17.

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17. Kapitel

Samstag, 09. Mai

Ich werde mit dem Gedanken an heute Nacht wach. Es fühlt sich an wie ein Kater. Ich bereue es nicht, aber es fühlt sich komisch an, daran zu denken Kadir umarmt zu haben, während man geweint hat. Bestimmt macht er sich heute darüber lustig. Verzweifelt fahre ich mir durchs Gesicht, während ich mich aufsetze. Das Zimmer ist klein, aber süß eingerichtet. Das Fenster ist in einer Nische und davor ist eine kleine Sitzbank mit ganz vielen unterschiedlichen Kissen. Daneben ist eine Fotowand von Luzie mit Postkarten auf denen süße und witzige Sprüche drauf sind. Dann kommt das schmale Himmelbett, auf dem ich sitze. Daneben steht ein kleines Nachtschränkchen mit meinem Buch drauf und einem leeren Wasserglas. Daneben ist eine Kommode und dann kommt die Tür. Auf der anderen Seite steht ein Schreibtisch und ein kleiner Schminktisch mit einem riesigen Spiegel. Ich stehe gähnend auf und strecke mich.
In der Küche stelle ich mein Glas in den Geschirrspüler und mache mir ein Müsli. „Hey, du Schlafmütze. Wir sind schon alle im Garten und frühstücken da.", sagt Papa, als er in die Küche kommt, wahrscheinlich um neuen Kaffee aufzusetzen. Ich stelle meine Schüssel in den Geschirrspüler und umarme dann erstmal Papa. Er drückt mich an sich und gibt mir einen Kuss auf die Haare. „Hast du wenigstens gut geschlafen?", fragt er und ich nicke. „Am Anfang hatte ich einen Albtraum, aber dann hab ich wie ein Stein geschlafen.", erzähle ich. Vielleicht hat es doch was gebracht mit Kadir zu reden, danach habe ich mich besser gefühlt und konnte wirklich ziemlich gut schlafen.
Als wir im Garten sind setze ich mich auf den einzigen freien Platz neben Kadir. Ein kurzes Lächeln huscht über seine Lippen, als er mich sieht, konzentriert sich dann aber weiter auf sein Essen. „Guten Morgen.", murmle ich, eingeschüchtert von den vielen Menschen am Tisch. Nachdem jeder am Tisch mir Guten Morgen gewünscht hat, ist es wieder still am Tisch. Ich gieße mir ein Glas von der Apfelschorle ein und esse noch etwas kleines. „Wann gehst du heute zu Sara?", fragt Lukas irgendwann und ich schaue zu ihm. „Wir haben uns um zwei verabredet. Warum?", frage ich und streife, als ich mir eine Erdbeere hole, Kadirs Arm. Sofort kommen mir Bilder von gestern in den Kopf und meine Wangen werden warm. Ich senke meinen Kopf und kaue auf der sauren Erdbeere herum. Aus den Augenwinkeln kriege ich mit, wie Kadir arrogant vor sich hin grinst. Genervt verdrehe ich die Augen. „Weil Kadir und ich zu Tim fahren würden und das ist ja gleich auf dem Weg.", beantwortet Lukas meine Frage, die ich fast vergessen hätte. „Wir könnten dich mitnehmen und dann am Abend wieder abholen", schlägt Lukas vor und ich willige ein. Jetzt ist meine Laune viel besser, weil ich jetzt nicht mehr mit dem Bus fahren und weil ich nicht den ganzen Tag Kadir sehen muss. 

„Hey, das letzte mal ist schon wieder 'ne Ewigkeit her, oder?", fragt Sara und zieht mich in ihre schlanken, starken Arme. Sara ist groß und schlank, was sehr praktisch ist, da sie wie gesagt auf einem Reiterhof viel mit Pferden zu tun hat. Sie ist mindestens einen Kopf größer als ich. Ihre Haut ist von der Sonne braun gebrannt und ist trotzdem heller als ihre kastanienbraunen Haare, die  ihr langes Gesicht umrahmen. Ihr Gesicht ist ziemlich hübsch und sie hat keine Pickel. Ihre haselnussbraunen Augen sind mandelförmig, aber trotzdem groß. Ihre Nase ist gerade und lang. Dafür ist ihr Mund groß und voll.
„Wollen wir?", fragt sie und drückt mir ein Halfter mit einem Führstrick in die Hand. Zusammen laufen wir in Richtung Stall. „Ich nehme an du nimmst Fee, denn ich hab die zwei heute extra im Stall gelassen, damit wir nicht extra zur Koppel müssen.", erklärt sie und macht die Tür zu dem Stall ihres Hengstes auf. Ich laufe drei Boxen weiter und ziehe die Tür auf, um Fee eine graue Schimmelstute zu begrüßen. Sie schnaubt und reibt ihren gewaltigen Kopf an meiner Brust. „Scheint, als hätte nicht nur ich dich vermisst.", lacht Sara vom Gang aus, ich lächle und lege Fee das Halfter an. Brav lässt sie sich führen, den Kopf gesenkt und die Augen entspannt halb offen. „Für ihr Alter ist sie noch ganz schön fit.", sagt Sara neben mir und bindet Aragog an einem Ring an der Wand locker an. Ich weiß nicht, warum es genau der Name sein musste, der die Riesenspinne in Harry Potter trägt, aber Sara wollte einen außergewöhnlichen Namen haben und von einem Film. Aragog ist gerade mal vier Jahre alt, aber eines der entspanntesten Jungpferde, auf dem Hof hier. Ich lasse Fees Strick los und hole ihren Putzkasten um sie zu striegeln, den Part mag sie am meisten. Aragog hingegen tänzelt nervös neben Sara und schnappt ab und zu nach ihrer Hand. „Ich hasse diesen Part, wenn ich das bei ihm machen muss.", murrt sie, während sie verärgert seinen Kopf wegschiebt. Keiner weiß, warum Aragog putzen so hasst, aber es ist eben so. 

Später reiten wir gemütlich auf einem Waldweg in Richtung See. „Wir könnten auch die Jungs besuchen. Tim wollte dich auch mal wieder sehen.", schlägt Sara vor, als wir an einer Waldkreuzung halten. „Ne, ich kann Tim auch später nochmal besuchen. Ich will heute nur mit dir und den Pferden Zeit verbringen.", sage ich und treibe Fee weiter gerade aus. „Es ist wegen Kadir, oder?", fragt sie und reitet neben mir her. Ich zucke mit den Schultern. Ich habe ihr von gestern erzählt. „Ja, es ist mir schon ein wenig unangenehm.", gebe ich schließlich zu und sie nickt und fängt dann an Aragog zum Galopp zu bringen. „Wer als letzter am See ist, spendiert dem anderen einen Drink im Club.", ruft sie über ihre Schulter und ich grinse und Fee fängt auch an zu galoppieren, nachdem ich sie dazu angetrieben habe. Und ich fühle mich frei, grinse und fühle mich, als ob ich fliegen würde.

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