"Selber Schuld."
"Technisch gesehen ist es Grahams Schuld."
"Technisch gesehen bist du ein Arschloch."
Jake drehte den Kopf zu mir hinter und grinste breit, während ich ihm hinunter zu der Sandfläche folgte:
"Stimmt."
Ich unterdrückte den Impuls ihn zu treten, damit er die restlichen Stufen hinunterfiel, und versuchte auszublenden, dass uns die ganze Klasse beobachtete. Es wäre sinnlos gewesen so zu tun, als ob ich nicht nervös wäre.
Von oben hatte das Feld der Arena kleiner ausgesehen, doch nun, da ich mit einem Satz über den Wassergraben gehüpft war, nahm es ganz andere Dimensionen an. Die Stimmen der Schüler drangen wie ein Rauschen an mein Ohr, als ich mich zu der Stelle begab, die der Professor markiert hatte. Seit Ewigkeiten war ich nicht mehr so aufgeregt wie jetzt gewesen.
Mein Mund fühlte sich trocken an und ich war unsicher, wie ich dastehen sollte. Ich fühlte mich beobachtet und die Tatsache, dass mich Jake nicht aus den Augen ließ, machte die Sache auch nicht besser.
Er sah angespannt aus, doch nicht auf die ängstliche Art und Weise. Mehr wie ein Tier, das sich zum Sprung bereit macht. Ich konnte nicht deuten, was mich mehr aus der Fassung brachte:
Die Angst vor seinen Feuerzaubern, oder die Intensität seines Blicks, die mich an eine sehr andere Situation zwischen uns erinnerte.
Meine Beine hatten sich in Wackelpudding verwandelt und im Stillen verfluchte ich die Schuluniform. Ein falscher Windzauber und die gesamte Klasse hatte freie Aussicht unter meinen Rock.
Ich war mir sicher, dass jeder sehen konnte, wie sehr meine linke Hand, in der ich den Zauberstab hielt, zitterte."Mr. Sawyer, Miss Crowe, machen Sie sich bereit!", kommandierte Professor Graham und hob seine Hand. Am liebsten wäre ich weggerannt, doch bevor ich etwas dagegen tun konnte, ertönte schon der laute KNALL!
Adrenalin jagte durch meinen Körper und löschte alles, was ich bisher im Kopf gehabt hatte, so zuverlässig wie ein Bombeneinschlag.
Anstatt zu zaubern machte ich zwei Schritte zurück, was unglaublich dämlich war. So näherte ich mich nicht nur der Linie, sondern gab Jake auch noch die Gelegenheit für seinen ersten Zauber:
"tempestas!", knurrte er und schwang den Stab durch die Luft, woraufhin ich einen Meter zurückgedrängt wurde und fast hinfiel. Empört riss ich den Mund auf. Dieser Verräter! Er wusste ganz genau, dass ich eine Windhexe war und meine Windzauber eigentlich stärker sein sollten als seine. Das war reine Provokation!
Am liebsten hätte ich es ihm auf gleiche Weise heimgezahlt, doch mir war klar, dass ich es bei den Feuerzaubern niemals mit ihm aufnehmen konnte.
Deshalb sollte er sie so lang wie möglich nicht einsetzen können!
Gereizt deutete ich mit meinem Zauberstab auf die mit Wasser gefüllte Furche und rief "fluctus!", woraufhin sich geringe Teile davon lösten und in die Luft stiegen. Angestrengt versuchte ich sie zu halten, doch ich spürte bereits jetzt, wie sie mir entglitten.
"fluctus, verfickt nochmal!", fluchte ich, woraufhin ein letzter Ruck durch die Wassertropfen ging und sie auf uns niederregneten. Etwa die Hälfte des Sandes, Jakes rechte Schulter und ich wurden durchnässt, doch für meinen Plan war das eindeutig zu wenig. Um ihm die Feuerzauber zu erschweren, müsste die gesamte Arena nass sein. Immerhin war es so ein wenig schwerer mich anzuzünden.Das Wasser war kalt gewesen und meine dunklen Haare hingen mir nass und strähnig ins Gesicht, doch so kehrte langsam wieder meine Fähigkeit logisch zu denken zurück. Leider wurde mir so schnell klar, dass mein BH, den man wahrscheinlich durch das nasse Hemd sah, mein geringstes Problem war.
