist kein Stück besser als ich."
Da war wieder sein Grinsen zurück.

Ich schnappte empört nach Luft und wollte mich beschweren, doch dann musste auch ich lächeln. Es war einfach zu ansteckend, wenn er mich so anschaute.

„Freut mich, dass das jetzt geklärt wäre.", entgegnete ich und hätte auf der Stelle in die Luft springen können.
Ich hoffte, der Umgang zwischen mir und Maeson würde nun etwas lockerer werden.

Dann schwiegen wir und mir wurde wieder deutlich bewusst, in was für einer Situation wir uns befanden. Hin und wieder hörte man gedämpfte Geräusche, doch ich konnte einfach nicht abschätzen, wo genau die Rebellen im Palast waren. Ich hoffte so sehr, dass sie einfach nicht hier hinunter kamen.

Sie konnten sich ruhig alles nehmen, den ganzen Schmuck, das Gold von Verzierungen, Kronleuchter, einfach alles! Solange sie uns am Leben ließen, war es mir egal was sie mit dem Palast anstellten. Doch wenn das Motiv dieses Angriffs die schlechte Regierung meines Vaters war, bezweifelte ich, dass sie auf Gold aus waren.

Die Angst machte sich durch ein mulmiges Gefühl in meiner Magengegend, das langsam durch meinen ganzen Körper kroch, spürbar. Würden die Widerständigen diese Tür aufbrechen, dann saßen Maeson und ich gehörig in der Falle.
Das durfte einfach nicht geschehen!

Meine Beine begannen zu zucken und schließlich zitterte ich am ganzen Körper, obwohl mir nicht einmal kalt war. Ich hatte einfach solch eine panische Angst, dass mein Leben jeden Moment durch einen wütenden Rebellen beendet werden würde.

Ich machte mir Sorgen um Aviana, um meinen Bruder und um meine Mutter. Waren sie auch in Sicherheit gebracht worden? Es blieb mir nichts anderes übrig als das zu hoffen. Denn wenn nicht, vielleicht waren sie erwischt worden und ihre kalten, leblosen Körper lagen irgendwo im Palast auf einem dieser lächerlich prächtigen Marmorböden.

Diese Ungewissheit und der Fakt, dass ich nichts tun konnte als mich zu verstecken und abzuwarten ließ mich nahezu verrückt werden.

Mit weit aufgerissenen Augen fixierte ich die Tür, alles andere in meinem Blickfeld begann zu verschwimmen. Ich schlang meine Arme um meine Beine, doch ich konnte einfach nicht aufhören zu zittern.

Auf einmal saß Maeson dicht neben mir, ich hatte gar nicht gemerkt, dass er aufgestanden und herüber gekommen war. Als er dann seinen Arm um meine Schulter legte, drehte ich meinen Kopf zu ihm herüber und sah ihn an.

„Alles in Ordnung?", fragte Maeson.
Er klang ziemlich besorgt.

„Nein.", antwortete ich wahrheitsgemäß und starrte wieder zu Tür.

„Uns wird schon nichts passieren, Olympias. Die Rebellen werden wohl kaum denken, dass sie in den Abstellkammern und im Raum für die Sklaven etwas finden. Und selbst wenn sie hier hinunter kommen und zufälligerweise genau vor dieser Tür stehen sollten, dann werden sie sie sicherlich nicht öffnen können."

Allmählich hörte ich auf zu zittern, die Ruhe und Wärme, die von Maeson ausging, schien sich wohl langsam auf mich zu übertragen.

„Selbst wenn wir hier sterben, dann tust du es immerhin in den Armen des tollsten Mannes aus ganz Rom.", versuchte Maeson mich aufzuheitern.
Er entlockte mir tatsächlich ein Schmunzeln. Denn schließlich hatte er Recht. Meiner Meinung nach war er wirklich ein toller Mann. Würde ich also jetzt sterben, dann wären die Umstände nicht allzu schrecklich.

„Du hast es allerdings auch nicht so schlecht mit einer Frau wie mir an deiner Seite.", meinte ich, doch ich wünschte mir sofort, ich könnte diese Worte wieder zurück ziehen.

Was hatte ich mir bloß dabei gedacht? Es war doch wohl offensichtlich, dass Maeson mich nicht mochte. Und jetzt hatte ich mich in eine peinliche Situation hineingeritten, aus der ich nicht so einfach verschwinden konnte.
Na super!

„Nein, mir geht es wirklich nicht schlecht hier.", erwiderte Maeson leise und zog mich noch etwas dichter an sich.

In meinem Bauch tat sich etwas, was ich noch nie gefühlt hatte und mein Herz raste. Hatte er das gerade wirklich gesagt? Wenn das hier ein Traum war, dann wollte ich nie mehr aufwachen.

The Slave's DarlingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt