Deprimiert starrte ich in die Luft. Mein Kopf war leer.
Ein Tropfen platschte auf meine Nase. Aus der ferne hörte ich ein Grollen. Sommergewitter. Ich saß draußen auf einer ungemütlichen Bank und dachte nach. Momentan ging mein Leben den Bach hinunter.
Meine Mutter hatte mich verstoßen, ich starb in wenigen Monaten, mit Kathleen war ich zerstritten, zwischen Nic und Charli herrschte eisige Stille und vor paar Tagen war eine Patientin gestorben, weswegen die ganze Klinik trauerte.
Fröstelnd schlang ich meine Arme um meinen Körper. Ich hätte eine Jacke mitnehmen sollen, aber jetzt wieder reingehen und den anderen begegnen hatte ich auch keine Lust.
Am liebsten würde ich ihnen sagen, dass ich bald sterben würde. Reden hilft. Aber irgendwas hielt mich davon ab, deshalb fraß ich lieber meine Sorgen in mich rein. Auch wenn ich es mir nicht anmerken lassen wollte, es tat weh, dass meine Mutter sich nicht um mich kümmerte. Und sterben wollte ich auch nicht, aber ändern ließ es sich nicht. Es würde mich eh keiner wirklich vermissen. Meine Freunde hatte ich gleich, nachdem ich die Diagnose bekommen hatte, verloren. Erst da wurde mir klar, dass ich nur Fake Friends hatte. Meine Mutter heuchelte noch Sorgen vor, aber ihre größte Angst war, dass sie keinen Nachfolger mehr für ihre Firma hatte.
Es war hoffnungslos. Leise schluchzte ich auf. Immer mehr Tränen strömten über meine Wangen. Der Schmerz fraß mich von innen auf, mein Herz schmerzte. Weinend zog ich meine Beine an mich, vergrub mein Gesicht in meinem Schoß.
Da hörte ich Schritte. Leise und langsam näherten sie sich, kamen mir immer näher. Dann setzte sich eine Person neben mich. Kurz darauf wurde eine warme Jacke um mich gelegt und ein Körper schmiegte sich an mich. Vor Schluchzern geschüttelt vergrub ich mein Gesicht in jener Halsbeuge. Ein Geruch von Vanille strömte mir entgegen. Eine kleine Hand strich mir durch die Haare. Immer und immer wieder. Ein Arm wurde um mich geschlungen, ich fühlte mich warm und geborgen, trotz des Regens, der immer stärker wurde.
Nach langer Zeit beruhigte ich mich endlich. Meine Wangen waren nass von meinen Tränen, mein restlicher Körper von dem Regen. Langsam richtete ich mich auf und schaute geradewegs in ein grünes Augenpaar. Grün traf blau.
Kathleen lächelte mich warm an und drückte mir einen Kuss auf meine Wange.
„Alles wird gut. Ich bin für dich da."
Und komischerweise konnte ich es ihr sogar glauben. Zaghaft lächelte ich sie an.
„Möchtest du reden? Ich verstehe, wenn du es nicht möchtest und eigentlich magst du mich gar nicht u-" „Hör auf so einen Quatsch zu reden. Natürlich mag ich dich. Klar, ich finde es scheiße, dass du das mit meinem Tod weißt, aber das lässt sich auch nicht mehr ändern."
Schweigend saßen wir nebeneinander. Wir waren schon komplett durchnässt, gingen aber trotzdem nicht rein.
„Wieso möchtest du den anderen nicht von deiner Diagnose erzählen?"
Ich wusste, dass das kommen musste. Noch dazu wusste ich es selbst nicht.
„Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich, weil ich kein Mitleid bekommen möchte. Alle würden sich um mich kümmern wollen und das nervt. Irgendwann trennen sich eh unsere Wege." „Wenn du meinst. Es ist deine Entscheidung, dein Geheimnis ist bei mir sicher."
Wieder eine unangenehme Stille, nur das Tropfen des Regens unterbrach die Ruhe.
„Ich weiß, dass ich nicht die ideale Person bin, der du solche persönlichen Sachen anvertrauen möchtest, aber was ist jetzt mit deiner Mutter?"