Jake hatte sich entspannt wieder in Position gebracht und sah mich immer noch an, um dann den Zauberstab zu heben. Ich konnte nicht hören, was genau er sagte, doch es musste der offensive Erdzauber gewesen sein.
Umherliegende Steine erhoben sich in die Luft und sausten auf mich zu, woraufhin ich das erste Wort brüllte, das mir einfiel:
"orior!"
Ich hatte Glück. Es war der defensive Erdzauber, weshalb die Größten der Steine, die auf mein Gesicht zuflogen, in der Luft hängen blieben. Trotzdem knallten mir ein paar der Kiesel gegen den Kopf und ich spürte einen stechenden Schmerz an meiner linken Wange. Ich ignorierte die Tränen, die reflexartig aufstiegen und entfernte mich wieder von der weißen Linie, der ich gefährlich nah gekommen war.
Ich konnte sehen, wie sich Jake in Bewegung setzte und auf mich zu ging, woraufhin ich nervös wurde. Wollte er mich wieder angreifen?
Mit kratziger Stimme murmelte ich:
"aura!"
Eine leichte Windböe kam vor mir auf und bildete ein provisorisches Schutzschild, vor dem Jake stehen blieb. Auf die Distanz hatte ich seinen Gesichtsausdruck nicht deuten können, doch nun sah ich, dass er beinahe besorgt dreinblickte.
"Charlie, du blutest. Sollen wir aufhören?", fragte er so leise, dass es die anderen nicht hören konnten.
"Nein!", fauchte ich, doch meine Stimme klang verheulter, als ich wollte. Ich war zu stolz um jetzt schon aufzugeben.
"Hör mal, ich will nicht, dass du...!"
"aura!", schrie ich erneut und hoffte, dass mir mein Talent vielleicht doch zugute kam. Jake wurde von dem Schutzschild zurückgestoßen, woraufhin er den Zauberstab hob und "uredo!" murmelte, der offensive Feuerzauber.Die Flammensäule war nicht auf mich gerichtet, sondern auf den nassen Sand unter unseren Füßen und die Rinne, angefüllt mit dem restlichen Wasser. Vermutlich war es für ihn der neutralste Weg gewesen um Zeit zu schinden, doch mich trieb es in den Wahnsinn. Es zischte laut und sofort stieg heißer Dampf auf, der die Arena einhüllte. Versuchsweise hob ich meine Zauberstab-Hand, doch ich konnte nichts sehen. Ich hörte die anderen Schüler rufen und dann Graham, wie er kommandierte:
"Brechen Sie das Duell ab!"
Doch ich konnte nicht. Ich war furchtbar in Elementbeherrschung, verlor gerade gegen Jake, wurde vor allen anderen erniedrigt und erhielt dafür eine schlechte Note.
Ich war wütend und verletzt.
"NEIN!", brüllte ich in die ungefähre Richtung, in der ich den Professor vermutete, ahnungslos, was ich nun tun sollte.
Zitternd atmete ich ein und wieder aus.
"Wenn du gewinnen willst, dann lass' dich von dem leiten, was du fühlst."
Das waren Agathas Worte gewesen.
Ich wollte gewinnen.Wie in Trance hob ich den Zauberstab, immer noch blind und orientierungslos. Erneut sog ich die Luft ein, spürte wie sich meine Lungen füllten und schloss die Augen.
"ventus"Es war, als würde sich der Sturm, der in mir getobt hatte, nach außen verlagern. Der Wind pfiff laut und trieb den Dampf aus der Arena, so heftig, wie es nur Orkane der Windstärke 12 können. Der Sand wurde aufgewirbelt und stob auseinander, weit entfernt hörte ich jemanden aufschreien. Es tobte das Chaos, doch nicht dort, wo ich stand: im Auge des Sturms.
Ich hörte das Brausen der Windböen und ein lautes Krachen und Klirren, das Quietschen von Fensterangeln und weitere Schreie. Meine Haare flogen in alle Richtungen und Tränen liefen mir über die Wangen, während mich ein Gefühl durchdrang, das so alt war wie die Welt selbst. Ich befürchtete zu explodieren, wenn es noch länger andauern würde. Es war göttlicher als das bloße Fliegen mit den Besen und gefährlicher als ich erwartet hatte. Ich konnte nicht zuordnen ob es wehtat oder nicht, selbst das Zeitgefühl war mir verloren gegangen. Dort waren nur das Element und ich.
Gerade als ich befürchtete, mich gleich in mir selber zu verlieren, flaute der Wind wieder ab und die Sandkörner fielen zu Boden. Erst als ich ausatmete, bemerkte ich, dass ich die ganze Zeit über die Luft angehalten hatte.
Wo vorher noch geschrien worden war, herrschte nun dröhnende Stille, doch ich schenkte den Sitzreihen keine Beachtung.
Langsam überquerte ich das Feld und blieb vor Jake stehen, der zusammengesunken an die Wand gelehnt war. Sandkörner hingen in seinen dunklen Haaren und er war blass, doch sonst schien es ihm gut zu gehen.
"Du bist außerhalb der weißen Linie.", krächzte ich überflüssigerweise und er nickte, bevor ich hinzufügte:
"Und du lebst noch."
"Kling' bloß nicht zu enttäuscht, man könnte sonst denken, du magst mich nicht."
Ausgelaugt hielt ich ihm die Hand hin und zog ihn auf die wackeligen Knie, wobei sein Blick auf meinen Zauberstab fiel.
"Schau mal!", rief er überrascht und ungläubig hob ich den Stab höher, damit wir ihn besser sehen konnten.
Frisch eingebrannt prangte dort eine etwa daumennagelgroße Formel, deren Bedeutung ich nur zu gut kannte: ich hatte den Namen des Windes gerufen und er war zu mir gekommen.Ich war Jake dankbar dafür, dass er meine Hand nicht losließ, als wir langsam die Stufen der Arena hinaufstiegen. So hatte ich etwas zum festhalten, da ich mich immer noch so zerrissen wie noch nie in meinem Leben fühlte. Erst als wir vor Graham zum Stehen kamen, begriff ich wieder wo wir waren.
Sein Blick war schockiert, doch ich war zu müde und gleichgültig, um mich dafür zu interessieren. Halbherzig hielt ich nach Florence Ausschau und sah sie mit blassem Gesicht neben Evan sitzen, der mich abwartend anstarrte.
"Ich wäre dafür, dass Sie uns beiden eine gute Note eintragen.", meinte Jake schief grinsend in die Stille hinein und drückte meine Hand noch ein wenig fester, während ich immer noch versuchte zu begreifen, was gerade passiert war.
"Sie sind für diese Stunde entlassen. Gehen Sie sich etwas Frisches anziehen und lassen Sie ihre Verletzungen bei Professor Ardelan überprüfen. Sie sind entlassen. Das sind Sie alle!", meinte Graham undefinierbar, wobei er sich mit dem letzten Satz an die gesamte Klasse wandte.
Zustimmendes Gemurmel ertönte, doch da schlurfte ich schon Jake hinterher, der mit mir in die Richtung des Schulgebäudes wankte.
Wir kamen nicht weit.Kaum waren wir durch die Tür getreten, zog ich ihn ein paar Meter weiter zu dem nächstbesten Ort, wo wir ungestört waren: eine Nische zwischen zwei Bücherregalen am Ende des Ganges.
Wie von selber fand sein Arm um meine Taille, während ich die Arme um seinen Nacken legte. Sein Blick wanderte zu meinen Lippen und ich konnte den Kuss beinahe schon spüren, als er mit einem Grinsen seinen Kopf zurückzog.
"Was ist los?", fragte ich verwirrt und er knurrte heiser:
"Ich wollte bloß sicher gehen, dass du weißt, dass es dieses Mal deine Idee war."
Was in einem anderen Zusammenhang sicher zum Lachen gewesen wäre, war in diesem Moment nur Zunder für das, was gerade in mir brannte.
Erleichtert zog ich ihn am Kragen wieder zu mir und murmelte leise ein "Halt einfach die Klappe!", bevor ich meine Lippen auf seine presste.
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Arcanum - die Akademie der Hexenkunst
FantasyAgatha Young sah mich nachdenklich an, dann blickte sie um sich und zog mich zu einem der Fenster. Mit einem Satz saß sie auf der Fensterbank und bedeutete mir es ihr gleichzutun. Also kauerte ich mich neben sie, woraufhin sich die Frau räusperte un...