12. Kapitel
Sonntag, 2. Mai
„So jetzt erzähl!", drängt Olivia, als wir am Morgen im Bett sitzen und über alles Mögliche reden. Auf unseren Schößen thronen Schüsseln mit Rührei. „Was denn?", frage ich unschuldig, dabei weiß ich genau, was sie meint. Olivia schaut mich mit hochgezogenen Brauen an. „Komm schon. Ihr geht euch nicht mehr an die Gurgel, wenn ihr im selben Raum seid. Und ihr habt euch gestern 'gute Nacht' gesagt.", zählt Olivia auf und ich schiebe mir Ei in den Mund.
„Da gibt's nichts zu erzählen.", sage ich schließlich, als ich ihren Blick nicht mehr standhalte.
„Ich weiß auch nicht, was er plötzlich hat, aber ich will es auch nicht ansprechen, weil ich es gerade ganz gut so finde. Er tut mir nicht mehr weh.", sage ich und schiebe noch eine Gabel Ei in meinen Mund. Lukas macht echt die besten Rühreier. „Mhm", macht Olivia und isst weiter.
„Und wenn es mehr als Freundschaft wird?", fragt sie und ich schlucke, dann schüttle ich den Kopf. „Kadir würde nie etwas mit mir anfangen und ich auch nicht, immerhin ist er der Bruder meines Exfreundes.", sage ich und stelle die leere Schüssel weg. Die Jungs sind trainieren gegangen und Papa hat sich heute mit einem Kumpel verabredet. Luzie musste heute nochmal arbeiten, weil sie einen Yogakurs hat und kommt danach nach Hause. „Und wenn er was mit dir anfangen würde, würdest du es zulassen?", fragt Olivia immer noch ganz auf das Thema fixiert. Sie hat früher immer gesagt, dass Kadir und ich viel besser zusammen passen würden, aber ich hab es jedes Mal abgestritten und gemeint, dass Kadir voll der Player ist. Er hat dauernd Mädchenherzen gebrochen und als er sechzehn geworden ist, hat er immer mit seinen Frauengeschichten geprahlt. Ich starre sie an. Dann denke ich nach. „Eher nicht.", sage ich, spreche aber nicht aus, dass er eigentlich vom Äußeren echt mein Typ wäre. Olivia grinst, als hätte sie meine Gedanken gelesen. „Warum nicht, er ist doch eigentlich ganz nett.", sagt sie. Olivias Oma ist mit Niklas und Kadirs Oma befreundet und dadurch kennt sie die zwei länger als ich, auch wenn sie nicht wirklich was mit den beiden zu tun hat. Ich ziehe meine Brauen hoch. „Hast du eigentlich mal aufgepasst, was er alles zu mir gesagt hat?", frage ich meine beste Freundin. Olivia grinst.
„Er scheint sich verändert zu haben in deiner Gegenwart.", sagt Olivia leise und mit einem kleinen Grinsen. Ich verdrehe die Augen. „Nur weil er einmal zu mir nett ist, heißt es nicht, dass er mich mag. Keiner ändert sich über Nacht.", sage ich und lehne mich zurück.
„Immerhin ist das Kadir, der Bruder von meinem Exfreund, der mich betrogen hat.", füge ich hinzu. Ich klinge monotoner, als ich eigentlich bin. „Aber nur weil er Niklas Bruder ist, heißt das noch lange nicht, dass er ist wie er.", erwidert Olivia und stupst mich an. Ich lächle leicht und lasse das Thema fallen.Ich drücke Olivia fest an mich und lächle sie dann an. „Wir sehen uns nächste Woche, okay?", sage ich und Olivia nickt. „Tschüss.", sagt sie und dreht sich zum Treppenhaus, ich schließe die Tür hinter ihr und atme durch. Die Jungs sind schon zurück und zocken in Lukas Zimmer. Aber heute hab ich echt kein Bock auf die zwei, also beschließe ich mein Zimmer aufzuräumen und Hausaufgaben zu machen.
Ich hör erst auf als mein Handy klingelt. „Hallo?", frage ich, als ich Papas Namen auf meinem Bildschirm sehe und den Anruf annehme. „Hey, Prinzessin. Ich wollte fragen, ob es okay ist, wenn ich heute später komme. Ihr könnt euch ja den Auflauf im Tiefkühler warmmachen.", sagt er und ich nicke. „Klar. Bis nachher. Hab dich lieb.", antworte ich und freue mich für Papa. Mein Papa ist eigentlich nicht so ein sozialer Mensch, vor allem seit seine erste und große Liebe abgehauen ist und ihn und mich allein gelassen hat. Er ist ein stiller, sich zurückhaltender Mann, der nicht gerne unter Menschen ist. Ab und zu trifft er sich mit alten Kumpels aus seiner Schulzeit, aber das war's auch. Er hat sich um seine neunzehnjährige Schwester mit dem zweijährigen Lukas gekümmert. Die zwei sind zusammengezogen und haben Patchworkfamilie gespielt, bis jetzt. Ich frage mich, wie es wird, wenn Luzie und Alex geheiratet haben. Sie wird bestimmt mit Lukas ausziehen und mit Alex ein hübsches kleines Häuschen suchen, wie in einem amerikanischen Hochzeitsfilm. Und dann gibt es nur noch mich und Papa. Ich beende meine Hausaufgaben und gehe zu den Jungs ins Zimmer. Nur dass kein Lukas im Zimmer ist. Kadir zockt auch nicht. Er ist nackt. Naja, nicht richtig. Er trägt eine Boxershorts. Meine Wangen fangen an zu brennen, als ich ihm auf die nackte Brust starre. Ich lege mir meine Hände vor die Augen und taumle benommen zurück. Kadir hat zwar Muskeln, aber nicht so übertrieben, wie sein Bruder. Er hat einen flachen Bauch mit einem Ansatz von einem Sixpack, definierte Brustmuskeln und breite Schultern. Niklas hat den Körper eines griechischen Gottes, aber das spielt keine Rolle. „Hey, vorsichtig.", sagt Kadir leise, direkt vor mir, als ich gegen das DVD-Regal neben der Tür stoße. Ich nehme vorsichtig meine Hände von den Augen und Kadir grinst mir entgegen. Meine Wangen fangen noch mehr an zu brennen, aber Kadir hat sich die Mühe gemacht, sich ein T-Shirt anzuziehen. Sein Grinsen wird breiter und nimmt sein ganzes Gesicht ein. „Ei... Eigentlich wollte ich nur sagen, dass wir den Auflauf, den Papa mal gemacht hat, essen sollen. Und wollte fragen, ob es okay ist, wenn ich ihn jetzt schon auftauen lasse.", sage ich und Kadir fährt sich durch seine braunblonden Haare und denkt nach. „Klar, denk schon. Lukas hatte glaub ich auch schon Hunger, als er los ist.", sagt er ernst und ich mustere ihn. Seine vereinzelten Sommersprossen auf der Nase, fallen mir als erstes auf. Dann die vereinzelten braunen fast goldenen Flecken in seinen grünen Augen. Ich schlucke. Auf seinem Gesicht bildet sich ein Lächeln. Als ich von seinen Lippen wieder in seine Augen schaue, bemerke ich seinen wissenden Blick. „Nur damit du es weißt, ich will dich nicht küssen.", versuche ich mich raus zureden. Sein Lächeln verwandelt sich in ein Grinsen. „Nein, gar nicht. Du hast auch gerade nicht meine Lippen angestarrt und gesabbert.", sagt er mit einem unwiderstehlichen Grinsen. Er benetzt seine Lippen mit seiner Zunge und beißt sich auf die Unterlippe, was mich rot werden lässt. „Ich sabbere gar nicht.", sage ich und schaue wieder in seine Augen. „Ich weiß, dass du mir nicht widerstehen kannst.", sagt er jetzt und beugt sich näher zu mir runter. Seine Stimme klingt tiefer und rauer als sonst und mir fällt plötzlich das Atmen schwer. „Ich sollte jetzt in die Küche gehen und den Auflauf auftauen lassen.", sage ich zittrig. Ich hab Angst. Angst, dass er mich berührt, wenn ich es nicht will. Dass er mir wehtut. Ich gehe einen Schritt zur Seite und gehe aus der Tür.
„Wo warst du?", frage ich und stemme meine Arme an den Seiten ab. Lukas sieht unschuldig zu mir und zieht seine Schuhe langsam aus. „Kurz spazieren.", murmelt er als er an mir vorbeiläuft. „Und warum riechst du dann nach Parfüm?", frage ich misstrauisch. „Weil ich nicht stinken wollte.", redet Lukas sich raus und setzt sich zu Kadir an die Kücheninsel. Ich setze mich gegenüber von den beiden hin und nehme mir was von dem Kartoffelauflauf. „Dein Vater macht echt den besten Kartoffelauflauf, den ich kenne.", sagt Kadir mit vollem Mund. Ich lächle und schiebe mir eine Kartoffel in den Mund. „Er ist ja auch nicht umsonst Koch.", sagt Lukas grimmig und tut sich auch was auf. „Hast du etwa gerade 'nen Korb von Valerie bekommen oder wie?", fragt Kadir und Lukas funkelt Kadir wütend an. „Nein.", faucht er und dann ist es unangenehm still am Tisch.
![](https://img.wattpad.com/cover/256559077-288-k818603.jpg)
DU LIEST GERADE
What if I trust you
Dla nastolatkówMaias Welt ist zerstört, als sie am Morgen über eine Instagram Story erfährt, dass ihr Freund Niklas sie mit ihrer besten Freundin Leonie betrügt. Sie beschließt niemandem mehr zu vertrauen und an sich heranzulassen. Nur Kadir, der Bruder von Niklas...