XXVII

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Ich konnte nicht einschätzen, wie lange wir schon in den Gassen und Straßen unterwegs waren. Die große Dimension der Stadt war ich einfach nicht gewohnt. Gerne hätte ich mir in Ruhe die Häuser und Gaststätten, die Bibliotheken und Thermen genauer angeschaut, doch Maeson hatte mir befohlen meinen Blick stets gesenkt zu halten. Langsam zweifelte ich an dem, was wir hier taten. Warum der ganze Aufwand, wenn ich am Schluss sowieso nichts anschauen durfte?

„Maeson, was hast du hier überhaupt vor mit mir?"
Er musste doch irgendein Ziel in dieser Stadt haben, anders konnte ich mir unser flottes Gehtempo nicht erklären. Naja, vielleicht war sein eigentlicher Plan auch einfach mir zu zeigen, was ich unter Bewegung verstehen sollte.

Ich hob meinen Kopf um Maesons Gesicht sehen zu können. Er hatte nicht sofort geantwortet, deswegen befürchtete ich schon, dass etwas nicht stimmte.

„Ich will dir einen Ort zeigen.", meinte er schließlich, sein Blick war auf die Ferne fokussiert.

„Aber bis ich dir Bescheid gebe, senkst du deinen Kopf."

Ich nickte und schaute gehorsam wieder auf das Steinpflaster der Straße.
Doch als zwei fremde Männerstimmen ertönten, bereute ich sofort, jemals überhaupt aufgeschaut zu haben.

„He, siehst du die kleine mit den Locken da vorne?"

Mist! Meine Haare hatten sich aus dem Haarband gelöst und ein paar Strähnen wurden nun nicht mehr von der Kapuze verborgen. Ich hätte vorsichtiger sein sollen, denn nun war klar, dass ich eine Frau war.

„Ja, die Süße sehe ich.", ertönte die Stimme einer anderen Person.
Beide Männer schienen nicht mehr allzu nüchtern zu sein, was die Situation nicht besser machte.
Gerne hätte ich jetzt zu Maeson geschaut, um ihn zu fragen was wir jetzt tun sollten, doch ich konnte nicht.

Das blieb mir allerdings sowieso erspart, denn sein Griff um meine Schulter wurde stärker und er schob mich unsanft zur Seite.

„Du weißt worauf ich jetzt Lust hätte, oder?", fragte einer der beiden Männer den anderen.

Angewidert verzog ich meine Miene und eine Gänsehaut breitete sich über meinen ganzen Körper aus. Wie konnten Männer nur so widerlich sein?!
Ein Glück hatte ich Maeson bei mir, sonst wäre ich ihnen schutzlos ausgeliefert gewesen!

Was Maeson nun vor hatte, konnte ich allerdings auch nicht wirklich erklären. Er hatte mich mit dem Rücken an eine Hauswand gedrückt und sich so dicht vor mich gestellt, dass quasi nichts mehr zwischen uns beide passen würde.

„Sie mich an, Olympias!", raunte er, woraufhin ich vorsichtig meinen Kopf hob.
Es ließ mich fast schwindelig werden, wie nah mir sein Gesicht plötzlich war.

„Keine Angst, ich bin hier und beschütze dich.", erklärte er mir leise und sah mir fest in die Augen.
Ich nickte, doch das mulmige Gefühl in meinem Bauch verschwand trotzdem nicht.

„Sieht wohl so aus, als hätte sich schon jemand anderes die Kleine geschnappt!", rief nun wieder einer der Männer.

„Na und, solange er nichts mit ihr anstellt kann ich doch noch mein Glück versuchen.", entgegnete der andere.

Wie aus einem Reflex heraus drehte ich meinen Kopf leicht nach rechts und begegnete dem lüsternen Blick einer der dicken Männer. Bevor ich von selbst meinen Blick abwenden konnte um mich vor noch mehr Ekel bewahren zu können, hatte sich Maesons große Hand an meine Wange gelegt und meine Aufmerksamkeit wieder auf ihn gelenkt.

„Bitte verzeih mir das, was ich jetzt tue.", murmelte er, ohne mir dabei in die Augen zu sehen.
Ich runzelte verwirrt meine Stirn und bevor ich nachfragen konnte was er damit meinte, presste er seinen Körper an mich und legte seine Lippen auf meine.

