IV

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Ich saß auf der weichen Matratze meines Himmelbettes und starrte in den kleinen Spiegel, der an der Wand über meinem goldenen Schminktisch hing.
Die Fenster waren geöffnet, wodurch die warme Stadtluft in mein großes Zimmer kam und die weißen Vorhänge zum Wehen brachte.

In der letzen Nacht hatte ich keine einzige Sekunde geschlafen, was man mir nun deutlich ansah. Meine Locken standen wirr von meinem Kopf ab, es würde ein wahres Wunder sein wenn Aviana meine Haare bändigen und eine schöne Frisur flechten konnte.
Zudem saßen dunkle Ringe unter meinen Augen die mich so aussehen ließen, als ob ich gerade auf dem Sterbebett liegen würde.
Ich war jedenfalls kein reizender Anblick, doch vielleicht würde mir gerade das helfen. Vielleicht würde sich dann dieser Mann, dessen Namen ich schon wieder vergessen hatte, umentscheiden und mich doch nicht heiraten wollen.

Verzweifelt seufzte ich. In wenigen Stunden würde ich ihn kennenlernen. Ab dann würde ich an ihn gebunden sein, ob ich nun wollte oder nicht.
Eigene Entscheidungen würde ich dann wohl auch nicht mehr treffen können, ich würde praktisch seine Sklavin sein. Mit der einzigen Ausnahme, dass ich ihm auch noch Kinder schenken müsste.
Zum Glück hatte ich heute noch nichts gegessen, sonst wäre mir jetzt alles wieder hoch gekommen.

Es klopfte an der Tür und kurz drauf betrat Aviana mit einem Tablett, auf dem sie mir mein Frühstück brachte, das Zimmer. Hinter ihr kam ihr zweijähriger Sohn Quintus hergelaufen.

„Bett!", sagte er als er neben meinem Bett stand und die Arme nach mir ausstreckte.
Schmunzelnd nahm ich ihn in den Arm und hob ihn zu mir hoch, dann setzte ich ihn neben mir ab.

„Na, Süßer, hast du mich vermisst?", fragte ich ihn und strich mit meiner Hand durch seine weichen Haare.
Während Aviana mich auf das Landhaus begleitet hatte und dort mit mir die letzten drei Monate verbracht hatte, war ihr Sohn Quintus hier bei ihrem Mann Iulius geblieben. Die Reise wäre für ihn nämlich zu anstrengend gewesen und außerdem war er hier im Palast am sichersten.

„Ja!", rief Quintus und umarmte mich stürmisch, woraufhin ich mich lachend mit dem Rücken aufs Bett fallen ließ.

„Manchmal glaube ich wirklich, er mag dich viel mehr als mich.", meinte Aviana gespielt beleidigt und setzte sich zu uns, nachdem sie das Tablett auf meinem Tisch abgestellt hatte.

„Danke Aviana, aber ich habe keinen Hunger."

„Wegen Titus?", fragte sie und nahm ihren Sohn auf ihren Arm.
Genau, das war sein Name.
Titus Caecilius Flaccus.
Allein schon seinen Namen fand ich abstoßend.

„Ja. Ich kenne ihn noch nicht einmal aber ich weiß jetzt schon, dass ich ihn kein bisschen sympathisch finden werde.", seufzte ich und fuhr mir durch die Haare.

„Naja, das kannst du nicht mit Sicherheit sagen.", entgegnete Aviana.
„Als ich an Iulius verheiratet wurde, dachte ich auch, es wäre der schlimmste Tag meines Lebens. Ich muss zugeben, ich liebe ihn nicht aber wir verstehen uns ganz gut. Außerdem haben wir Quintus, er ist das beste was mir jemals passiert ist."
Sie drückte Quintus einen Kuss auf die Stirn, woraufhin dieser breit grinste.
Er war wirklich das süßeste, was ich je in meinem Leben gesehen habe.

„Aber Iulius ist doch auch total nett! Ihn zu heiraten hätte ich jedenfalls nicht schlimm gefunden.", meinte ich.

„Also wenn sich dein Titus als die Liebe meines Lebens entpuppt, dann können wir gerne tauschen.", bot mir Aviana spaßeshalber an.

„Klar, und dann bekommt Quintus von dir und von mir ganz viele Halbgeschwister, oder wie? Mein Vater wäre begeistert, das kann ich dir sagen!"

„Vielleicht ist Titus ja ganz schön attraktiv! Dann wäre das alles doch halb so schlimm.", versuchte meine beste Freundin mich mit ihrem Optimismus anzustecken.

