18. Kapitel
Samstag, 09. Mai
Kritisch zupfe ich an dem Kleid, welches mir Sara leiht. „Ist das nicht ein wenig zu knapp?", frage ich und versuche den tiefen Ausschnitt so hoch zuziehen, dass man weniger sieht. „Du bist ganz schön verklemmt seit der Trennung, oder?", fragt Sara und stupst mich mit ihrem Ellbogen leicht in die Rippen. Ich lächle leicht und mustere sie. „Du siehst so gut aus. Ich hingegen aus, wie die größte Schlampe aus dem Universum.", sage ich und schaue in mein Gesicht. Meine Augen werden durch schwarzen Lidstrich betont, sonst ist keine Schminke auf meinem Gesicht. „Du siehst sexy aus, nicht wie eine Schlampe.", sagt Sara und mustert mich. „Aber weißt du was cooler aussehen würde?", fragt sie und grinst. Sie geht zu ihrem Kleiderschrank und holt eine Jeansjacke raus. „Und dann kannst du ja deine normalen Schuhe anziehen, dann siehst du richtig gut aus.", sagt sie und in dem Moment frage ich mich, warum sie keine Modedesignerin wird. Ich trage ein buntes Kleid mit kleinen Blumen drauf, was perfekt kombiniert ist mit der Jeansjacke und meinen braunen Wildleder Turnschuhen. Sara trägt ein rotes Kleid, welches mit Spitze bestickt ist und dazu eine schwarze Lederjacke. Sie hat sich leicht geschminkt und trägt ihre Haare gelockt und in einem Pferdeschwanz. Ich selbst trage meine Haare offen, da ich es so schöner finde und natürlicher. Zusammen gehen wir runter und dort warten schon Lukas, Tim und Kadir. Tim grinst mich an und im Augenwinkel sehe ich, wie Kadirs Augen sich weiten. Lächelnd umarme ich Tim fest und atme seinen würzigen Aftershave ein. „Du siehst besser aus als das letzte Mal.", raunt er mir frech zu und ich boxe ihm spielerisch gegen die Schulter. „Du hast einen Schokoladen Fleck auf deinem T-Shirt.", sage ich und deute auf seinen Kragen, er schaut natürlich runter und ich schnipse gegen sein Kinn. Verärgert reibt er es sich und ich grinse. „Du fällst immer wieder drauf rein. Aber du hast wirklich da einen Fleck.", sage ich und kichere. „Wollen wir?", grummelt Kadir neben uns und wir steigen ins Auto.
Eingeschüchtert von den fremden Menschen laufen wir in die laute Scheune und Sara zieht mich zum improvisierten Tresen. Die Jungs folgen uns und wir bestellen uns Getränke. Sara hat mich dazu überredet Cola mit Rum zu bestellen, weil es ihrer Meinung nach das Leckerste ist. Eigentlich trinke ich keinen Alkohol und feiern gehe ich auch nicht gern, aber heute ist eine Jugenddisco von sechzehn bis zwanzig Jahre und Sara hat mich dazu überredet mit den Jungs hier hin zu gehen. Ich schlucke und kippe noch mehr Rum in meinen Cola Becher. Dann trinke ich einen Schluck und verziehe das Gesicht. „Das schmeckt ja widerlich!", sage ich und Sara lacht. „Trink nochmal, dann geht es.", sagt sie und trinkt eilig etwas aus ihrem eigenem Becher. Kadir beobachtet mich stumm und nippt an seinem Cocktail. Tatsächlich schmeckt es nach dem zweiten Schluck besser und ich trinke noch mehr. Als ich fertig bin nimmt Sara mich in die Menschenmenge und fängt an zu tanzen. Zuerst bin ich wie versteinert, aber nach und nach fange ich auch mit an zu tanzen und irgendwann bin ich so locker, dass ich wild mit Sara tanze. Wir grinsen uns beide an und wackeln mit unseren Hinterteilen. Die Jungs tanzen auch mit bei uns. Tim dreht mich im Kreis und ich lache. Er kommt eigentlich aus der Stadt und war mal unser Nachbar, aber seine Eltern sind gestorben und er ist zu seinen Großeltern, die lustigerweise genau in dem selben Dorf wohnen wie Lukas und meine, gezogen. Manchmal besucht er uns und wir ihn.
Da ich keinen Alkohol vertrage, dreht sich nach einer Weile ein wenig die Welt um mich herum und ich werde anhänglicher. Irgendwann tanze ich Lukas und Kadir an, die zurück tanzen und ich von den beiden umzingelt bin, bis Lukas zu Sara zieht und mit ihr tanzt. Lächelnd lege ich meine Arme um Kadirs Hals und er grinst. „Du hast mir immer noch nicht gesagt, warum du gestern wach warst.", sage ich laut, damit er mich hört und er beugt sich zu mir herunter an mein Ohr. Sein Atem kitzelt meine Haut und ich schlucke, weil er mir plötzlich näher ist, als ich vorhatte. „Ich habe dich gehört und wollte gucken, was du machst.", sagt er und ich schaue in seine dunklen Augen. Mein Mund wird ganz trocken, als er wieder dieses jungenhafte Grinsen auf den Lippen trägt. „Du starrst.", erinnert mich Kadir mit einem so attraktiven Grinsen, dass ich vergesse, wie man sich bewegt. „Kein Grund rot zu werden, Prinzessin.", sagt er und ich schlage ihn auf die Brust. „Du sollst mich nicht so nennen.", sage ich und wende mich beschämt ab, um wieder mit Sara zu tanzen. Das ist angenehmer, als mit Kadir.
