Kapitel 37

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Der Regen trommelte lautstark gegen das Glasdach des Astronomielabors, als Flo, Evan und ich uns erneut daran machten den Raum zu renovieren. Doch der Unterschied zum letzten Mal: wir hatten unsere Freunde mitgeschleift.

„Du lernst jetzt nicht wirklich, oder?", fragte Sammy befremdet und sah Dylan dabei zu, wie er seine Bücher und Mitschriften auspackte. Er hatte einen der ausrangierten Schultische aufgerichtet und ihn penibel abgewischt, um sich dann mit gerade durchgestrecktem Rücken dahinter niederzulassen.
„Ich habe nie versprochen, dass ich helfen werde. Außerdem ist alles schon durchgeplant: ich mache jetzt meine Hausaufgaben und dann lerne ich noch eine halbe Stunde lang meinen Theatertext.", verteidigte er sich, woraufhin ihm James auf die Schultern klopfte:
„Lass dich bloß nicht stören, Dylan. Keiner von uns will deine Zwangsneurosen durcheinander bringen."
"Und wir wollen natürlich auch nicht, dass du wegen deiner Stauballergie stirbst.", fügte Jake hinzu, der auf Dylans anderer Seite stand und seine Lernmaterialien mit einem Blick musterte, als ob er darüber nachdachte sie anzuzünden. 
Wütend rückte er seinen Bücherstapel gerade und sah vom einem zum anderen:
"Ich habe es euch schon mehrmals gesagt, es ist keine Stauballergie! Es ist eine Hypersensibilisierung gegenüber dem Kot von Hausstaubmilben und...-"
"Hört auf ihn zu ärgern!", rief Debbie von der Holzkonstruktion herunter, wo sie gemeinsam mit Flo und Sammy die Müllsäcke füllte. Der Großteil der Sachen war kaputt und ausrangiert, es wurde nicht verheimlicht, dass wir uns hier auf der Müllhalde der Akademie befanden. 
"Sicher, sicher.", meinte Jake und wandte sich von seinem Freund ab, um hinüber zu einem flachen und sehr verstaubten Regal zu gehen, auf dem ich mit baumelnden Beinen saß. Dort hatte Jake vorhin seinen Plattenspieler abgestellt, den er mitgebracht hatte, da er laut eigener Aussage ohne Musik nicht helfen würde. 

"Ich habe eine Steckdose für dich gefunden!", informierte ich ihn ein wenig zu enthusiastisch und sah ihm dabei zu, wie er sehr vorsichtig eine Staubfluse von der Oberfläche wischte.
"Kannst du dann bitte den Plattenspieler anschließen?", fragte er gedankenverloren, woraufhin ich nickte und nach dem langen Kabel griff. Mit einem Satz hüpfte ich von dem Regal und kniete mich einen Meter weiter auf den Boden, wo hinter einem alten, zusammengerollten Teppich zwei Steckdosen hervorschauten. Beherzt drückte ich den Stecker hinein, als es funkte und der Geruch von verbranntem Plastik aufstieg. Erschrocken wich ich zurück und stieß gegen Jake, der alarmiert fragte:
"Scheiße, ist irgendetwas passiert?"
"Kommt drauf an, machst du dir Sorgen um mich oder den Plattenspieler?", erwiderte ich, woraufhin er die Augenbrauen zusammenzog und meinte:
"Das ist keine Entscheidung, vor die man mich stellen sollte."
"Habt ihr irgendetwas angezündet?", rief Dylan mit leicht panischer Stimme von seinem Platz aus, woraufhin Jake irgendetwas von "Ja, deinen Notizblock, wenn du so weiter machst...", murmelte und sich wieder dem Plattenspieler widmete. 
Doch da wenige Sekunden später die Anfangstöne von Know Your Rights, dem ersten Song auf dem The-Clash-Album Combat Rock, ertönten, schien die Steckdose keinen Schaden angerichtet zu haben. 

So schloss ich mich endlich meinen Freundinnen an, die bereits große Teile der Holzkonstruktion entrümpelt hatten, um ihnen zu helfen. Jake, James und Evan hatten inzwischen begonnen die herumstehenden Möbel zu inspizieren und was nicht mehr zu gebrauchen war, wurde an eine markierte Stelle getragen, wo Professor Finch sie abholen würde. Er hatte uns nämlich angeboten, den überflüssigen Plunder fachgerecht zu entsorgen. Doch obwohl große Teile davon nicht mehr zu gebrauchen waren, fanden sich auch einige wenige Schätze unter der zentimeterdicken Staubschicht:

"Hey Debbie, hilfst du mir beim Tragen?", rief ich meine Freundin zu mir, während mein Blick immer noch auf den abgewetzten Holzrahmen gerichtet war, der zwischen einer zerbrochenen Lampe und einem ausrangierten Waschbecken klemmte.
"Was hast du gefunden?", fragte Debbie, woraufhin ich endlich aufsah. Sie stand neben mir, erschöpft an die Holzbande gelehnt und ein violettes Tuch um ihre schwarzen Locken gewickelt. Ihre Wangen waren leicht gerötet und ihre grünbraunen Augen funkelten von der Anstrengung, sie sah wirklich hübsch aus.
"Ich glaube, es ist ein Gemälde oder so etwas, ich kann es nicht erkennen. Aber alleine kann ich es nicht herausziehen, ohne dass dieser gesamte Kram herunterfällt.", erklärte ich, woraufhin sie nickte und sich vorbeugte, um den Lampenstiel zu umfassen. 
"Bereit?", fragte sie und ich nickte, um mit einem Ruck an der Kante des Rahmens zu ziehen. Staub wirbelte auf, wobei ein breiter, beinahe blinder Spiegel zum Vorschein kam. 
"Wir sollten ihn zu den Bücherstapeln stellen, der ist noch zu was zu gebrauchen.", meinte Debbie und strich mit verliebtem Blick über die dicke Dreckschicht. Ich nickte und sah dabei zu, wie sich auf der Oberfläche die Regentropfen spiegelten, die auf das Glasdach prasselten.

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