Ich goss mir gerade ein Glas Orangensaft ein, als James mit der Faust auf den Frühstückstisch schlug und sich wütend an Dylan wandte:
"Ich nehm' dir gleich dein blödes Buch weg, wenn du nicht endlich die Klappe hältst! Gestern Abend habe ich dich sogar abgefragt! Wir wissen alle, dass du die gesamten ersten drei Kapitel auswendig kannst, also krieg dich wieder ein! Du vergisst vielleicht nie was, aber falls es dir noch nicht aufgefallen ist: du hast noch nichts gefrühstückt!"
Und mit diesen Worten schaufelte er ihm zwei Spiegeleier, gebratene Tomaten und Würstchen auf den Teller. Dylan, der gerade wütend etwas sagen wollte, schlug jedoch bloß kommentarlos sein Buch zu und begann das Essen in sich hineinzustopfen.
Es war nämlich Montag Morgen und schon in der ersten Stunde würden wir bei Professor Graham zur Prüfung antreten müssen. Da es ja gleichzeitig auch eine Strafe war, erwarteten wir also alle das Schlimmste. Vor allem Dylan prophezeite bereits den bevorstehenden Weltuntergang und einen immensen Notenabfall. Doch zu meiner Überraschung hatte er mit keinem Wort erwähnt, dass er sich lieber nicht unserer Kollektivstrafe angeschlossen hätte.
Der Stoff war noch nicht allzu kompliziert, doch ich beschloss das Kapitel zur Sicherheit noch ein letztes Mal zu überfliegen. Ich öffnete also meine Tasche, die über meinem Stuhl hing, und griff ins Leere. Das Buch musste also noch auf unserem Zimmer liegen!
Fluchend erklärte ich meinen Freunden, was passiert war, und sprang auf. Dabei schubste ich beinahe Jake von seinem Stuhl, doch ich hatte es eilig, wenn ich den Stoff noch einmal wiederholen wollte.So schnell wie möglich lief ich die Stufen hinauf, doch meiner Eile wurde auf der Höhe des dritten Stockwerks ein Ende gesetzt. Ich stolperte nämlich über meinen geöffneten Schnürsenkel und wäre beinahe den Treppenabsatz hinuntergefallen, wenn ich mich nicht am Geländer festgehalten hätte. Peinlich berührt richtete ich mich wieder auf und sah mich um, doch scheinbar hatte niemand mein Missgeschick gesehen. Das dachte ich zumindest, bis lautes, helles Gelächter hinter mir ertönte.
Aus dem Gang, der zu den Räumlichkeiten der Professoren führte, trat Agatha Young hervor, offensichtlich damit beschäftigt mich auszulachen.
"Dürfen Lehrer sowas überhaupt? Sich über ihre Schüler lustig machen?" fragte ich leicht verzweifelt, woraufhin sie mir mit einem Kopfnicken bedeutete, dass sie mich begleiten würde. Also setzte ich mich verwundert wieder in Bewegung und gemeinsam stiegen wir die Treppe weiter hinauf.
Ich wusste nicht, was ich von Agatha erwarten sollte, doch ich beschloss, es darauf ankommen zu lassen. Also schwiegen für einen Moment und gingen stumm nebeneinander, als sie sich schließlich räusperte:
"Es war die Pfeilspitze des Stone-Mädchens, die verloren gegangen ist, nicht wahr?"
Erschrocken riss ich die Augen auf:
"Nein, es war nicht Debbies Schuld! Also, ich meine, wir haben alle gesagt, dass wir es waren! aber worauf ich hinaus will...-"
"Keine Sorge, der Direktor weiß von nichts. Außerdem hat er euren Teamgeist zu sehr geschätzt, um tiefer zu graben."
"Hat er das wirklich?", erwiderte ich überrascht, Agatha nickte.
"Arthur hat einige Macken, doch er ist ein fantastischer Schulleiter und seine Schüler bedeuten ihm viel. Es ist definitiv kein Fehler von ihm sich um eure Sicherheit zu sorgen, denn es ist wahrscheinlich der einzige Bereich seines Lebens, bei dem er sich nicht um das größere Wohl sorgt. Worauf ich hinaus will: provoziert seinen Drang euch zu beschützen nicht zu sehr. Dieses eine Mal habt ihr Glück gehabt. Doch solltet ihr euch in größere Gefahr bringen, kann ich euch garantieren, dass er vor weitreichenderen Strafen zurückschreckt."
Wir hatten das Ende der Treppe erreicht und Agatha war stehengeblieben. Sie sah mich nachdenklich an, dann schüttelte sie den Kopf:
"Die Zukunft wird ohnehin bringen, was sie bringen wird. Und dann wirst du sowieso jeden guten Rat in den Wind schlagen. Wir sehen uns im Unterricht, Miss Crowe!"
"Warten Sie, Professor...!" versuchte ich sie noch aufzuhalten, doch da rutschte sie schon auf dem Treppengeländer hinab und ließ mich mit mehr Fragen zurück, als ich ursprünglich schon gehabt hatte.So ging ich mein Buch holen und bald begann auch schon die erste Stunde. Bei der Prüfung schlugen wir uns alle recht passabel, auch wenn natürlich niemand an Dylan herankam, der den gesamten Stoff auswendig herunterratterte. Bis auf ein paar Fragen, die der Professor stellte, ähnelte es sehr einer Stundenwiederholung und war somit machbar.
Nach "Elementbeherrschung" stand "Beschwörungen" auf dem Stundenplan. Da wir in der letzten Stunde unsere Sicherheitseinweisungen abgeschlossen hatten, fieberte ich nun gespannt dem Unterricht entgegen: vielleicht begannen wir jetzt die wirklich interessanten Sachen zu lernen!
DU LIEST GERADE
Arcanum - die Akademie der Hexenkunst
FantasyAgatha Young sah mich nachdenklich an, dann blickte sie um sich und zog mich zu einem der Fenster. Mit einem Satz saß sie auf der Fensterbank und bedeutete mir es ihr gleichzutun. Also kauerte ich mich neben sie, woraufhin sich die Frau räusperte un...