13.

25 3 0
                                        

13. Kapitel

Dienstag, 04. Mai

„Maia, hast du mein T-Shirt gesehen, mit dem Cover von Guns'n'Roses?", fragt Lukas. Seine Laune hat sich nicht geändert seit Sonntag. Ich schaue mich in meinem Zimmer um und entdecke es auf dem Boden. „Ja, da auf dem Boden", sage ich und zeige ihm die Stelle. Lukas murmelt etwas unverständliches und schaut es sich dann an. „Du solltest mal aufräumen. Das T-Shirt kann ich jetzt nicht mehr anziehen, das ist richtig dreckig.", sagt er ernst und befehlshaberisch. Ich schnaube. „Ich komme damit zurecht. Wenn es dich stört, komm doch einfach nicht in mein Zimmer.", gebe ich kratzig zurück. Ich habe auch gerade nicht besonders gute Laune, weil erstens Lukas ziemlich fies zu mir ist und zweitens wir morgen einen Physik Test schreiben, wo ich gar keinen Plan hab. Lukas stürmt aus dem Zimmer und knallt die Tür hinter sich zu. Ich zucke zusammen und wende mich dann aber Augen rollend wieder meinem Lernstoff. Ich hasse Naturwissenschaften und würde am liebsten alle abwählen können.

Nachdem ich endlich fertig bin, dämmert es schon und aus dem Wohnzimmer duftet es nach irgendetwas orientalischem. Ich gehe ins Wohnzimmer und setze mich zu Luzie auf die Couch. „So eine schlechte Laune hatte er lange nicht mehr.", sagt sie als sie mich bemerkt. „und morgen fährt er zu seinem Vater.", fügt sie hinzu. Ich lehne mich an ihre Schulter und verfolge die Realityshow. Lukas ist normalerweise immer gut gelaunt. „Wann fährt er denn los?", frage ich und beobachte meine Hände, als eine unanständige Szene kommt. „Morgen um 8 Uhr fährt sein Bus.", sagt sie und atmet tief durch. „Ich fühl mich so schlecht, weil ich ihn schlecht gelaunt quer durchs Land schicke.", sagt sie schließlich und im nächsten Moment geht die Wohnungstür auf und ein verschwitzter Lukas kommt rein. Sein Blick ist immer noch finster, aber er hat nicht mehr so einen Killerblick im Gesicht. In seinen Ohren stecken Kopfhörer und man hört die Musik bis zum Sofa. Er trägt seine Sportklamotten, was mich vermuten lässt, dass er laufen gewesen ist. Ich bin einmal mitgekommen, er war aber so schnell, dass ich es sofort wieder aufgegeben hatte. Lukas stampft an uns vorbei und knallt seine Tür hinter sich zu. Ich drehe mich wieder zum Fernseher. „Ich glaub, ich rede mal mit ihm.", sagt Papa hinter uns. Luzie nimmt meine Hand und lächelt mich. „Ich hoffe das legt sich wieder.", sagt Luzie, als die Stille einen zu erdrücken drohte.

Beim Abendessen ist es noch stiller als sonst, keiner erzählt vom Tag und wenn jemand mal redet, verstummt das Gespräch sofort wieder. Luzies Augen ruhen besorgt auf ihrem Sohn, der lustlos in seinem Curry rum stochert. Lukas liebt Curry. Papa räuspert sich und schaut dann mit einem Lächeln in die Runde. „Ich wollte nur sagen, unsere Eltern wollen, dass wir sie mal wieder besuchen kommen sollen.", sagt er dann und schaut zu Lukas. Dieser schnaubt nur und schiebt sich einen riesigen Berg Reis in den Mund. „Mein Vater hat mich versetzt. Ich fahre morgen doch nicht zu ihm.", brummt er dann und Luzie und ich schauen ihn geschockt an. Dann ist es für ein paar Sekunden wieder still. „Aber warum das denn, ich dachte er hätte Großes mit dir vorgehabt?", fragt Luzie und ich nicke. Lukas hat sich so gefreut, als die Nachricht von seinem Vater kam. „Tja, er hat halt jemanden gefunden, mit der er lieber seine Zeit verbring, als mit seinem einzigen Sohn.", sagt er wütend. Luzie legt ihre Hand auf Lukas seine und schaut ihn mitleidig an. „Das tut mir leid. Aber freu dich doch, dann können wir zusammen das Wochenende verbringen.", sagt sie sanft und lächelt ihn warm an. „Trotzdem könnte er es auch gleich sagen, dass er kein Bock auf mich hat.", murrt Lukas und schiebt sich Curry und Reis in den Mund.

