Trauer

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Statt einem aufmunternden Lächeln auf den Lippen und eine Einladung, dass ich zu ihr gehen sollte, kam etwas anderes. Ich hatte gehofft, dass ein Strahlen seine Augen erfüllen würde und er stolz verkünden würde, dass sie es geschafft hatten sie zu retten. Aber es war ganz andres. Ein mitleidiges Mundwinkelzucken und eine entschuldigende Hand auf meiner Schulter. Das war, was ich bekam. Ich wollte es nicht glauben. Ich wollte die Zeit zurückdrehen. Kathi nochmal sagen, wie sehr ich sie liebte. Mit ihr alles Mögliches erleben und keine einzige Minute verschwenden. Als die Worte aus dem Mund des Arztes kamen, brach meine Welt zusammen.

„Es tut mir so leid, wirklich. Sie hat gekämpft und wir haben getan, was wir konnten. Es war aber zu spät. Sie ist vor paar Minuten friedlich eingeschlafen"

Hysterisch schluchzend fiel ich zu Boden und konnte es einfach nicht fassen. Kathleen war tot? Weg, für immer? Ich wartete darauf, dass er anfangen würde zu lachen und sagen würde, dass es nur ein Scherz war. Dass sie natürlich noch lebte, wie töricht ich sein könnte zu glauben, dass sie tot war. Aber es kam nichts. Verschiedene Hände berührten mich am Rücken und probierten mich zu beruhigen, aber es brachte nichts. Kathleen war tot. Meine Freundin war für immer aus dem Leben gerissen. Weg von mir. Ich hätte es sein sollen. Mir wurde gesagt, dass ich sterben würde. Und jetzt war es sie. Die unschuldige Kathleen, die von jedem geliebt wurde. Sie hatte zwei liebevolle Eltern und einen sorgenden Bruder. In ihrer Schule war sie wahrscheinlich auch sehr beliebt gewesen. Im Gegensatz zu mir. Mich hätte eh keiner vermisst, wenn ich gestorben wäre. Aber trotzdem lebte ich noch. Und Kathleen war tot. Wieso konnten die Ärzte nichts mehr tun? Meine Gefühle schwankten zwischen Wut, Trauer und Selbstvorwürfe. Ich konnte ihr nicht mehr sagen, dass ich sie liebte. Ich hatte nicht mehr geschafft ihr diese 3 Worte zu sagen. Jetzt konnte ich sie nur noch im Stillen sagen. Ich konnte sie nicht mehr an Kathi richten und sehen, wie sich ein strahlendes Lächeln bildete.

„Ich liebe dich Kathi", flüsterte ich leise vor mich hin. „Ich liebe dich. Ich liebe dich so unglaublich dolle"

Das Bimmeln von meinem Handy riss mich aus meinen Gedanken. Langsam schaute ich auf den Bildschirm. Eine unbekannte Nummer wurde mir angezeigt. Trotzdem ging ich ran.

„Hallo? Wer ist da?" „Hallo, ich bin Loretta Winkelhaus. Meine Tochter hat vor kurzem eine Flaschenpost mit deiner Telefonnummer gefunden und ich wollte jetzt dir und deiner Freundin eure gegenseitigen Nachrichten überbringen", meinte die Frau am anderen Ende lachend. Ich fing an zu weinen. Die Flaschenpost. Die Flaschenpost, die wir geschrieben hatten, als wir noch nicht zusammen waren. „Geht's dir gut? Was ist los? Wieso weinst du?", fragte Loretta erschrocken. „Ich-ich bin Tori. Und meine Freundin Kathi ist... sie ist", probierte ich schluchzend rauszubringen. „Sie ist vor paar Stunden verstorben", flüsterte ich weinend. Es war kurz Stille am anderen Ende der Leitung. „Oh mein Gott, das tut mir so leid. Möchtest du trotzdem die Nachricht hören, oder ist dir das zu viel?", fragte sie liebevoll. „Ich möchte sie hören", meinte ich leise. „Okay... Also"

Liebe Tori. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich hier reinschreiben soll. Beziehungsweise ich weiß es schon, aber ich weiß nicht, ob ich es kann. Weißt du, meine größte Angst ist, dass jemand die Flaschenpost findet, bevor ich dir meine Gefühle gestehen konnte. Ja, richtig gehört. Ich habe Gefühle für dich. Du bist echt hübsch und klug. Manchmal ein bisschen störrisch und schlecht gelaunt, aber das macht nichts. Ich weiß nicht mal, ob du überhaupt auf Frauen stehst. Vielleicht bist du hetero. Aber ich habe Hoffnungen. Hoffnungen, dass du mich vielleicht auch magst. Weißt du, dass ich dich schon von Anfang an toll gefunden habe? Als du so zu mir rüber geschaut hast, konnte ich einfach nicht anders als zu lächeln. Du sahst zwar sehr unmotiviert aus, aber trotzdem wollte ich dich kennenlernen. Und als ihr alle zu uns gekommen seid, war ich glaube ich die glücklichste Person auf der ganzen Welt. Ich habe gemerkt, dass du nicht von mir begeistert warst. Und als ich dich dann unfreiwillig belauscht habe, hast du mich regelrecht gehasst. Aber weißt du, wieso ich wirklich vor der Tür stand? Es war kein Zufall, nein. Ich wollte dich nach einem Treffen gefragt. Aber als du mich dann angeschrien hast, habe ich mich nicht mehr getraut. Naja, ich hoffe einfach, dass ich dir näherkommen werde. Nur mein Zukunfts-Ich weiß die Antwort. Ich habe für diese paar Sätze echt lange gebraucht. Ich glaube du bist schon fertig. Du schaust zu mir rüber und überlegst wahrscheinlich, was ich hier schreibe. Ich bin auch gespannt, was du so schreibst. Naja, das war eigentlich schon alles.

Für immer, deine Kathi

Leider nicht für immer...

Ein leichtes Lächeln lag auf meinen Lippen. Sie hatte mich schon davor gemocht? „Danke schön", flüsterte ich leise. „Natürlich. Wenn du möchtest, kannst du meine Nummer einspeichern und wenn du Hilfe brauchst bei der Trauerbewältigung, kannst du mich gerne anrufen", schlug Loretta vor. Ich dankte ihr und legte dann auf.

Ich wollte so gerne nochmal mit ihr reden. Ihr sagen, wie sehr ich mich über den Brief gefreut hatte. Ihr sagen, dass ich auch für immer ihre war. Aber es war zu spät. Sie war tot. Ich konnte nie wieder in ihre blauen Augen blicken. Ich konnte nie wieder ihre tolle Figur in einem ihrer schönen Outfits bewundern. Ich konnte nie wieder über ihre Witze, die gar nicht witzig waren, lachen. Ich konnte nichts mehr machen. Sie war weg. 


Ufff, i'm sorry. Ich habe das nicht gemacht, um euch traurig zu machen und die Geschichte dramatischer zu machen, nein, ich hatte das schon von Anfang an geplant und musste das jetzt umsetzten.

Morgen wird noch der Epilog und die Danksagungen veröffentlicht und dann ist dieses Buch auch beendet. Ich würde mich sehr freuen euch bei meinen anderen Werken wieder zu sehen :D

99 TageWo Geschichten leben. Entdecke jetzt