Ein leichter Stich in meinem Herzen. Meine Mutter. Eine Mutter, die ihr Kind nicht wollte. Die einfach aufgelegt hatte und deswegen nicht wusste, was für ein Schicksal ihr Kind hatte. Ich wollte nicht mit Kathleen reden. Sie war nervig, aufdringlich, zu emotional, aber... Sie war für mich da. Sie war die einzige, die nicht weggegangen war. Klar, ich hatte noch Serena, Alisha, Nic, Jordan, Zoe und Charli, aber die waren nicht so hartnäckig wie Kathleen. Einerseits nervte es, andererseits gefiel es mir, dass sie jemand um mich sorgte. Bei mir blieb, in guten wie in schlechten Zeiten. Obwohl wir uns erst seit einer knappen Woche kannten, war sie mehr für mich da gewesen als alle meine Freunde aus meinem restlichen Leben zusammen. Deshalb traf ich eine Entscheidung. Ich hatte Angst verletzt zu werden, aber Kathleen vertraute ich mein Herz an.
„Sie wird erst wenn ich tot bin mir wieder Beachtung schenken. Und das tut weh. Stell dir vor, deine eigene Mutter hat nie Zeit für dich und kümmert sich einen Dreck wie es dir geht."
„Das tut mir leid, Tori."
Und bei Kathleen hörte es sich nicht wie ein dahingeworfener Mitleids Satz an, sondern wie etwas was tief aus ihrem Herzen kam.
„Weißt du, ich habe vor kurzem meine Oma verloren. Und ich bereue es, dass ich nicht mehr mit ihr unternommen habe. Wir haben noch so viel geplant. Safari in Afrika, Zelten unter freiem Sternenhimmel, Schwimmen in Schweden, zum Grand Canyon fahren...", erzählte Kathleen mir verträumt.
„Dein Verlust tut mir sehr leid. Ihr habt euch sicher sehr geliebt."
Kathleen schniefte und nickte. Dann fing sie plötzlich an zu weinen. Überfordert saß ich daneben. Ich wusste nie, wie ich Leute trösten sollte, wenn sie weinten. Deshalb tat ich einfach das, was Kathleen zuvor auch bei mir gemacht hatte.
Ich nahm sie in den Arm.
„Psst, alles ist gut. Ich bin da. Lass den Schmerz raus.", versuchte ich zu trösten.
„Sie hat mir einen Abschiedsbrief hinterlassen. In dem stand drin, dass ich mein Leben genießen soll und alles rechtzeitig machen soll, bevor der Tod mich einholt.", brachte sie zwischen Schluchzern hervor.
Ihre Großmutter war eine weise Frau gewesen. Nach einer Zeit hörte ich nur noch ein leises Schniefen und Kathleen richtete sich auf. Lächelnd wischte sie sich die Tränen weg.
„Danke Tori."
Schweigend saßen wir da. Anscheinend konnten wir nicht miteinander reden, außer es ging um Tod und Tränen.
„Sag mal, hast du auch so eine Liste?"
Verwirrt schaute ich sie an. Was meinte sie?
„Naja, gibt es irgendwelche Sachen, die du in deinem Leben gemacht haben möchtest? Wenn ja, wäre jetzt der richtige Zeitpunkt."
Sie hatte Recht. Und natürlich hatte ich Ideen, was ich erlebt haben möchte, aber lange blieb mir wahrscheinlich nicht mehr Zeit.
„Du hast Recht. Es gibt noch Sachen, die ich abarbeiten möchte. Aber nicht allein. Und da sonst keiner von meiner Diagnose weiß, musst du das mit mir machen."
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Ich habe es geschafft die Überleitung zu schreiben ^^
Schaut mal bei meinem Partneraccount 0707MH vorbei! ^^
Ach und, ich bin gespannt ob du die Larry-Anspielung findest Dilara_Horan 🤫😏
Bye
-F
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99 Tage
Teen FictionWas würdest du machen, wenn du die Diagnose bekommen würdest, dass du nur noch 99 Tage zu leben hast? Du hast drei Möglichkeiten: aufgeben, nachgeben oder alles geben. 2 Mädchen, die sich durch eine tragische Situation immer näher kommen. ©kleiner...