„Aber was soll ich denn mit einem attraktiven Langweiler? Ich will jemanden mit dem ich spannende Abenteuer erleben kann und nicht einen der nur davon prahlt, wie mächtig sein Vater ist.", rief ich verzweifelt und vergrub meinen Kopf im Kissen.

„Du weißt doch gar nicht, wie er drauf ist. Vielleicht ist er tatsächlich das, wonach du suchst!", meinte Aviana hoffnungsvoll.

„Er wird genauso wie die ganzen anderen Männer sein, die mir vorgestellt wurden. Nämlich total eingebildet und langweilig."
Ich hätte auf der Stelle losheulen können. Warum musste ich denn auch verheiratet werden, um unsere Macht zu sichern?
Mein Bruder würde doch der nächste Kaiser werden, die Macht blieb also sowieso in unserer Familie.
Da war es dann doch egal, ob ich irgendeinen bürgerlichen heiratete, oder jemand von hoher Stellung.

Ich hasste dieses System total.
Warum musste es im Leben wirklich immer um Macht gehen?
Warum konnte ich nicht selbst entscheiden, ob ich jemanden aus Liebe oder aus ökonomischen Vorteilen heiraten möchte?
Wie konnte mein Vater mir das antun, wo er doch genau wusste wie sehr ich es hasste, dass er die Männer für mich aussuchte?

„Komm, wir müssen dich richten. In zwei Stunden wird sich Titus dir vorstellen.", riss mich Aviana aus meinen Gedanken und erhob sich von meinem Bett.
Dann ging sie in das Ankleidezimmer und kam mit einem Kleid zurück.
Es war cremefarbig und aus Seide, weshalb es im Sonnenlicht glänzte. Die Träger waren sehr schmal und es ging ungefähr bis zu den Knöcheln. Auch wenn ich es noch nie angehabt hatte, wusste ich, dass es eher enganliegend sein würde.

„Dein Vater hat bestimmt, dass du das heute anziehen sollst.", sagte Aviana und hielt mir das Kleid hin, damit ich es gegen meine Schlaftunika austauschen konnte.
Nicht einmal meine Kleidung konnte ich an wichtigen Tagen selbst bestimmen.

„Na gut, wenn er das so bestimmt...", meinte ich ergeben und erhob mich, um das Kleid anzuziehen.
Es hatte sowieso keinen Zweck jetzt darüber zu diskutieren.

Das Kleid saß mir wirklich wie angegossen, betonte meine Kurven und ließ mich gleichzeitig wie eine Göttin aussehen.

„Jetzt ist dein Gesicht an der Reihe!"
Erfreut klatschte Aviana in die Hände und führte mich zu meinem Schminktisch.
Sie liebte es, mich für irgendwelche speziellen Angelegenheiten zu richten. Wahrscheinlich konnte sie insgeheim gar nicht mehr auf den Tag meiner Hochzeit warten.

Ich setzte mich auf den goldenen Hocker mit dem weichen Sitzpolster und streckte ihr mein Gesicht entgegen. Dann schloss ich auf ihren Befehl hin meine Augen und spürte, wie sie mit ihren Fingern auf meiner Haut herum tupfte und dann mit Pinseln darüber strich. Ich hatte keine Ahnung von dem, was sie da tat. Denn ich hatte mich noch nie für Schminke interessiert und außerdem machte sowieso immer Aviana die Arbeit für mich.

Als ich meine Augen wieder öffnen durfte, betrachtete ich mich genauestens im Spiegel. Ich sah total anders aus. Klar, ich war immer noch ich selbst und das konnte man auch sehen, jedoch sah ich irgendwie erwachsener und ernster aus.
Meine Wangenknochen stachen noch mehr hervor als sonst und mein Gesicht wirkte schmaler. Zudem waren meine Augenlider dunkler und irgendwie hatte es Aviana somit geschafft, dass meine Augen größer aussahen.

„Du siehst so hübsch aus!", bewunderte Aviana mich - oder viel mehr ihr geschaffenes Werk.

„Danke. Ich hoffe doch, dass Titus als Gegenleistung so durchtrainiert ist, wie die Skulpturen der Götter.", meinte ich trocken und stand auf.
Ich war fertig, bereit, um mich meiner Freiheit einen Schritt mehr zu entfernen.

Keine Sekunde zu spät, denn in diesem Moment ertönten die Fanfaren. Titus und seine Anhängerschaft trafen soeben aus Neapolis ein.

The Slave's DarlingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt