30

14 3 1
                                    

Wir hatten noch genau zwei Wochen zusammen. Zwei, wunderschöne, intensive, aufregende Wochen. Ich fühlte mich so lebendig und real bei Finn, wie noch nie in meinem Leben und langsam, aber sicher beschlich mich die Frage, dass wenn sich so Verliebtsein anfühlte, ob ich dann jemals wirklich in Helena verliebt gewesen war.

Wir durften die ganze Zeit bei Piet wohnen. Auch wenn wir ihn wahrscheinlich echt nervten und fast jeden Abend zu laut im Schlafzimmer waren, hielt er uns aus. Er überließ uns für die ganze Zeit sein Bett, freute sich, wenn wir mit ihm in die Kneipe gingen oder Playstation spielten, aber ließ uns ansonsten den Freiraum und die Privatsphäre, die wir brauchten. Nach diesen zwei Wochen, hatte ich fast das Gefühl Finns Körper genauso gut zu kennen, wie meinen. Es war unbeschreiblich, was er mich fühlen ließ und was er in mir auslöste.

In meinem Elternhaus war ich in dieser ganzen Zeit nur ein Mal. Ich musste noch einmal hin, um ein paar saubere Klamotten zu holen, da mir meine ausgingen und Piets Sachen eher schlecht als recht passten. Ich hatte gehofft, dass niemand zuhause sein würde, doch ich traf meine Mutter im Garten sitzend und rauchend an. Sie umarmte mich wortlos und ich sagte ihr, dass ich noch weiter bei Piet bleiben würde. Sie bot an, dass ich jederzeit zurückkommen könnte und dass sie zur Not sogar meinen Vater ins Hotel schicken würde, wenn er sich nicht benahm und mich nicht so akzeptierte, wie ich nun mal war. Ich war ihr dankbar und sagte ihr, dass ich sie liebhätte. Dennoch wollte ich jede freie Sekunde, die wir noch zusammen hatten mit Finn verbringen.

Wir ignorierten die ganze Zeit dieses eine Thema. Das Thema, dass Finn bald fort gehen würde, ohne mich. Ich wusste, dass Piet und Finn darüber sprachen und Vorbereitungen trafen, wenn ich auf der Arbeit war. Manchmal sah ich Einkaufstüten, voll mit Kochbekleidung und anderen Utensilien, wenn ich von der Imbissbude zu Piet zurückkam, doch ich fragte nie. Ich wusste, wenn Finn meine Hilfe bei etwas benötigt hätte, dann hätte er gefragt. Doch auch Finn umschiffte dieses Thema und verdrehte mir weiter den Kopf.


Und dann war von einem Tag auf den anderen unsere gemeinsame Zeit rum. Ich stand in der Imbissbude und den ganzen Vormittag über hatte ich ein Brodeln in mir gespürt. Ich hatte Piet gestern gefragt und er meinte, dass Finns Schiff Übermorgen, also morgen, ablegen würde. Wir konnten es nicht mehr ignorieren. Nicht mehr so tun, als wäre unsere Zeit unbegrenzt. Als ich Finn zum Ende meiner Schicht hin auf Piets Fahrrad auf den Vorplatz der Fischbrötchenbude rollen sah, zog sich mein Herz zusammen. Er sah wunderschön und wild und frei aus. Er hatte sich gestern von Piet die Haare schneiden lassen, was dieser erstaunlich gut konnte, damit er seine Ausbildung ohne nervige Locken in den Augen beginnen konnte. Zusammengekauert hatte er oberkörperfrei in Piets Duschtasse gesessen, während Piet mit Schere und Rasierer herumhantierte und fachmännische Anweisungen gab. Ich hatte in der Tür stehend zugesehen und mein Herz hatte etwas geblutet, als Piet Finns schöne Locken einkürzte und dann sogar die Seiten und den Nacken bis auf ein paar Millimeter ausrasierte. Auch der 7-Tage-Bart war ab, was ihn um einiges jünger aussehen ließ. Aber natürlich stand ihm der neue Haarschnitt fantastisch. Finn hätte noch nicht mal eine Glatze entstellen können.

„Hallo du, ich dachte ich hol dich von der Arbeit ab!", rief er mir entgegen, als er vor dem Imbiss zum Stehen kam. In meinem Gesicht bildete sich dennoch ein dämliches Grinsen, so wie immer.

„Wo geht's denn hin?", wollte ich mit einem Lächeln in seine Richtung wissen, als ich den Imbiss zuschloss. Es war ein wenig seltsam ihn so zu begrüßen, da wir uns noch immer unwohl damit fühlten uns in der Öffentlichkeit zu küssen oder nah zu sein.

„Zum alten Hafen Möwen beobachten?", fragte er mit einem Grinsen. Der alte Hafen, war ein ganzes Stück von Industriehafen entfernt und eher ein Touristenhotspot. Trotzdem war es schön dort, da dort ein paar alte Segelboote und Museumsschiffe vor Anker lagen. Die alten Häuser, die den Hafen säumten, gaben ihm einen Charme, wie aus einem anderen Jahrhundert.

Wenn dann das hierWo Geschichten leben. Entdecke jetzt