Mit wenigen Schritten hatte ich schon das Fenster erreicht und riss es auf, woraufhin eine kühle Brise in das Zimmer blies. Ich schnappte nach Atem und sah hinab in die Tiefe, während sich mein Herzschlag langsam wieder beruhigte. Die Nachtluft Londons roch definitiv nicht so nach Frühling, wie es in meiner Heimatstadt der Fall war, doch eher störte mich, dass man hier die Sterne nicht sehen konnte.
Ich hörte zwar, wie die anderen hinter mir redeten, aber ich verstand keine einzelnen Worte. Meine Gedanken hatten in dem Moment zu rasen begonnen, als ich registriert hatte, dass die Beschwörung nicht funktionierte.
Was wenn der Erpresser uns nun etwas antat, weil wir versagt hatten?
Oder war es genau das gewesen, was er gewollt hatte?
Übersahen wir etwas?
War das Messer vielleicht gar nicht echt?
Was wäre, falls...
"Willst du auch eine?"
Überrascht sah ich auf. Mein Gedankenkarussell hatte gestoppt.
Neben mir am Fenster stand Jake, in der Hand eine geöffnete Packung Zigaretten, und sah mich verständnisvoll an. Ich fuhr mir über das Gesicht und sah noch einen Moment hinaus in die Dunkelheit, dann fragte ich meinerseits:
"Du rauchst? Wusste ich gar nicht."
Er lachte leise auf, griff in seine Hosentasche und holte ein Feuerzeug hervor. Dann zündete Jake die Zigarette, die er sich zwischen die Lippen geklemmt hatte, an, inhalierte und pustete den Rauch hinaus in die Nacht, bevor er antwortete:
"Nur wenn ich nervös bin und zu besonderen Anlässen. Ich würde behaupten, Jack the Ripper zu beschwören, trifft auf beides zu."
"Na gut, dann gib mir auch eine.", lachte ich leise, woraufhin er mir die Schachtel hinhielt. Er ließ sein Feuerzeug aufflammen und schon schickte ich ebenfalls den Qualm hinaus in die Nacht. Fasziniert sah ich ihm hinterher. Man könnte fast meinen, dass es nur graue Nebelschwaden waren.
"Du hast ja gar nicht gehustet.", meinte Jake, woraufhin ich mich mit hochgezogenen Augenbrauen zu ihm wandte. Er blickte mich so interessiert an, dass ich kurz woanders hinschauen musste, da mich seine grauen Augen so aus der Fassung brachten.
"Warum hätte ich husten sollen?", fragte ich, woraufhin er mit den Schultern zuckte:
"Irgendwie habe ich gedacht, dass es deine erste Zigarette ist."
"Nicht ganz, aber nah dran. Meine dritte."
Wir schwiegen und sahen auf die umliegenden Dächer hinab, als mein Blick wieder nach oben glitt:
"Weißt du, was ich an London wirklich nicht leiden kann? Man sieht die Sterne nicht. Wie viele von den alteingesessenen Großstädtern hier haben schon mal eine Sternschnuppe gesehen, was denkst du?"
Jake lächelte und fuhr mit den Fingern den Fensterrahmen nach:
"Bestimmt zu wenige."
"Ganz genau. Und deshalb sollte man...- Ups!"
Mir war der noch brennende Zigarettenstummel zwischen den Fingern hervorgerutscht, er fiel nun glimmend in die dunkle Tiefe. Mit leicht zusammengekniffenen Augen sah Jake dem leuchtenden Punkt hinterher, als er schließlich unten aufkam und verglühte.
"Du darfst dir was wünschen.", meinte er daraufhin, weshalb ich ihn verwirrt ansah.
"Naja, das war doch eine Sternschnuppe! Oder zumindest sowas ähnliches. Egal, los! Wünsch dir was!", erklärte er, woraufhin ich aufschnaubte:
"Ich wünsche mir, dass...!"
"Nicht sagen!", fiel mir Jake ins Wort und grinste breit, "Einfach machen."
Mit einem leisen Seufzen sah ich in den Himmel, schloss die Augen und wünschte mir sehnlichst, dass dieses ganze Chaos endlich ein Ende haben würde.
Als ich meine Augen wieder öffnete, hatte Jake schon wieder die Zigarettenschachtel in der Hand.
"Tabak ist ja schön und gut, aber auch irgendwie langweilig oder?", meinte ich, als auf einmal Flo hinter mir stand: "Sehe ich genauso. Ein Joint macht ohnehin mehr Spaß."
Dann blickte sie ebenfalls zum Himmel hinauf:
"Keine Sterne. Ziemlich enttäuschend."
Aufgeregt nickte ich mit dem Kopf:
"Genau das habe ich auch gesagt!"
"Dich interessiert das mit dem Himmel?! Wiederhol' nochmal, was du davor gesagt hast, Flo!", fiel mir Evan ins Wort, der aus dem Nichts hinter ihr aufgetaucht war. Er war so groß, dass Florence, wenn sie sich nach hinten gelehnt hätte, mit ihrem Kopf gerade so auf Höhe seines Schlüsselbeins gewesen wäre.
"Ich habe gesagt, dass ein Joint mehr Spaß als Zigaretten macht.", meinte sie, woraufhin er amüsiert eine Augenbraue hob und vielsagend grinste.
"Erzähl keinen Scheiß, Evan, hast du was da?", fragte ich erwartungsvoll und Florence klappte die Kinnlade runter.
"Du hattest die ganze Zeit über Gras hier und hast uns nichts gesagt?", hakte Jake im vorwurfsvollen Ton nach, doch seine Augen verrieten, dass er mehr gespannt als sauer war.
"Ich ziehe doch nicht in ein neues Internat und lasse meinen Kram Zuhause bei meiner Mum. Sie ist eine furchtbare Schnüfflerin und ich bin nicht lebensmüde.", erklärte er, und Flos Augen begannen zu funkeln:
"Du hast doch nicht zufällig Lust uns...-?"
"Immerhin haben wir gerade eine extrem schwere Beschwörung durchgeführt, und auch wenn sie nicht geklappt hat, haben wir uns das verdient!", fiel ihr Jake ins Wort.
Nachdenklich sah uns Evan der Reihe nach an, er schien zu überlegen.
"Ihr habt also alle schon mal?"
"Familientreffen, ich habe einen ziemlich netten Cousin, der mit mir hinter dem Schuppen meiner Oma gekifft hat.", antwortete ihm Flo, woraufhin lachen musste.
"Bei mir war es bei einem Ausflug in den Sommerferien. Da war so ein nettes Mädchen mit ihrem Bruder und... Ach, ist ja eigentlich egal. Dürfen wir?", fügte ich hinzu, woraufhin sich Evan zu den anderen drehte, die immer noch auf dem Boden saßen und diskutierten:
"Na? Wer von euch hat Lust auf einen Joint?"
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Arcanum - die Akademie der Hexenkunst
FantasyAgatha Young sah mich nachdenklich an, dann blickte sie um sich und zog mich zu einem der Fenster. Mit einem Satz saß sie auf der Fensterbank und bedeutete mir es ihr gleichzutun. Also kauerte ich mich neben sie, woraufhin sich die Frau räusperte un...