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8. Kapitel

Dienstag, 28. April

Ich starre ihn fassungslos an. Das, was ich gestern über ihn gedacht habe, war völlig falsch. Es hat sich gar nichts geändert. Kadir grinst mich spöttisch an und es fühlt sich an, als ob die Splitter meines Herzens sich gegen meinen Brustkorb bohren würden. Ich schaue Leonie an, die ein wenig abseits von uns steht, uns aber beobachtet. Sie schaut erschrocken zu Kadir, der grinst nur breit und beobachtet meine Reaktion. Er hat mir doch tatsächlich ein Video gezeigt, wo Leonie und Niklas wild rumknutschen. Meine Hände zittern und ich kämpfe mit meinen Tränen. „Du bist so ein widerliches Arschloch.", sage ich und laufe raus. Weg von den fragenden Blicken, der anderen im Klassenraum, weg von meiner ehemaligen besten Freundin und weg von dem Monster, welches so gemein sein kann. Ich weiß, dass es jetzt über ein halbes Jahr her ist, dass ich nicht mehr mit Niklas zusammen bin, aber es zu sehen, dass er sich mit Leonie begnügt, tut immer noch weh.

Ich sitze auf der Toilette und weine. Und ich fühl mich gerade so armselig und naiv. Warum dachte ich, zwischen mir und Kadir wäre es jetzt angenehmer? Warum dachte ich mir nichts dabei, als Kadir mir grinsend sein Handy hingehalten hat?

Ich schnaufe und putze meine Nase, um dann tief durchzuatmen. Ich steh das durch, denn ich kann mir keine Fehlstunden erlauben, dafür sind meine Noten zu schlecht. Also richte ich mich auf und schließe die graue Kabinentür auf und gehe ans Waschbecken. Meine Wangen sind gerötet, genau wie meine Augen. Meine Haare sind so verwuschelt, weil ich mir so oft durch die Haare gefahren bin. Ich glätte meine Haare so gut es geht mit meinen Fingern und binde sie zu einem Dutt zusammen. Dann wasche ich mein Gesicht mit kaltem Wasser und atme tief durch. Besser seh ich dadurch nicht aus, aber ich fühl mich frischer. Meine Augen sind verquollen, aber trotzdem laufe ich jetzt wieder zurück in den Klassenraum. Alle schauen mich neugierig an und die Lehrerin fragt, ob alles okay sei. Ich nicke und laufe nach hinten zu Kadir. Er sitzt in vielen Fächern neben mir, da ich die ruhigste in der Klasse bin und die Lehrer, denken, dass Kadir auch dadurch ruhiger wird. Kadir kritzelt was auf sein Blatt, was nichts mit Englisch zu tun hat. Außer dass es auf Englisch ist. Irgendein Raptext. Er summt leise vor sich hin und tut so, als hätte er mir nicht gerade richtig wehgetan.

