Briefe

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„Kathi, sag jetzt endlich wo wir hingehen!" Meine Augen waren verbunden und blind stolperte ich über irgendwelche Steine. „Kathi? Gefällt mir" Kathleen kicherte. „Aber ich sage dir trotzdem nicht, wo wir hingehen. Gedulde dich Tori!" Genervt schnaubte ich und umklammerte fester ihre Hand. Hinzustürzen und meine Zähne auszuschlagen war nicht ein Punkt auf meiner To-Do-List. Nach einer Weile stoppte sie plötzlich abrupt und ließ meine Hand los. „Wir sind da, ich mache dir jetzt die Augenbinde ab!" Kleine Hände nestelten hinter meinem Kopf herum und nahmen schließlich das dunkle Tuch ab.

„Wow..." Wir standen am Ufer eines Flusses mit klarem Wasser. Die Sonne schien auf die Oberfläche und ließ das geheimnisvolle blau glitzern. Rings um uns herum waren Bäume und Büsche. Es war wunderschön. „Und was machen wir jetzt hier?", fragte ich verwirrt. „Wir haben keine Sachen zum Schwimmen oder Bootfahren dabei"

Kathleen lächelte mich nur an und kramte in ihrer großen Stofftasche herum. Sie drückte mir erst ein Federmäppchen, dann einen Block und zuletzt eine Glasflasche in die Hand. Noch immer nicht wissend was sie vorhatte, starrte ich auf die drei Dinge. Was könnte man damit machen...? „Wir machen eine Flaschenpost!" Begeistert schaute sie mich an. „Okay..." Unschlüssig schaute ich zurück. Enttäuscht fielen ihre Mundwinkel nach unten. „Gefällt dir meine Idee etwa nicht?" Sie sah sehr geknickt aus, was mir gar nicht gefiel. Deshalb ging ich einen Schritt vor, bis ich nur noch ein paar Zentimeter von ihr entfernt war. Langsam beugte ich mich zu ihrem Gesicht runter, während sie mich wie erstarrt anschaute. Was sie wohl in diesem Moment dachte?

„Deine Ideen sind mega", raunte ich in ihr Ohr. Ihre spürte ihren heißen Atem an meiner Wange und grinste leicht in mich hinein. Mir gefiel es, was ich für eine Wirkung auf sie hatte. „Deine Ideen sind einfach fantastisch...Genauso wie du" Mit einem Lächeln auf den Lippen entfernte ich mich von ihr und grinste. „Na dann lass uns anfangen!" Sie blinzelte verträumt, nickte dann aber und strahlte mich an.

„Also meine Idee war, dass wir beide einen Brief für den jeweils anderen schreiben. Dann schicken wir die Flasche mit unserer Telefonnummer ab und wenn jemand sie findet, ruft er oder sie uns an und überbringt die Nachricht vom jeweils anderen. Einverstanden?" Ich nickte begeistert und schnappte mir Zettel und Stift. Wir suchten uns beiden einen angenehmen Platz zum Hinsetzten und fingen dann an.

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„Komm schon Kathi, was möchtest du bitte schön noch alles schreiben?" „Ich bin doch gleich fertig! Du hast dir wahrscheinlich im Gegensatz zu mir einfach keine Mühe gegeben", konterte sie ziemlich schwach und streckte mir kindisch ihre Zunge raus. Ich beobachte sie amüsiert. Obwohl ich sie erst seit drei Wochen kannte, fühlte es sich an wie eine Ewigkeit. Wenn sie konzentriert war, biss sie sich auf die Unterlippe und zog ihre Augenbrauen zusammen. Wenn sie nervös war, zwirbelte sie einer ihrer blonden Haarsträhnen um ihren Finger. Wenn sie glücklich war, konnte sie gar nicht mehr aufhören zu lächeln und zu strahlen. „Tori? Alles okay?" Ertappt schaute ich auf als ich merkte, wie sehr ich sie gerade angestarrt hatte. Meine Ohren wurden heiß und ich grinste verlegen. „Ähm...klar...alles super. Bist du jetzt fertig?" Sie nickte lächelnd und rollte ihren Brief zusammen. Zu gerne würde ich wissen was drauf stand. Aber vielleicht würde sich ja jemand melden. Irgendwann. Hoffentlich.

Wir beide steckten unsere Briefe in die Glasflasche und überlegten dann, was wir auf einen extra Zettel schreiben sollten. „Wie wäre es mit... Hallo Unbekannter, schön, dass du unsere Post gefunden hast. Es würde uns sehr freuen, wenn du uns anrufen und unsere Nachrichten übergeben würdest. Liebe Grüße, zwei schwererkrankte Mädchen.", schlug ich scherzhaft vor. Kathleen kicherte, griff dann aber zum Stift um meine Version verbessert auf das Blatt zu bringen. Schließlich hatten wir unsere Flaschenpost fertig und hatten nur noch den letzten Part vor uns. Die Flasche in das Wasser zu versenken. „Möchtest du sie reinschmeißen?", ließ ich Kathleen den Vortritt. Sie schüttelte den Kopf. „Also soll ich?" Wieder schüttelte sie den Kopf. Verwirrt blickte ich sie an.

„Wir machen das zusammen" Lächelnd schauten wir uns an. Wir nahmen die Flasche und stellten uns nah ans Ufer. Zusammen umklammerten wir den Flaschenhals und warfen sie in einem hohen Bogen ins Wasser. Mit einem Platschen versank sie und schwamm dann flussabwärts los. Verträumt starrten wir ihr hinterher. „Komm, lass uns zurück zur Klinik gehen. Ich bin ein bisschen müde und habe auch Kopfweh", meinte Kathleen leise. Besorgt drehte ich mich zu ihr. Ich wollte nicht, dass es ihr schlecht ging. Schnell packte ich unsere Sachen zusammen und verschränkte wie von selbst unsere Hände, als wir losgingen.

Zum Glück mussten wir nicht allzu lange gehen und kamen relativ schnell am Haupteingang der Klinik an. Wir betraten mit unseren Ausweisen die Eingangshalle, wo uns Natalie mit ihrem Anhängsel entgegenkam. „Oh ihr seid schon zurück! Wie war es?" „Wunderschön, aber Kathi hat Kopfschmerzen bekommen und deshalb sind wir lieber zurück" Besorgt schaute die Krankenschwester und Dennis das Mädchen neben mir an. Sie lächelte zwar noch strahlend, aber jeder, der sie bisschen besser kannte merkte, dass das Funkeln in ihren Augen fehlte.

„Wir bringen sie dann schnell in ein Behandlungszimmer, um einen kleinen Check zu machen. Victoria, du kannst mal im Aufenthaltsraum schauen, ob du dort die anderen findest. Ach, und trinke genügend!", meinte Natalie fürsorglich. Beruhigend nickte ich und warf Kathleen neben mir einen besorgten Blick zu. Klar, es war nicht ungewöhnlich in unserer Situation, dass man mal müde war, aber trotzdem machte ich mir bei ihr automatisch mehr Sorgen.

„Komm Kathi, ich helfe dir ins Krankenzimmer", meinte Dennis mit einem charmanten Grinsen. Wütend schaute ich den beiden hinterher. Erstens, keiner außer ich durfte sie Kathi nennen. Zweitens, Finger weg!

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Bald hat dieses Buch die 1k Reads erreicht omg! *-*

Was denkt ihr hat Kathi in ihren Brief an Tori geschrieben?

Bye

-F

99 TageWo Geschichten leben. Entdecke jetzt