20. Kapitel
Mittwoch, 13. Mai
„Hey.", sagt Leonie und ich schaue erschrocken auf. Das kann doch jetzt nicht wirklich passieren. Da sitze ich einmal alleine in der Öffentlichkeit rum und schon bekomme ich ungewollte Aufmerksamkeit. Ihre Haare trägt sie heute zu zwei süßen geflochtenen Zöpfen, die perfekt zu ihrem süßen Top passen. Sie setzt sich neben mich auf die Bank im Einkaufzentrum und ich beobachte sie. Sie überschlägt ihre langen, schlanken Beine übereinander und lächelt traurig. „Das letzte Mal als wir geredet haben ist schon eine Ewigkeit her, oder?", sagt sie jetzt und ihre blauen Augen bohren sich in meine. Ich bleibe stumm. Wieso sollte ich auch mit ihr reden? Sie hat mich belogen, betrogen und mich dann einfach ignoriert. „Was da war, tut mir leid. Ich wollte es dir wirklich erzählen, aber ich wollte dir nicht wehtun.", sagt sie jetzt, als sie merkt, dass ich ihr nicht antworte. „Hast du aber.", sage ich leise und schaue wieder durch die Halle. Ich weiß nicht, warum ich hier bin, ich hasse diesen Center, aber trotzdem sitze ich hier und beobachte Menschen.
„Und das tut mir unglaublich leid, dass ich erst jetzt komme und weil ich dir das angetan habe.", sagt sie jetzt leise und spielt nervös mit ihren Fingern. Tränen glänzen in ihren mandelförmigen Augen. „Das hast du wirklich nicht verdient und ich habe immer noch ein schlechtes Gewissen deswegen.", sagt sie. „Es sieht meistens aber nicht danach aus.", sage ich trotzig. Eine Träne löst sich aus ihrem Augenwinkel und läuft über ihr langes Gesicht. „Ich wollte das nicht. Es ist einfach passiert.", wimmert sie jetzt und meine Kehle schnürt sich zu. „Du hättest es mir sagen können, noch bevor es passiert ist.", sage ich mit einer dünnen Stimme. „Ja.", sagt sie ganz leise und verzieht gequält ihr Gesicht. „Es tut mir so leid, Maia.", sagt sie jetzt wieder und schluchzt. Es tut weh, sie so zu sehen. Es tut weh, hart zu bleiben und sie nicht zu trösten und doch umarme ich sie nicht, sondern beobachte nur, wie sie stumm weint. Wie sie zerbricht. Ich schlucke und kämpfe selber mit meinen Tränen, weil ich so durcheinander bin. „Ich will nicht mehr mit ihm zusammen sein.", sagt sie plötzlich und ich schaue sie verwirrt an. „Ich kann das nicht, nicht wenn ich weiß, dass ich dir damit wehgetan hab.", sagt sie und greift nach meiner Hand. „Immer wenn ich ihn anschaue, dann sehe ich deinen Schmerz in den Augen, als du dich von ihm getrennt hast.", sagt sie und schluckt. „Ich kann nicht mit ihm schlafen ohne ein schlechtes Gewissen zu haben.", sagt sie und ich schaue ihr in die Augen, um zu sehen, ob sie das ernst meint. „Du wirkst jetzt viel glücklicher, vor allem bei Kadir. Ich hab letztens mit ihm über dich geredet und er war richtig sauer. Er hat sich in deiner Umgebung verändert, oder?", sagt sie jetzt und drückt meine Hand. „Du hast mit ihm über mich geredet?", frage ich und entziehe ihr meine Hand. Sie schluckt und faltet ihre Hände stattdessen auf ihrem Schoß zusammen. „Ja, er war sauer, dass ich dir das angetan hat. Ich hatte kurz echt Angst, dass er mir wehtut. Er hat gefragt, warum ich Niklas nicht einfach verlasse, wenn es mir so leid tut. Er hat mir ein noch schlechteres Gewissen gemacht. Als ich gezögert hab, hat er gelacht und gesagt, dass ich 'ne verdammte Heuchlerin wär'.", erzählt sie und ich spüre wie sich ein Kloß in meinem Hals bildet.Als ich nachhause komme und Kadir sehe, gehe ich auf ihn zu und starre ihn an. „Du hast mit Leonie über mich geredet? Du hast dich für mich stark gemacht?", frage ich heiser. Meine Wangen brennen immer noch, weil Leonie mir noch so viel erzählt hat, was mich verwirrt hat. Ich habe geweint. Sie wollte mich trösten, aber ich habe sie abgewiesen. Kadir zieht verwirrt seine Brauen zusammen. Ich sehe aus dem Augenwinkel, wie Papa sich leise aus dem Wohnzimmer verzieht und Luzie sich Kopfhörer in die Ohren schiebt und auf ihrem Handy ein Video schaut. „Warum fragst du?", sagt er und verschränkt seine Arme vor der Brust. „Weil ich wissen will, ob du doch nicht so ein Arsch bist, wie ich immer dachte.", sage ich und Kadirs Mundwinkel zucken. „Wer hat dir das erzählt?", fragt er und ich mustere sein Gesicht. Seine vereinzelten Sommersprossen auf seiner Nase, seine goldenen Sprenkel in seinen grünen Augen und seine Lippen. Ein Lächeln bildet