Nach der Schule zocken Lukas und ich Mario Kart. Lukas ist gerade am gewinnen, als er auf einer Bananenschale ausrutscht. Ich lache ihn aus und überhole Peach, kriege aber gleich einen Schildkrötenpanzer von hinten ab. „Mist!", fluche ich, als ich wieder auf dem vierten Platz lande. Lukas lacht mich aus und fährt über die Ziellinie als zweiter Platz. Ich fahre fahre hinter Peach in Ziel und schmolle. „Blöder Tag.", grummle ich vor mich hin und Lukas nimmt mich in den Arm. „Ach, Maia. Es gibt halt schlechte Tage, genauso, wie es sonnige Tage gibt.", sagt er und ich grinse ihn an. „Erzähl mir von Valerie.", sage ich und kuschle mich an ihn dran. Es regnet schon wieder, aber es ist egal, welches Wetter es ist, ich bin eh Zuhause. „Valerie?", fragt Lukas verwundert, als ob er sie nicht kennen würde. Ich mustere ihn kritisch. „Du weißt genau, wen ich meine.", sage ich und Lukas grinst. „Na gut. Gewonnen.", grummelt er spielerisch und ich beobachte ihn. „Valerie ist ein hübsches Blondes Mädchen. Sie hat ganz dunkle Augen, die so schön und unschuldig aussehen. Sie arbeitet in meinem Lieblingscafé. Heute hat sie sich in ihrer Mittagspause zu mir gesetzt und mir erzählt, dass sie erst vor einem Monat her gezogen ist. Sie schreibt gerne Bücher und sucht nach einem Platz an der Uni. Sie will Literatur und kreatives Schreiben studieren. Ihre Lieblingsblumen sind Sonnenblumen. Und ihr Lieblingseis ist Jogurt. Sie ist wirklich hübsch und ich denke ich frage sie morgen nach einem Date.", erzählt Lukas und hat dabei dieses Lächeln im Gesicht, was er immer aufsetzt, wenn er über etwas erzählt, was er mag. Ich lächle mit ihm und denke an Niklas. Ob ich auch so geschaut habe, als ich an ihn gedacht hab? „Erzähl mir von dem Vorfall in der Schule, Maia.", fordert Lukas mich plötzlich auf. Mist, bis jetzt konnte ich das Thema vermeiden. „Ich hab gerade so schrecklichen Hunger! Weißt du wann Papa und Luzie kommen?", frage ich und Lukas schaut mich mit hochgezogenen Brauen an. Ich schlucke, Lukas kann man nicht ablenken. „Erzähl, Maia.", drängt er weiter. „Na gut. Kadir hat mich geärgert, okay? Er ist halt zu weit gegangen.", sage ich leise. „Was hat er gemacht? Du hast lange nicht mehr geweint, also muss es was ernstes gewesen sein.", sagt Lukas und ich schaue in seine braunen Augen, die so einen krassen Kontrast zu seiner Haut haben, da sie heller sind. Ich schweige, denn ich will es ihm nicht sagen. Ich will nicht, dass Lukas sauer ist. „Maia.", sagt er warnend. Ich schlucke, den Kloß herunter, der sich in meinem Hals bildet. „Erhatmireinvideogezeigtmitleonieundniklas.", nuschle ich. „Hä? Sag es bitte langsamer.", sagt Lukas und schaut mich intensiver an. Er hat diesen Blick drauf, dass man denkt, er könne durch alles hindurchschauen. „Er hat mir ein Video mit Leonie und Niklas gezeigt.", wiederhole ich leise und Lukas zieht seine Brauen zusammen, dann zieht er sein Handy hervor und ruft irgendwen an. „Alter, was soll das? Ich dachte, wir wär'n durch mit dem Scheiß!", brüllt Lukas den Hörer an und dann ist es kurz still. Lukas beobachtet mich und hört weiter dem anderen an der Leitung zu. „Das hat sie nicht verdient. Denk doch mal nach, stell dir mal vor, wie das für dich wär.", sagt Lukas und ich weiß mit wem er spricht. Lukas gibt mir sein Handy, aber ich will nicht. Er mustert mich sauer und dann nehme ich lieber das Handy, denn mit Lukas sollte man es sich lieber nicht verscherzen. „Maia?", ertönt Kadirs Stimme an der anderen Seite und ich räuspere mich. „Ja?", frage ich und mache mich ganz klein. „Das heute von mir war dumm und kindisch von mir. Ich würd am liebsten die Zeit zurückdrehen und es ungeschehen machen, okay? Ich bin zu weit gegangen und das tut mir leid.", sagt er und ich wundere mich darüber, wie oft er sich in letzter Zeit entschuldigt hat bei mir. Ich bleibe still. Lukas beobachtet mich, geht dann aber aus dem Zimmer. „Es tut mir wirklich leid, und ich sollte nicht meinen Frust an dir heraus lassen, denn das hast du wirklich nicht verdient.", sagt er noch mal eindringlicher. „Du hast mich echt verletzt.", sage ich leise. Meine Stimme klingt dünn und zittrig. Ich ärgere mich über mich selbst und würde am liebsten rumschreien. „Aber weißt du was? Das bin ich ja von dir gewohnt.", sage ich dann mit einer festeren Stimme. Man hört Kadir tief einatmen. „Ich werde mich bessern, okay?", sagt er dann leise. Ich schaue erstaunt zu den Bildern, die an der Wand hängen von Kadir, Niklas und Lukas. „Seit wann bist du so...?", frage ich, aber mir fehlt das richtig Wort. „Süß, nett, charmant?", fragt er und man hört das Grinsen in seiner Stimme. Ich schnaube. „Erwachsen.", sage ich dann und Kadir lacht. Ich lächle. „Ist das denn attraktiver?", fragt er dann mit seiner Aufreißer- Stimme. Etwas in mir verkrampft sich. „Vielleicht hab ich eingesehen, dass es keinen Sinn macht, dich zu ärgern.", gibt er dann zu, als ich leise bleibe. „Schön.", sage ich knapp. Seit der Trennung bin ich sämtlichen Flirtversuchen von Jungs aus dem Weg gegangen, weil ich Panik bekommen habe. Ich hatte Angst, dass sie mir nur was vorspielen, um mich zu verletzen. Selbst bei denen, die ich selbst attraktiv fand. Es waren zwar nicht viele „Ich leg auf, okay?", frage ich, als wir uns eine gefühlte Ewigkeit angeschwiegen haben. „Okay", sagt Kadir leise.

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