Ich schiebe meine Gefühle gegenüber Kadir auf meine Hormone und den Alkohol und ignoriere ihn den restlichen Abend.Sonntag, 10. Mai
Meine Schläfe zieht leicht, als ich aufstehe. In dem Bett liegt noch ein weiterer Körper und wenn ich richtig hinschaue erkenne ich Kadir. Ein Schrei entfährt mir, aber wir beide, haben immer noch dasselbe an wie gestern. Kadir erschreckt sich so dolle, dass er mit einem dumpfen Knall auf dem Boden neben den Bett landet und vor sich hin grummelt. „Was zur... ?", fragt er, entdeckt mich und reißt seine Augen auf. „Was machst du hier?", fragt er verschlafen. „Ich habe hier mein Bett, die Frage ist eher: Was machst du hier?", frage ich und stemme meine Hände in die Seiten. „Ich habe geschlafen.", sagt er dumpf und steht auf, um sich zu strecken. „Das habe ich gesehen.", sage ich genervt und suche mir Sachen raus. „Ich weiß ja nicht, was du hast. Wir haben uns nicht mal berührt.", murrt er und geht aus dem Zimmer. Ich verdrehe die Augen und laufe ins Bad. Auf dem Weg begegne ich Papa. „Alles okay, Prinzessin?", fragt er und sieht echt besorgt aus. Ich zwinge mich zu einem Lächeln und nicke. „Hab nur schlecht geträumt.", antworte ich und werde von Papa umarmt. „Man du wirst ganz schön schnell erwachsen. 'Ne Dorfparty. Waren die Jungs wenigsten anständig und haben dich in Ruhe gelassen?", fragt er und ich lache. „Papa!", sage ich und schiebe mich von ihm weg. „Dank Lukas, Tim und Kadir hat sich keiner an uns ran getraut.", sage ich und lauf weiter in Richtung Bad. „Super.", sagt Papa und führt seinen Weg fort.Nach der Dusche gehe ich zurück ins Zimmer und packe meine Sachen zusammen. Das Frühstück kann ich eh vergessen. In einer halben Stunde gibt es schon Mittagessen und dann fahren wir. Das Kleid von Sara lasse ich hier, da Oma nachher zu den Nachbarn fahren muss von Sara. Ich schicke Sara eine Nachricht und wünsche ihr noch einen schönen Sonntag. Auf dem Weg in den Garten begegne ich Kadir und meine Wangen fangen automatisch an zu glühen, wenn ich daran denke, das wir uns heute Nacht ein Bett geteilt haben und gestern zusammen getanzt haben. „Jetzt ist das Wochenende schon vorbei und wir haben kaum was zusammen gemacht.", sagt Oma und drückt mich an sich. Ich atme ihren blumigen Geruch ein und schließe die Augen. „In den Sommerferien wollen wir zwei Wochen mal her kommen und am See zelten. So lang ist das gar nicht mehr hin, Mama.", sagt Papa grinsend und Oma funkelt ihn gespielt böse an. „Pass du mir trotzdem gut auf meine kleine Prinzessin auf, dass sie nicht schon wieder von einem Jungen verletzt wird.", ihre Augen liegen aber nicht auf Papa, als sie das sagt, sondern auf Kadir. „Sie ist doch so zart.", sagt sie, als wäre ich gar nicht hier. Ich löse mich von Oma und stelle mich zu Lukas an den Herd. Heute gibt es Reis mit Curry von Lukas, weil er es sich gewünscht hat. Ich lehne mich an ihn und gähne. „Warum hast du ihn nicht abgehalten, bei mir im Raum zu schlafen?", frage ich und gewinne somit Lukas Aufmerksamkeit. „Wer?", fragt er und sieht verwirrt aus. „Kadir", sage ich knapp und stibitze mir ein Tofu Stück aus der Schüssel. „Er hat bei dir im Zimmer geschlafen?", fragt er und ich merke seine Angespanntheit. Er hat immer noch ein schlechtes Gewissen wegen Niklas. „Es ist aber nichts passiert.", sage ich schnell, um ihn zu beruhigen. „Ich weiß trotzdem nicht, was ich davon halten soll, Maia. Er spielt immer mit Mädchen.", sagt er und ich nicke. Da hat er allerdings recht. Ich weiß, dass er gestern nachdem ich ihn ignoriert habe, gleich ein Mädchen angetanzt hat. Er ist später nachhause gegangen als ich, deswegen, kann ich mich nicht im geringsten daran erinnern, dass er zu mir gekommen ist. Wahrscheinlich war er so dicht, dass er sich im Zimmer geirrt hat. „Ich will auch nichts von ihm.", sage ich und beiße mir auf die Lippe. Vielleicht war das eine winzige Lüge, denn ich finde ihn schon anziehend, aber ich könnte mir nicht vorstellen, mit ihm zusammen zu sein. Immerhin ist es Kadir.

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What if I trust you
Teen FictionMaias Welt ist zerstört, als sie am Morgen über eine Instagram Story erfährt, dass ihr Freund Niklas sie mit ihrer besten Freundin Leonie betrügt. Sie beschließt niemandem mehr zu vertrauen und an sich heranzulassen. Nur Kadir, der Bruder von Niklas...