Kapitel 50

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"Hey, vielleicht solltest du das heiße Mädchen langsam wieder loslassen und zu dem Theaterstück gehen, in dem du in wenigen Minuten spielst?"
So in etwa klang, was mir mein Gehirn mitteilte, als Clover und ich uns immer noch küssten. 
"Klappe, ich weiß nicht ob ich aufhören will.", war, was ich antwortete.
Anscheinend war Clover jedoch schlauer als ich, denn sie war es, die plötzlich den Kopf zurückzog. 
"Wir sollten besser gehen, ich hab' nämlich Angst vor Connor.", meinte sie atemlos, woraufhin ich nickte und ihr ein letztes Mal über die Haare fuhr, um zumindest ein bisschen zu vertuschen, dass wir gerade geknutscht hatten.
Im Laufschritt liefen wir zwischen den Zelten hindurch und auf die Bühne zu, um uns dann an dem Holzrahmen vorbei zu mogeln.

"IN DREI MINUTEN GEHT'S LOS!", brüllte Emily laut, wofür ich in diesem Moment sogar ziemlich dankbar war. Das hieß, dass ich noch Zeit hierfür hatte.
"Flo, schnell! Komm her!", flüsterte ich ihr zu, woraufhin sie sich mit einem verwirrten Gesichtsausdruck zu mir stellte.
"Was ist los?", fragte sie alarmiert.
"Ich hab' mit Clover geknutscht."
"WAS!?"
"Hey, nicht so laut!", ermahnte ich sie, woraufhin sie ihre Stimme senkte und mich schockiert ansah:
"Clover, die eigentlich auch auf Jake steht?"
Ich zuckte nur mit den Achseln:
"Scheinbar schon."
"Wieso kommst du dazu...?"

"Hey, Athene und Aphrodite, ihr seid nicht auf euren Plätzen!", rief uns irgendjemand zu, weshalb wir schnell dorthin liefen, wo man uns haben wollte. Dort standen nun wir, die drei Göttinnen: Clover, ich und zwischen uns Florence.
"Bereit?", flüsterte Emily und am liebsten hätte ich mit dem Kopf geschüttelt, doch da hob sich schon der Vorhang und sie begann mit ihrem Prolog:
"Es begab sich zu der Zeit des alten Griechenlands, dass die Göttin Thetis und der König Peleus Hochzeit feierten..."

Das Gute an meiner Rolle war, dass sie nur in der ersten Szene viel sagen musste und dann für längere Zeit nicht vorkam. Doch gerade hätte ich jede Figur lieber gespielt als die Athene. Der Grund dafür waren all die anderen Charaktere, die in diesem Moment auf der Bühne standen:
Dort waren Clover, die ich gerade geküsst hatte, Jake, den ich auch geküsst hatte, Flo, die davon wusste, und ich.
Zumindest hatte Jake zuerst hinter dem beleuchteten Laken gestanden, das die Grenze zwischen der Götter- und Menschenwelt bildete. Doch dann holte ihn Hermes hervor, damit er das Urteil erteilen konnte. 

Mir stockte der Atem und ich spürte, wie mein Puls hämmerte, als ich versuchte zu ignorieren, dass dort die gesamten Schüler und Lehrer des Arcanums saßen und uns zusahen. Die meisten saßen auf Decken und ich konnte Popcorn riechen, das wohl jemand verteilt hatte. Den Lehrern hatte man Stühle zurechtgestellt, auf denen sie nun thronten. Es fühlte sich furchtbar unangenehm an, wie beinahe jedes der vielen Augenpaare auf uns gerichtet war. Unsere Bühne war etwa vier Meter lang, zwei Meter breit und knarzte bei jedem Schritt, was noch penetranter klang, da es sonst ziemlich still war.
Ich durfte bloß nicht meinen Einsatz verpassen, dann würde alles gut laufen. 

Doch zuerst kam Clover dran:
"Ich weiß, dass du dich längst für mich entschieden hast, Paris, doch ich spüre deine Furcht vor dem Zorn meiner Rivalinnen. Aber bedenke, ich sitze neben Zeus auf dem Götterthron und kann Tag und Nacht, selbst im furchtbarsten Sturm, meine schützende Hand über dich halten."
Ihre Stimme hallte klar und selbstbewusst über die Bühne, während die Abendsonne den perfekten Scheinwerfer für sie bot.
Ich atmete zitternd ein und trat einen Schritt vor, so wie es mir Connor erklärt hatte:
"Bedenke, Paris, dass mich keines Weibes Schoß geboren hat, sondern ich waffenklirrend dem Haupt des Göttervaters entsprungen bin! Somit bin ich seine Lieblingstochter.
So sehr meine Widersacherinnen dir auch drohen mögen, keine wird dir Schaden zufügen können, selbst Hera nicht!"
Obwohl ich eigentlich ein wenig unsicher war, es fühlte sich so richtig an die Worte zu sagen. Immerhin spielte ich Athene! Ich sollte zumindest probieren ihr gerecht zu werden.
"Sprich mir den Apfel zu und ich werde dich zum weisesten Mann der Welt und zum Sieger aller Schlachten machen! Bis in die Ewigkeit wird das Volk deinen Namen preisen, Prinz Paris, der Klügste und Siegreichste von allen!"
Dabei sah ich Jake so fest wie möglich an und er erwiderte den Blick wie jemand, der vor einer halben Stunde gekifft hatte.
Kein Wunder, dass seine Entscheidung einen Krieg nach sich zog, wenn er dabei high war.

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