Kapitel 51

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Etwa eine Stunde später, als sich die Dunkelheit über Saltcliff gelegt hatte, riefen uns die Lehrer zu den aufgestapelten Scheiterhaufen. Die hatte ich in der Aufregung ganz vergessen, doch deshalb freute ich mich nun um so mehr auf das Spektakel. Doch als die Menge der Schüler langsam auf die Holzhaufen zuströmte, löste ich mich von der Gruppe meiner Freunde.
Ich hatte etwas zu erledigen.

Nervös suchte ich das Gedränge ab, bis ich sie endlich etwa zehn Meter von mir entfernt entdeckte. Sie spazierte gemeinsam mit June, Elizabeth und Erika in die Richtung des Hauses.
"Hey, Clover!", rief ich leise nach ihr, woraufhin sie sich zu mir umdrehte. Ich winkte sie zu mir heran, woraufhin sie etwas zu June sagte und dann zu mir kam. 
Ich lächelte sie entschuldigend an und begann:
"Wir müssen über das vorhin reden."
Clover legte den Kopf schief und nickte, bevor sie meinte:
"Du weißt, dass du mir nichts schuldig bist, oder?"
Verwirrt zog ich die Augenbrauen zusammen:
"Wie genau meinst du das?"
Sie seufzte leise und lächelte mich an:
"Charlie, ich stehe schon seit Monaten auf dich und da ist mir natürlich aufgefallen, dass zwischen Jake und dir was läuft. Ich habe mich damit abgefunden, auch wenn ich dich natürlich immer noch mag."
"Das ist ...gut.", antwortete ich, überrascht davon, dass die Situation unkomplizierter als gedacht war.
"War es unfair von mir, dass ich dich zurück geküsst habe?", fragte ich trotzdem weiter.
Jetzt verzog sich Clovers Lächeln zu einem Grinsen:
"Nein, es war schön. Es hat sich richtig in diesem Moment angefühlt."
 Nun musste ich ebenfalls lachen:
"Ich glaube, ich werde das nie vergessen können."
Wir standen schon wieder näher zusammen als vorhin und ich konnte beinahe spüren, wie sich die Spannung aufbaute, als Clover den Kopf schüttelte und woanders hin sah:
"Aber nochmal kann ich das nicht, Charlie. Sonst fängt es an weh zu tun." 
"Es tut mir wirklich Leid. Ehrlich.", antwortete ich und meinte es von ganzem Herzen. 

Als ich zur Gruppe zurückkehrte, war Graham gerade mit seiner Ansprache fertig und ich völlig ahnungslos darüber, was nun passieren würde. 
"Was hat er gesagt?", flüsterte ich Flo über die Schulter zu, die wegen meinem plötzlichen Auftauchen zusammenzuckte. 
"Wir zünden jetzt diese Dinger da an und müssen einen Kreis darum bilden.", erklärte sie, um mich dann neugierig zu mustern:
"Wo warst du?"
"Ein paar Sachen klären.", antwortete ich, während das Gedränge wieder begann und wir versuchten nebeneinander in der Reihe zu landen. 

Das Gemurmel, das sich mit dem Ende der Ansprache erhoben hatte, erstarb wieder, als Graham vortrat. Er hatte seine Hände wie zu einer Schale geformt und darin loderten Flammen, die Schatten auf seine scharfen Gesichtszüge warfen. Der Himmel hatte sich verdunkelt und der Professor legte die Flammen vorsichtig wie ein verletztes Vogeljunges in dem Reisig ab, der zuunterst lag. Das Feuer leckte knisternd an dem Zunder und die Hitze schlug mir ins Gesicht, als immer mehr der Zweige Feuer fingen. Es waren sieben Scheiterhaufen, so im Kreis aufgestellt, dass die Mitte frei blieb. Meinem Gefühl nach war das Absicht, ein wenig, als ob wir noch jemanden erwarten würden, der dort Platz fand. 
Es sah hypnotisch aus, wie sich die Flammen immer weiter ausbreiteten und die Funken in den dunklen, mit Sternen übersäten Himmel aufstiegen. Der Geruch von Rauch, frischem Heu und dem unverkennbaren Duft nach Sommer erfüllte die Luft. 

Gerade, als ich gedacht hatte, dass die Stimmung nicht noch feierlicher werden konnte, ertönte der Klang von Trommeln. Der riesige Kreis aus Menschen begann sich langsam in Bewegung zu setzen und ich beobachtete, wie sich die anderen an den Händen nahmen. Beinahe automatisch verschränkten sich meine Finger mit denen von Flo, während Evan auf der anderen Seite nach meiner Hand griff. Das Gras fühlte sich weich unter meinen Füßen an, als wir uns mit dem Rhythmus der Trommeln immer schneller bewegten. Meine Haare flogen, während sich der Kreis immer weiter drehte. Ich konnte die Augen nicht von den hoch lodernden Feuern abwenden. Je lauter die Trommeln wurden, desto weniger hatte ich ein Zeitgefühl, vor allem, da ich keine Erschöpfung verspürte. 

Es war ein Gefühl, wie ich es schon einmal ganz ähnlich erlebt hatte. Als ich den Wind gerufen hatte, war da diese Berührung mit etwas ungreifbar Göttlichem gewesen. Mit etwas, das älter als die Welt selbst war. Und nun flutete diese Empfindung meinen Kopf, löschte meine menschlichen Schwächen aus und ließ mich knapp über dem Boden schweben.
Es war wie eine Droge.

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