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Die zwei Tage mit Helena waren unglaublich anstrengend für mich. In jeder ruhigen Minute dachte ich darüber nach, ihr zu beichten, was vorgefallen war. Reinen Tisch zu machen. Doch was sollte ich ihr sagen? Dass ich Finn geküsst hatte, zwei Mal, und ich keine Ahnung hatte, was das zu bedeuten hatte? Aber eigentlich hatte es ja nichts bedeutet. Es war ein Ausrutscher gewesen. Innerlich könnte ich mich ohrfeigen für diese abgedroschenen Ausreden und meinen fehlenden Mut. Zu groß war die Angst vor Veränderung. Davor etwas kaputt zu machen. Etwas, das vielleicht schon kaputt war? Doch das wollte ich mir nicht eingestehen.

Helena war nicht nur selbstbestimmt und aufregend, sondern auch sexy und hatte interessante Ansichten. Sie liebte mich, das wusste ich. Ich glaube, sie sah etwas in mir, das niemand anderes sehen konnte. Etwas Größeres und Besseres, als das was ich wirklich war. Also natürlich fühlte ich mich gut bei ihr. Mit ihr war alles einfach gewesen. Ich wusste mittlerweile nicht mehr, wer ich ohne sie war. Sie war mein Zuhause. Aber ich wurde das Gefühl nicht los, dass dieses Haus bröckelte.


Als ich sie schließlich am Sonntagabend mit dem Auto meiner Eltern zum Bahnhof brachte fühlte ich mich innerlich so zerrissen, wie noch nie. Da stand sie nun vor mir auf dem Bahnsteig. Erhellt von dem kalten Licht, der Bahnhofsleuchten. Ihr Körper wirkte stark und aufrecht wie immer, nur in ihrem Gesicht konnte ich sehen, dass auch in ihr einiges durcheinandergeraten war. Ich wusste, dass sie wusste, dass etwas nicht stimmte.

„Danke fürs Bringen", presste sie hervor.

„Ist doch klar." Ich lächelte sie an. Ich hatte das dringende Bedürfnis, dass alles so sein sollte, wie früher. Dass wir verliebt rumturteln und uns viel zu überschwänglich verabschieden würden. Und ich wieder dieses warme Gefühl im Bauch hätte, wenn sie mich küsste.

„Wir sehen uns dann nach dem Sommer in Hamburg wieder, wenn ich wieder da bin", sagte sie das Offensichtliche, da ich nicht davon ausging, dass wir uns noch einmal besuchen würden, während sie in Frankreich war. Das Thema Zusammenziehen hatten wir das ganze Wochenende gekonnt umschifft, um nicht noch mehr Gründe zum Streiten zu haben.

„Klar, sagst du mir Bescheid, wann du aus Frankreich zurückkommst?"

„Ja, mache ich."

Verlegen schaute ich auf meine Füße. Es tat mir weh, wie kalt sich der Zwischenraum zwischen unseren Körpern anfühlte, obwohl ich wusste, dass ich daran schuld war.

„Mein Zug kommt gleich. Mach's gut, Jannik."

„Pass auf dich auf, Leni", gab ich zurück und ging einen Schritt auf sie zu. Sie stellte sich leichte auf die Zehenspitzen und drückte mir den kürzesten und kühlsten Kuss unserer Beziehung auf. Dann drehte sie sich um, nahm ihre Tasche und war auch schon verschwunden.

Aufgewühlt, traurig und wütend stieg ich zurück ins Auto. Sie hatte noch nicht mal gewunken. Geschweige denn Ich liebe dich gesagt. Das tat sie sonst immer. Frustriert schlug ich mit den Händen aufs Lenkrad.

„Fuck! Fuck! Fuck!", schrie ich alleine im Auto sitzend, das arme Lenkrad an, „Was soll ich denn jetzt machen?!" Ich fühlte mich so schrecklich allein und hilflos, dabei war nur ich allein an meiner jetzigen Lage schuld.

Die Melodie meines Handyklingeltons ertönte und ich zuckte zusammen. Fahrig, doch mit der Hoffnung, dass es Helena sein könnte griff ich nach dem Telefon. Aber auf dem Display stand nicht Helenas Name, sondern Piets.

„Du, es passt mir gerade nicht", meldete ich mich am Handy. Meine Stimme klang seltsam kehlig und ich bemerkte, dass meine Wangen feucht waren.

„Tut es das überhaupt irgendwann mal?", gab Piet genervt zurück, „Wo bist du gerade?"

Wenn dann das hierWo Geschichten leben. Entdecke jetzt