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5. Kapitel

Freitag, 17. April

Mit einem lauten Plumps lässt Kadir sich neben mich auf seinem Stuhl fallen. Er legt seinen Kopf auf seinen Arm und schließt die Augen. Ich packe weiter meine Sachen aus und beobachte die anderen im Raum. „Hast du schon den neuen Film gesehen?", fragt Emilie und Leonie wirft ihre Walnussbraunen Haare nach hinten und überlegt, was sie jetzt interessantes sagen kann. Irgendetwas, was Emilie noch nicht wusste und sie total fasziniert. Leider werden meine Beobachtungen durch die Schulklingel und der Lehrer, der den Unterricht beginnt, unterbrochen.
„Kadir, es wäre nett, wenn du zuhause schlafen würdest.", sagt der Lehrer, Kadir seufzt und richtet sich auf. Er sieht fertig aus. „Was glotzt du so?", fragt er bissig, als er merkt, dass ich ihn anschaue. Verunsichert schaue ich nach vorne und ignoriere den Scham, der sich in mir bildet. Ich komme nicht damit zurecht, wenn jemand so gemein zu mir ist.

Nach der Schule war eigentlich verabredet, dass Kadir mich mitnimmt. Der ist aber gerade vor meiner Nase davon gefahren. Aber es ist mir recht, weil er heute extrem gemein zu mir war. Er hat immer wieder fiese Kommentare zu meinem Handeln gegeben, sodass sogar eine Lehrerin darauf aufmerksam drauf geworden ist. Sie hat ihn und mich nach der Stunde zu sich gerufen und hat versucht, dass wir uns versöhnen. Wir mussten uns die Hände reichen, wie im Kindergarten, danach ist Kadir abgehauen und ist vor meiner Nase davon gebraust. Ich laufe wie gewohnt meinen Weg und höre ein Hörspiel, was ich gestern angefangen hab. Einen Krimi. Ich liebe dieses Buch, obwohl ich komplett durcheinander komme mit den ganzen Sichten. Als ich vor unserem Block stehe, sehe ich, dass Kadir vor unserer Tür steht und konzentriert auf seinen Handydisplay schaut. Als ich neben ihm stehenbleibe und den Schlüssel ins Schloss stecke, hebt er seinen Kopf und mustert mich. „Sag Lukas, dass ich dich gebracht hab.", sagt er jetzt hinter mir. „Warum sollte ich lügen?", frage ich und schaue ihn an. „Weil du nett bist.", sagt er und ich schnaube. „Nette Leute lügen, oder wie?", frage ich gereizt. Ich bin müde von den ganzen Streitereien. Dass Kadir mich immer ärgert. „Warum sollte ich für dich lügen, wenn du es nicht verdient hast?", frage ich ihn jetzt. Er geht einen Schritt auf mich zu. „Vielleicht werde ich dann netter zu dir. Wenn du mir einen Grund gibst", sagt er und ich grinse. „Achso, weil ich die ganze Zeit dir keinen Grund gebe nett zu sein? Dein Ernst? Du bist doch derjenige, der immer so aggressiv reagiert.", sage ich wütend. Dann schließe ich die Tür auf und laufe die Treppen hoch. Der Fahrstuhl funktioniert schon seit Anfang des Jahres nicht mehr und der Hausbesitzer kümmert sich nicht darum. Außerdem hab ich kein Bock mit Kadir im Fahrstuhl zu sitzen. „Es tut mir leid, okay? Ich konnte heute Nacht nicht schlafen, weil mein Vater meinte, ich sei nicht gut genug in der Schule und hat mich meine Aufgaben nochmal machen lassen.", sagt er und ich schlucke. Ich weiß, wie streng der Vater von Kadir und Niklas ist. „Das ist kein Grund mich die ganze Zeit zu ärgern.", sage ich und bleibe vor der Wohnungstür stehen. Die Wohnungstür ist wie alles andere hier im Flur weiß. Und das erinnert einen an ein Krankenhaus. „Ich hab mich jetzt schon entschuldigt. Bitte sag es ihm nicht.", sagt Kadir jetzt, der sich in mein Blickfeld gedrängt hat. Ich schaue ihm in seine grünen Augen und denke nach. „Was krieg ich dafür?", frage ich und er starrt mich an. „Ich lass dich für heute in Ruhe.", sagt er und ich ziehe die Brauen hoch. „Nur heute?", frage ich. „Na gut für dieses Wochenende.", brummt er und ich gebe mich zufrieden.
Drinnen fragt Lukas mich gleich, ob das geklappt hat mit der Mitfahrgelegenhei. Ich schaue zu Kadir, der mich stumm anfleht, dann nicke ich. Ich höre ihn leise aufatmen.

