Jetzt war ich sprachlos. Natürlich nicht, weil Debbie auf Mädchen stand, es hätte mich genauso überrascht, wenn es Dylan gewesen wäre, den sie mochte. Nein, es war eher der Umstand, dass ich absolut nichts davon gemerkt hatte.
„Und was genau ist das Problem, das dich bedrückt?", fragte Flo vorsichtig nach, während ich im Geiste jede Interaktion zwischen Debbie und June durchging, die ich in den letzten Wochen beobachtet hatte. So ahnungslos konnte ich doch wirklich nicht sein!
„June... Sie ist doch offensichtlich in Dylan verknallt, oder?", schniefte Debbie leise, während Sam ihr unentwegt den Rücken tätschelte. Diese Aussage riss mich aus meinen Gedanken:
„Aufgrund von welchen Fakten denkst du das? Hat June das gesagt?"
„Nein, aber man merkt sowas doch!", erwiderte sie.
Ich schnaubte laut auf, derartiges Schwarzsehen ohne Fakten brachte mich immer in Fahrt:
„Meine liebe Debbie, außer am ersten Abend hier machen die beiden nie was gemeinsam. Es ist immer er der rot wird und nicht sie, außerdem ist June zu uns allen nett. Von den Leuten, die nicht in ihrem Zimmer sind, verbringt sie aber am meisten Zeit mit dir!"
Eifrig nickte nun auch Flo:
„Da hat sie Recht, Debbie! Denk allein mal an vorhin: sie hat dich als Helena vorgeschlagen! Die schönste Frau Griechenlands! Du solltest das alles nicht als so endgültig und negativ betrachten."
Nachdenklich sah Debbie auf das Taschentuch in ihrer Hand hinab, als uns auch Sam
beipflichtete:
„June kann dich auf jeden Fall gut leiden, das wissen wir sicher!"
„Ich muss sowieso abwarten, denn meine Gefühle kann ich nicht abstellen und darauf ansprechen werde ich sie auch nicht.", murmelte Debbie, doch sie weinte nicht mehr.
„Naja, du kannst schon etwas tun. Du kannst da raus gehen und Helena so gut spielen, dass die Echte ganz neidisch geworden wäre.", ermutigte ich sie, woraufhin sie lachen musste:
„Na dann, lasst uns wieder runtergehen! Sonst bekommen wir nur die blöden Rollen ab, die keiner haben will."Als wir wieder in Emilys Zimmer auftauchten, platzten wir gerade in eine heftige Diskussion hinein.
Mehrere Leute schienen auf Evan einzureden, der jedoch nicht besonders glücklich aussah.
„Ich spiele ganz bestimmt nicht Zeus! Es ist mir egal ob er ein Gott ist, ich will nicht die Rolle von jemandem, der halb Griechenland flachgelegt hat!", verteidigte er sich, als wir uns neben Jake und Dylan auf den Boden setzten.
„Gibt es irgendetwas Neues?", fragte Sam leise, woraufhin Jake lachend erwiderte:
„Ja, James hat die Rolle von Achilles bekommen und er geht total darin auf! Und June ist seine Mum, Thetis. Deshalb hat er uns auch verlassen und sitzt jetzt bei ihr, um das Mutter-Sohn-Band zu stärken."
„Und er will unbedingt Evan als seinen Patroklos, womit der sogar einverstanden wäre. Aber Connor möchte Evan die Rolle von Zeus andrehen, weshalb gerade niemand glücklich ist.", erklärte Dylan weiter. Gerade als ich antworten wollte, entdecke Emily, dass wir wiedergekehrt waren, und flüchtete erleichtert von den Diskutierenden.
„Gut, ihr seid wieder da! Wollt ihr hören, was wir für euch geplant haben?"
„Solange es nicht so ausgeht wie mit Evan, gerne.", antwortete Florence ein wenig unterkühlt, woraufhin Emily so wild den Kopf schüttelte, dass ihre blonden Haare durch die Luft wirbelten.
„Wir zwingen niemanden zu irgendetwas, Connor wird sich auch wieder einkriegen. Ich kenne ihn. Außerdem passt Patroklos sowieso besser zu Evan als Zeus.", dann wandte sie sich an Debbie:
„Wirst du eigentlich unsere Helena?"
Mit einem schüchternen Lächeln nickte Debbie und ich war so stolz, dass ich sie am liebsten umarmt hätte.„Das freut mich sehr! Gut, dann haben wir Sam als Penthesilea, Debbie als Helena, ... Es fehlen nur noch Charlie und Florence!", rief Emily triumphierend und wandte sich an uns.
„Ihr habt mir beide gesagt, dass ihr keine allzu große Rolle wollt. Also habe ich mir gedacht, ihr könntet jeweils eine der Göttinnen spielen. Charlie als Athene und Florence als Aphrodite?"
Damit waren wir einverstanden, vor allem als wir sahen, dass wir keine langen Dialoge zugeteilt bekommen hatten.
Doch noch mehr freute ich mich für Evan, der sich plötzlich mit einem breiten Grinsen neben Flo fallen ließ, dicht gefolgt von James. Aufgeregt legte er die Hände auf Evans Schultern und schüttelte ihn durch, während er fragte:
„Bist du mein Patroklos, getreuer Freund? Hast du die Rolle?"
„Ja Achilles, ich hab's geschafft!", lachte Evan und erlitt wahrscheinlich gerade ein Schleudertrauma.
„Ich hoffe doch ihr fühlt euch in die Homoerotik zwischen Achilles und Patroklos rein, wenn nicht bin ich enttäuscht!", meinte Sam, woraufhin ich vor Lachen nach hinten umkippte.
"Keine Sorge!", grinste James, "Die Homoerotik wird Nietzsche von den Toten auferstehen lassen."
Ich lachte noch heftiger und brachte nur unter Anstrengung hervor:
"Meinst du nicht Sigmund Freud?"
James zuckte nur mit den Achseln:
"Nietzsche, Freud, Schopenhauer, Marx, irgendein schlauer Typ mit Komplexen eben."
„Wen spielt ihr eigentlich?", fragte Flo und wandte sich an Dylan und Jake.
„Hektor, das heißt ich kämpfe gegen James, weil er Achilles ist, und ich töte Evan.", erklärte Dylan, woraufhin ich wieder zu Lachen anfing.
„Und wer spielt den trojanischen Prinzen Paris? Das ist wichtig für uns, hörst du?", fragte Flo und stupste mich an, woraufhin ich mich wieder ein wenig beruhigte.
„Das macht Jake, nicht wahr? Ihr müsst doch zugeben, dass es einfach wunderbar zu ihm passt!", ertönte eine Stimme hinter uns und das Mädchen, mit dem June hergekommen war, ließ sich neben uns auf dem Boden nieder. Sie hatte lange, hellbraune Haare, die so weich aussahen wie Rehkitz-Fell, und dunkle, schokoladenbraune Augen mit goldenen Sprenkeln.
Jetzt fiel mir auch wieder ein, wie sie hieß:
„Hi, Clover!", begrüßte Jake sie und lächelte.
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Arcanum - die Akademie der Hexenkunst
FantasyAgatha Young sah mich nachdenklich an, dann blickte sie um sich und zog mich zu einem der Fenster. Mit einem Satz saß sie auf der Fensterbank und bedeutete mir es ihr gleichzutun. Also kauerte ich mich neben sie, woraufhin sich die Frau räusperte un...