sich auf ihnen und ich benetze meine Lippen mit meiner Zunge. Sein Lächeln wird breiter und er beugt sich ein wenig zu mir vor. „Du starrst schon wieder meine Lippen an, Kleine. Hatten wir das nicht vorgestern schon?", flüstert er und ich schlucke. Ich schaue wieder in seine Augen, die mich anfunkeln. „Ich starre nicht auf deine Lippen!", protestiere ich und das raubt ihm ein Lachen. Ich habe es schon mal gehört und es bildet sich eine Gänsehaut auf meiner Haut. Ich liebe den Klang seines tiefen rauen Lachens, welches in meinen Körper dringt und tief vergräbt und nie wieder raus will. „Doch tust du", sagt er rau und fährt mit seinen Fingerspitzen über meine Wange bis zum Kinn. „Ja, ich habe mit Leonie über dich geredet und ihr klar gemacht, dass das so nicht geht.", sagt er leise und ich schlucke. Immer noch liegen seine Fingerspitzen auf meinem Gesicht und strahlen so viel Hitze aus, dass mir warm wird. Erst als seine Finger weg sind bemerke ich, dass die leise Panik sich nicht in mir breit gemacht, dafür eine wohlige Wärme sich ausgebreitet hat. „Danke.", hauch ich und Kadir grinst. Wahrscheinlich bildet er sich schon wieder auf meine Reaktion was ein. Ich verdrehe meine Augen und wende mich von ihm ab. „Gut, dass wir das geklärt haben.", sage ich, bevor ich in mein Zimmer gehe.
Ich lasse meinen Kopf auf die Schreibtischplatte knallen und reibe mir die Stirn. Ich bin so blöd und hormongesteuert. Ich hasse mich dafür, wie ich plötzlich auf Kadir reagiere und kann mir nicht erklären wieso. Vielleicht ist es auch nur ein Phase und ich bin bald wieder ganz die Alte, versuche ich mir einzureden. Aber ich weiß, dass das nicht stimmt. Ich mache meine Hausaufgaben und lerne noch ein bisschen.
Irgendwann geht meine Tür auf und Kadir kommt rein. „Was wird das?", frage ich, als er sich auf mein Bett schmeißt. Er zuckt mit seinen Schultern und mustert mich. „Mir ist langweilig und nur du bist da.", erklärt er und ich ziehe meine Brauen hoch. „Und deswegen dachtest du dir, du platzt mal in mein Zimmer, weil wir ja so gut befreundet sind?", frage ich und drehe meine Stuhl in seine Richtung. „Wer sagt, dass sich unsere Beziehung sich nicht ändern kann?", sagt er mit einem zweideutigem Grinsen auf den Lippen. Ich verdrehe meine Augen und stütze meinen Kopf auf meinen Händen ab. „Und was ist, wenn ich nicht will, dass sich unsere Beziehung ändert?", frage ich und sein Grinsen wird breiter. „Dann hast du Pech.", sagt er und ich schnappe nach Luft. „Du willst dich mir also aufzwingen?", frage ich und er mustert mich grinsend. Mir wird unter seinem Blick ganz warm. Dann schüttelt er den Kopf. „Nein, ich würde dir nie etwas aufzwingen.", sagt er mit einem intensiven Blick auf meine Lippen. Im Raum sind es mindestens fünf Grad wärmer geworden. „Jetzt starrst du meine Lippen an.", sage ich heiser und er grinst und fährt sich durch seine blonden Haare. „Erwischt.", murmelt er und lehnt sich zurück. „Deine Lippen sind aber auch einladend.", sagt er und meine Wangen fangen an zu brennen. Schnell wende ich meinen Blick von ihm ab und starre stattdessen mein Bücherregal an. „Nur damit du es weißt, ich will dich nicht küssen.", murmle ich und er lacht leise. „Ist klar.", sagt er sarkastisch und setzt sich so hin, dass unsere Knie sich berühren. Ich schaue ihn an und mir stockt der Atem. Seine Augen sind ein wenig dunkler geworden und seine Lippen leicht geöffnet. Er benetzt sie leicht und kleine Grübchen bilden sich an seinen Wangen. „Schon wie du sie anschaust, verrät dich.", sagt er leise und schmunzelt, als ich wieder nach Luft schnappe. „Stimmt gar nicht.", versuche ich mich raus zureden, doch Kadir grinst nur. „Aber ich werde dich jetzt auch nicht küssen, Kleine. Vielleicht später, aber nicht jetzt.", sagt er und ich schlucke. „Wie kommst du darauf, dass ich das auch will?", flüstere ich und er streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht. „Weil es mir deine Reaktion es verrät.", sagt er leise und rau.
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What if I trust you
Teen FictionMaias Welt ist zerstört, als sie am Morgen über eine Instagram Story erfährt, dass ihr Freund Niklas sie mit ihrer besten Freundin Leonie betrügt. Sie beschließt niemandem mehr zu vertrauen und an sich heranzulassen. Nur Kadir, der Bruder von Niklas...