Es dauerte kurz, bis ich verstand, dass er mich gerade küsste. Doch als mir bewusst wurde was hier geschah, war es, als würde ein Feuerwerk in mir explodieren.
Mich dem Kuss ergebend, schlang ich meine Arme um Maesons Hals und unsere Lippen verfielen in den selben Rhythmus. Ab und zu ließ ich meine eine Hand durch seine weichen Haaren gleiten, während die andere über seine starke Brust fuhr.
Als Maeson sich mit seiner Hand mein linkes Bein unter der Tunika bis ganz nach oben tastete, vergaß ich alles um uns herum. Die Gänsehaut, die sich daraufhin über meinen ganzen Körper verbreitete, ließ mein Herz zum Rasen bringen.

„Komm wir gehen lieber. Der Bursche sieht mir etwas zu stark aus um mit ihm Stress zu haben."
Die Stimme des Mannes kam mir so distanziert und weit weg vor, als ob ich gerade in einer anderen Welt war.
Ich spürte nur Maesons großen, warmen Körper auf mir und seinen Mund, der mich verwöhnte. Das reichte schon aus, um mich komplett um den Verstand zu bringen.

Ruckartig ließ Maeson von mir ab und holte mich damit zurück in die kühle, dunkle Realität.

„Sie sind weg.", teilte er mir knapp mit, nachdem er sich kurz in beide Richtungen der Straße umgesehen hatte.
Als er mit einem großen Schritt wieder ordentlich Abstand zwischen uns brachte konnte er mir nicht in die Augen schauen, sondern sah stattdessen auf mein Bein. Meine Tunika war weit nach oben gerutscht, sodass fast mein ganzes Bein skandalös entblößt war. Mit einem schnellen Handgriff zog ich den Stoff wieder runter und fuhr mir kurz durch die Haare, die etwas durcheinander geraten waren.

Maeson verschränkte die Hände hinter dem Rücken und räusperte sich.

„Tut mir leid dafür. Aber es schien mir der einzige Weg zu sein, die beiden los zu werden."
Kurz sah er mir in die Augen, dann senkte sich sein Blick wieder auf den Boden.

„Es muss dir nicht leid tun.", murmelte ich.
Mir fiel es ebenfalls schwer ihn anzusehen. Ich fühlte immer noch seine Hände auf meinem Körper und seine Lippen an meinem Mund. Der Abstand zwischen uns machte mir mehr zu schaffen als es sollte.

„Doch, so geht man nämlich nicht mit einer Dame um.", entgegnete er und sah mich an.
Ich nickte stumm und zog mir wieder die Kapuze über den Kopf.
Er tat es ebenfalls und kurze Zeit später liefen wir weiter die Straßen entlang, so als ob nichts geschehen war. Immerhin hatte Maeson wieder seinen Arm um mich gelegt womit ich etwas von dem Gefühl der Nähe zu ihm zurückerlangen konnte.

Er hatte Recht, man küsste eine Dame nicht einfach so ohne verheiratet mit ihr zu sein. Das gehörte sich einfach nicht. Doch ich hatte noch nie Wert darauf gelegt, wie eine Dame oder eine Prinzessin behandelt zu werden.
Der Kuss gerade war so ziemlich das Beste, was ich in meinem Leben erlebt hatte. Um so mehr machte es mir zu schaffen, dass Maeson mich nur geküsst hatte, um die Männer loszuwerden und nicht, weil er irgendwelche Gefühle für mich hatte.
Doch dann dachte ich wieder darüber nach, dass er mich nicht hätte küssen müssen. Er hätte sie doch auch einfach in einem kurzen Faust Kampf ausschalten können, oder nicht?
Außerdem konnte ich mir eher weniger vorstellen, dass er jemanden küsste, von dem er total abgeneigt war.
Wusste er überhaupt, dass das gerade mein erster Kuss gewesen war? Ich hatte zwar keinen Vergleich, doch ich konnte mir nicht vorstellen, dass irgendjemand besser küssen konnte als Maeson.

Bei den Göttern, was stellte er nur mit mir an! Wie sollte ich denn von jetzt an an etwas anderes als an ihn und den Kuss denken?!

The Slave's DarlingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt