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7. Kapitel

Montag, 27. April

Leonie sitzt da mit ihrem Handy in der Hand und strahlt übers ganze Gesicht. Mir ist schlecht und ich hab so ein unangenehmes Gefühl im Bauch. Es fühlt sich alles so leer an. Sie beißt sich auf die Lippe und gibt ein leises Quietschgeräusch von sich. Es fühlt sich an, als ob wir uns gerade frisch getrennt haben. Ich vermisse seine Nachrichten, die dasselbe angerichtet haben, wie bei Leonie. Wenn die zwei sich küssen tut das weh. Es schmerzt aber nicht mehr so doll, wie am Anfang. Manchmal gibt es eben diese Tage, die schlimmer sind als andere. Aber dann gibt es wieder Tage, da interessiert es mich gar nicht, dass Leonie mich ignoriert und das Niklas jetzt eine andere hat.

Kadir neben mir schnaubt, aber ich ignoriere ihn. Er hat seinen Kopf auf seinen Arm gelegt und beobachtet unsere Klasse. Die Jungsgruppe sitzt an einem Tisch und schauen bei Timon auf das Handy. Die Mädchengruppe sitzt auch an einem Tisch und quatscht über irgendeinen Klatsch. Dann sitzen vereinzelte Grüppchen im Raum verteilt. Draußen regnet es, deshalb dürfen wir alle drin bleiben.
Kadirs Freunde studieren alle schon und Olivia sitzt in einer andern Schule fest. Ich atme tief ein und wende mich wieder dem Aufsatz zu, den wir in Biologie schreiben sollen. „Was ist das?", fragt Kadir und wirkt wirklich ernsthaft interessiert. „Bio.", sage ich knapp, weil ich jetzt echt keine Lust hab mich mit Kadir auseinander zu setzen. „Achso. Hab ich schon letzte Woche gemacht.", sagt er und wendet sich wieder von mir ab. Es hat sich seit Samstag was verändert zwischen uns. Er gibt nicht mehr so oft böse Kommentare zu dem tun, was ich mache. Er lässt mich einfach in Ruhe.

Als ich den letzten Satz schreibe, klingelt es zum Unterricht. Die Lehrerin kommt herein und entschuldigt sich, dass sie erst jetzt kommt. Sie verteilt wieder Arbeitsblätter und will, dass wir die in der ersten Stunde erledigen. Ich schaue mir die Matheaufgaben an und atme tief durch. Lukas hat mit mir gestern nochmal Mathe geübt und mir versucht es besser zu erklären. Auch er ist ziemlich gut in Mathe. Ich fange mit der einfachsten Aufgabe an und Kadir schnaubt, als ich das Ergebnis hinschreibe. „Der Weg ist Falsch.", bemerkt er. Ich schaue in seine grünen Augen, die er von seiner Mutter hat. „Na und, wenigstens ist das Ergebnis richtig.", sage ich und Kadir grinst. „Prinzessin, da ist gar nichts richtig.", sagt er und ich verenge meine Augen. Ich hasse diesen Spitznamen, zumindest wenn er aus seinem Mund kommt. „Nenn mich nicht so!", sage ich gereizt. „Ich darf dich nennen wie ich will, Kleine.", sagt er und schaut wieder auf mein Blatt. „Ich zeig's dir jetzt noch ein letztes Mal, okay?", fragt er und genießt, dass er mir etwas zeigen kann. Er erklärt es mir sogar richtig gut. Danach versteh ich es wirklich besser.

Danach hab ich Französisch. Kadir hat zum Glück Latein. Dafür hat aber Leonie mit mir zusammen Französisch und sitzt auch neben mir. Ihr Parfüm steigt mir in die Nase und ich beuge mich weiter in das Buch, was wir gerade lesen. Unsere Lehrerin kontrolliert inzwischen unsere Hausaufgaben. Leonies kichern reißt mich aus dem Text. Sie schreibt heimlich mit Niklas. Ich verdrehe die Augen. Das ist wirklich armselig. Ich konzentriere mich wieder aufs Buch und versuche so viel wie möglich zu verstehen. Was aber nicht so schwer ist, da Lukas zweite Muttersprache Französisch ist.

Nach der Schule warte ich an Kadirs Auto auf ihn. Er ist schon achtzehn und der älteste in unserer Klasse. Niklas und Lukas sind neunzehn. Kadir kommt gerade aus dem Haupttor und sieht angespannt aus. Ich zucke zusammen, als er mich direkt anschaut. Er hat seine Hände zu Fäusten geballt und nickt mir zu. Ich atme tief durch und schaue ihm weiter in die Augen. „Ich setz dich nur ab. Muss nachhause.", gibt er mir knapp zu verstehen, also nicke ich und öffne die Beifahrertür, als er das Auto aufgeschlossen hat. Niklas und Kadir teilen sich dieses Auto.

Die Atmosphäre ist sehr angespannt, aber ich trau mich nicht zu reden oder das Radio anzumachen, um sie zu lockern. Kadir gibt unnötig Gas und ich werde in den Sitz gedrückt. Ich hab Angst. „Kadir, bitte.", sage ich angespannt, als er über eine rote Ampel fährt. „Fahr bitte langsamer.", bitte ich ihn. Er hört wirklich auf, so schnell zu fahren und seine Finger lockern sich ein wenig um das Lenkrad. „Willst du reden?", ich überwinde mich das zu fragen. Immerhin, war er heute so nett zu mir und hat mir in Mathe geholfen. „Nein.", sagt er kalt. Ich nicke. War klar. Ich mein, warum sollte es sich so plötzlich geändert haben, zwischen uns. Es ist schon ein Wunder, dass er mich hier mitnimmt. „Danke übrigens nochmal, dass du mir vorhin geholfen hast.", sage ich, denn ich kann gerade nicht aufhören zu reden. Ich weiß auch nicht, warum ich hier gerade versuche ein Gespräch zu führen. Vielleicht, weil es mir so unangenehm ist, mit einem Jungen in einem kleinem Raum zu sitzen oder weil er einfach der Bruder meines Ex ist. Er biegt in unser Viertel ein und hält vor unserem Haus. „Danke.", sage ich und er schaut mich kurz an. „Du musst dich nicht bedanken.", sagt er fast lautlos. Ich lächle kurz und steige dann aus. „Bis morgen.", sage ich leise und knalle die Tür zu. Er braust davon, sobald die Tür zu ist. Schnell laufe ich zur Haustür und schließe sie auf. Vor mir sind ein paar Typen, die am Fahrstuhl rumschrauben. Ich nicke denen zu und gehe die Treppe hoch.

Oben wartet Lukas auf mich und fragt, wo Kadir ist. Ich erzähle ihm, was gerade los war und er nickt. „Sein Vater macht ihm gerade Stress.", erzählt er und ich nicke. Wusst' ich's doch. Ich gehe in mein Zimmer und mache mich an die Mathehausaufgaben. Dann schreibe ich mit Olivia, die mir von ihrem Date erzählt. Es war toll. Am Freitag wollen die zwei ins Kino gehen und ich freue mich für Olivia. Gerade als ich ihr schreibe, dass Kadir seit Samstag sich verändert hat, klopft es an meiner Tür. „Ich wollt fragen, ob du Lust hast mit mir ein bisschen in den Park zu gehen.", fragt Lukas und ich nicke. Ich lösche die Nachricht und ziehe mir meine Strickjacke an. Lukas nimmt seinen Volleyball mit und wir gehen los.

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