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Die Abendsonne schien durch das kleine Fenster in der Dachschräge meines alten Zimmers und tauchte die vollgeklebten Wände in ein sattes Orange. Ich saß an dem kleinen Schreibtisch und versuchte mich auf meine Lektüre zu konzentrieren als es an der Tür klopfte. Ohne auf eine Antwort zu warten, betrat meine Mutter mein Zimmer und schaute mich mitleidig an. In der Hand hielt sie einen Teller mit belegten Broten.

„Hier, ich habe dir etwas zum Abendessen gemacht", murmelte sie, während sie den Teller neben mir abstellte und sich im Zimmer umsah. Es war noch genauso, wie am Tag meines Auszugs, doch ich wusste, dass meine Mutter hier manchmal sauber machte, da sonst die Staubschicht auf den Möbeln viel dicker sein müsste. Ich wusste auch, dass sie mich vermisste, seit ich vor zwei Jahren ausgezogen war. Ich würde mich auch vermissen an ihrer Stelle, wenn ich mit diesem alten Griesgram zusammenwohnen müsste.

„Ma...", rief ich sie sichtlich aus ihren Gedanken und schaute auf den Schnittchenteller, „Ich ess doch jetzt kein Fleisch mehr." Ich verzog entschuldigend das Gesicht und deutete auf die Brote, die mit Käse und Wurst belegt waren.

„Oh, das hatte ich wohl vergessen. Auch keine Ausnahmen?", hakte sie nach.

„Nein Ma, auch keine Ausnahmen." Ich musste wegen ihrer Frage kurz lachen, das war so typisch.

Sie überlegte kurz und griff sich dann die Wurstscheiben von den Broten einzeln herunter, um sie sich in den Mund zu stecken.

„In der größten Not, schmeckt die Wurst auch ohne Brot", sagte sie mit vollem Mund, woraufhin ich nochmal lachen musste und den Kopf schüttelte. Ein bisschen komisch fand ich es schon, dass mein Käsebrot jetzt nach Mortadella schmecken würde, aber das würde ich nicht sagen, um sie nicht zu verletzen. Ich liebte meine Mutter, doch ich verstand nicht, wie jemand mit einem so großen Herzen mit so einem Arschloch, wie meinem Vater zusammen sein konnte. Seit 30 Jahren.

Sie grinste mich verschmitzt an und setzte sich auf den Rand meines Bettes, also drehte ich mich mit meinem Schreibtischstuhl um, anscheinend wollte sie reden.

„Wegen deinem Vater... ihr müsst echt versuchen besser miteinander klar zu kommen. Ein bisschen mehr Verständnis. Wie sollen sonst die nächsten zwei Monate werden?" Sie schaute mich aus ihren braunen, runden Augen an.

Ich seufzte. „Wirst du ihm das auch sagen?"

„Ja. Versprochen."

„Ich kann ja, wenn ich es nicht mit ihm aushalte, wieder früher zurückfahren", murmelte ich und rieb mir verlegen den Nacken. Ich wollte sie nicht verletzen.

„Was das angeht", das Gesicht meiner Mutter hellte sich auf, „Ich hab dir für deine Zeit hier einen kleinen Job besorgt. Dein Vater und ich können dich ja nicht mehr so sehr finanziell unterstützen, seit mir die Stunden in der Drogerie gekürzt worden sind und da dachte ich, du könntest einfach ein bisschen Arbeiten, während du hier bist. Dann ist dir auch nicht so langweilig!" Erwartungsvoll grinste sie mich an.

Etwas gequält verzog ich das Gesicht. Das war das Problem mit einer Familie, die keine Ahnung hatte vom Studieren. Sie verstanden es nicht.

„Ma... ich hab doch meine Hausarbeit zu schreiben und muss noch 3 Bücher dafür lesen. Adorno ist echt anspruchsvoll, außerdem wollte ich doch etwas Zeit mit Piet verbringen", versuchte ich mich rauszureden. Piet war mein bester Freund aus Kindheitstagen und einer der wenigen die nach der Schule in der alten Heimat geblieben waren. Er hatte eine Lehre zum Tischler begonnen und wollte aus irgendeinem Grund nicht raus aus diesem Kaff. Ich meine, es ist schön hier, keine Frage, das bewiesen auch die stetig steigenden Tourismuszahlen, aber hier bleiben war für mich keine Option gewesen. Allein schon deshalb, weil es hier keine Uni gab.

Wenn meine Mutter sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, war sie ganz schön stur.

„Aber wie willst du denn dann deine Bücher und Lebensmittel bezahlen, wenn du wieder in Hamburg bist? Dein Barkeeperjob deckt doch kaum deine Miete. Außerdem habe ich schon für dich zugesagt", etwas besorgt sah meine Mutter mich an.

„Wie, du hast schon zugesagt?", fragte ich verwirrt.

„Ja, also es ist ohne Vertrag und so, aber es gibt 10 Euro die Stunde. Bar auf die Kralle", versuchte sie mich zu überzeugen.

Ich raufte mir die Haare. Geld hatte ich wirklich mehr als nötig.

„Wo wäre denn der Job?", fragte ich schließlich zögerlich.

„An den Docks. Die Tochter von meiner Kollegin Uta, ich glaube sie heißt Sandra, hat da einen Imbiss für die Hafenarbeiter. Jeden Tag von 7 Uhr bis nachmittags, 13, 14 Uhr vielleicht. Dort gibt es für die Arbeiter Kaffee, belegte Brote und Fischbrötchen. Sie hat nach einer Aushilfe gesucht, weil doch gerade Wartungssaison für die Frachter ist und deswegen mehr Arbeiter im Hafen sind. Na, das hört sich doch toll an, oder? Jeden Tag an der frischen Luft und Sandra ist auch eine ganz Nette!", sprudelte es aus ihr heraus.

„Fischbrötchen?", fragte ich gequält bei dem Gedanken an den fettigen, geräucherten Fisch.

„Achso... ist das schlimm mit deinem... Vegetarier-sein? Das ist doch nicht so wild...", versuchte sie mich immer noch zu überzeugen.

„Naja, toll finde ich das nicht, aber das Geld kann ich wirklich gebrauchen", gab ich mich schließlich geschlagen.

„Also ist das ein Ja? Deine Hausarbeit kannst du doch dann nachmittags schreiben"

„Ja, das wird schon gehen, denke ich", beschloss ich schließlich.

„Super! Ich schreib ihr gleich mal eine SMS, dass Du morgen anfangen kannst!", rief sie begeistert aus.

Es machte mich froh meine Mutter so glücklich zu sehen. Trotzdem ärgerte es mich, dass sie, ohne mich zu fragen, das alles arrangiert hatte. Das war typisch für sie. Teilweise behandelte sie mich immer noch wie ein Kind, auch wenn sie es nur gut meinte.

Wenn dann das hierWo Geschichten leben. Entdecke jetzt