„Echt jetzt? Du hast geschummelt!", schimpft Kadir jetzt und ich grinse. Die zwei Jungs sitzen auf der Couch und zocken. Ich lese auf Lukas Bett und beobachte ab und zu die zwei. Lukas schummelt wirklich gerne beim zocken. „Du spielst halt einfach so schlecht, wie Maia.", behauptet Lukas jetzt und Kadir und ich geben ein lautes „Hey" von uns. Das bringt Lukas zum Lachen und ich stürze mich auf ihn. „Du schummelst doch nur!", sage ich jetzt über ihm und halte ein Kissen über meinem Kopf, mit dem ich auf ihn einschlage. „Du kannst einfach nicht verlieren. Genau wie Kadir.", sagt er und das Kissen landet wieder in seinem Gesicht. Jetzt lacht er noch lauter. „Wie süß, beschützt du etwa gerade Kadir?", keucht Lukas grinsend. Er ist schon außer Atem vom Lachen. „Ich beschütze nur meine Ehre.", sage ich und Kadir grunst. „Was für 'ne Ehre?", fragt er jetzt spöttisch. Ich funkle ihn wütend an und er macht sich ganz klein. „Sorry.", sagt er jetzt, bevor ein Kissen abkriegt. Ich bin so abgelenkt, dass ich nicht mitkriege, dass Lukas sich mein Kissen schnappt und es mir ins Gesicht schleudert. „Verräter", knurre ich und Kadir zuckt grinsend mit seinen Schultern. „Das war doch nur ein Scherz.", sagt Kadir jetzt. „Haha, was haben wir gelacht.", sage ich ironisch und stehe von der Couch auf. „Tut mir leid, Maia. Ehrlich." sagt Kadir jetzt. Lukas beobachtet uns nur stumm. „Wie oft willst du dich noch entschuldigen, anstatt es einfach zu lassen?", frage ich sauer. „Kommt runter, Leute. Lasst uns was gucken.", mischt Lukas sich ein, wie immer. Er entschuldigt sich immer für seinen Freund, anstatt dass Kadir sich entschuldigt.
Kadir räuspert sich und wendet seinen Blick von mir ab. Auch ich wende meinen Blick von ihm ab und schaue zu Lukas. Der seufzt und fährt sich durch die Haare. Naja viel kann er da nicht weg streichen. Luzie hat ihm gestern noch die braunen Locken geschoren. Ich hasse diesen Haarschnitt, aber Lukas findet ihn super. Er hatte heute ein Bandana um, den er vorhin abgemacht hat. Man könnte ihn jetzt wirklich für ein afroamerikanisches Gangmitglied halten. „Ich wär' für Star Wars.", schlägt Kadir vor und ich gebe Würgegeräusche von mir. Ich hasse Star Wars. Niklas hat mal versucht es mir schmackhafter zu machen, aber nein, das ist nichts für mich. Kadir schaut mich böse an. „Ich wär' für Guardians of the Galaxy.", schlage ich vor und die Jungs grummeln ein Einverständnis. Also schauen wir Guardians of the Galaxy und ich plündere unseren Süßigkeitenschrank. Lukas sitzt zwischen uns und ich lehne mich an seine Schulter. „Ich bin dir immer noch sauer, dass du mich als schlecht bezeichnet hast.", raune ich ihm zu, als Star Lord gerade mit seiner Gruppe aus dem Gefängnis ausbricht. Lukas kommentiert es nur mit einem Lächeln. Ich zeige ihm meinen längsten Finger und wende mich dann wieder dem Fernseher.

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