Als ich später im Bett liege, höre ich wie Luzie, Papa und Lukas sich gedämpft unterhalten. Ich kenne Lukas Vater nicht, denn er hatte noch nie die Zeit dafür gefunden zu Lukas seinen besonderen Festen, wie seine Einschulung, seine Jugendweihe oder sonst was, zu kommen. Dafür hasse ich seinen Vater, weil er nicht mal direkt an Lukas seinen Geburtstag denken konnte. Wenn er daran dachte, schickte er nur unpersönliche Dinge, wie Gutscheine für Gamestores oder so.

Ich schiebe mir meine Kopfhörer auf den Kopf und höre ein Hörspiel, weil ich das Gespräch nicht mithören soll, sonst hätten sie es vorhin beim Abendbrot besprochen.

Als eine Stelle kommt, wo das Mädchen ihren Schwarm Oberkörperfrei sieht, kommt mir Kadirs Oberkörper in meine Gedanken. Schnell versuche ich die Gedanken wieder beiseite zu schieben und denke lieber daran, dass wir dieses Wochenende zu Oma und Opa fahren. Aber es hilft nichts. Ist Kadir doch nicht so ein Arsch, wie ich immer dachte? Er hat mich lange nicht mehr geärgert. Sonst lässt er ja nie eine Gelegenheit aus, mich auf die Palme zu bringen. Hat er plötzlich Mitleid mit mir? Hat Lukas ihm vielleicht von meinen Ängsten erzählt und ist deshalb aus Mitleid netter zu mir? Ich presse meine Augen zusammen und murmle leise vor mich Physik Merksätze vor mich hin, damit ich mich auf was anderes konzentrieren kann. Das Hörspiel habe ich schon lange aufgegeben. Es macht mir Angst, dass Kadir mich so leicht verunsichern kann.

Nach einer gefühlten Ewigkeit schlafe ich ein.

Mittwoch, 05. Mai

Frustriert schüttle ich den Kopf. Das kann nicht richtig sein, denke ich und streiche den Rechenweg durch. Ich schiele zu meiner Sitznachbarin rüber und zerbreche mir den Kopf darüber, was das Lernen gestern eigentlich gebracht hat, wenn mein Blatt gerade nur aus durchgestrichenen Aufgaben besteht. „Noch zehn Minuten!", ruft der Lehrer und ich seufze. Verdammt. Ich blättere in meinem Tafelwerk rum und suche irgendeine Gleichung, die passen könnte. Hinter mir höre ich es leise lachen. Kadir, wer sonst. Ich verdrehe die Augen und beuge mich tiefe in das Tafelwerk. Ha, gefunden! Ich schreibe schnell die Gleichung auf und berechne die Aufgabe. „Hast wohl nicht gelernt, was?", fragt er und ich schnaube, ignoriere aber den Drang, mich umzudrehen und ihn wütend anzufunkeln. „Was geht dich das an?", fauche ich leise zurück und bin froh, dass der Lehrer gerade mit anderen Dingen beschäftigt ist. Er ist so alt, dass er nie mitkriegt, wenn sich irgendwer leise unterhält. „Ich will doch das nächste Jahr noch mit dir in einer Klasse sein.", sagt er spielerisch. Ich schnaube und wage doch einen Blick über die Schulter. Kadir trägt dieses jungenhafte Grinsen auf den Lippen, welches ich so liebe. Ich zeige ihm meinen längsten Finger, was ihn noch breiter Grinsen lässt. Er steht auf und geht zum Lehrer, um seinen Test abzugeben. Als er an mir vorbeiläuft, wirft er mir ein Zwinkern zu, bei dem wahrscheinlich die meisten Mädchen umgekippt wären, ich kommentiere es nur damit, dass ich die Augen verdrehe. „Arschloch.", murmle ich, als sein Fuß gegen meine Stuhllehne tritt. „Von hier hinten kann man super deinen süßen Hintern betrachten.", sagt er, als er sich vorgebeugt hat und sein Atem meine Haut am Hals streift. „Pass auf, sonst trete ich dir nachher noch in deinen süßen Hintern'.", flüstere ich warnend zurück und beende die Aufgaben. Geht doch.

What if I trust youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt