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In meinem Kopf war Chaos ausgebrochen. Noch mehr als zuvor. Ich schob und wendete meine Gedanken, doch es brachte nichts, außer mehr Verwirrung. Ich hatte Finn dort bei Piet auf der Couch sitzen lassen und war abgehauen. Hatte in richtiger Finn-Manier einfach das Schlachtfeld verlassen. Ich wusste, dass ich endlich aufhören musste mich selbst zu bemitleiden und anfangen zu handeln.

Ich fragte mich, was Finn nun dachte. Hatte ich ihn nun endgültig verschreckt oder gab es da wirklich ein wir? Er hatte so verletzt ausgesehen, doch trotzdem war er verhältnismäßig ruhig geblieben, hatte mir geraten endlich meinen Scheiß zu regeln. Irgendwie war ich dankbar dafür, soviel Verständnis hatte ich gar nicht verdient.

Viel zu spät am Abend rief ich Helena zurück. Ich saß in meinem alten Zimmer auf dem Fensterbrett, damit ich nebenbei rauchen konnte, um meine Nerven zu beruhigen. Diesmal wusste ich, was ich sagen musste. Die Wahrheit.

„Hallo?", meldete sich Helena und ich versuchte den sanften Klang in ihrer Stimme nicht zu nah an mich heranzulassen.

„Hallo, du. Tut mir leid, dass ich mich erst jetzt zurückmelde", versuchte ich stark zu klingen, doch meine Stimme zitterte schon in dem Wissen, was ich gleich sagen würde.

„Ja, nicht so schlimm. Ich wollte dir vorhin ja was sagen...", setzte sie an und in mir zog sich alles zusammen. Sie klang ganz vorsichtig, anders als sonst.

„Finn hat mir schon erzählt...", versuchte ich behutsam einzuwenden, damit ich es nicht noch einmal von ihr hören musste. Doch sie unterbrach mich.

„Irgendwie fühlt sich das mit der Pause nicht richtig an, Jannik", sagte sie schnell. Mir wurde schlecht. „Irgendwie vermisse ich dich", schob sie unsicher hinterher. Es war still, sie wartete darauf, was ich sagen würde.

„Ich vermisse dich doch auch, aber ich muss dir was sagen", mein Herzschlag beschleunigte sich, „Ich... Ich war nicht ganz ehrlich zu dir", ich musste Schlucken und versuchte den letzten Rest Mut in mir zusammenzukratzen, „Ich glaube das mit uns klappt nicht mehr, Helena." Mein Herz rutschte mir in die Hose.

„Was ist passiert? Was hat sich oder dich so sehr geändert?", fragte sie mit zitternder Stimme. Sie klang ganz leise, so weit entfernt, so fremd.

„Ich...", jetzt oder nie, dachte ich, „Ich habe jemand anderes geküsst. Mehrmals. Und ich glaube da ist mehr", stieß ich aus. Meine Stimme klang seltsam und der dunkle, klebrige Fleck schlechten Gewissens in meiner Brust vergrößerte sich noch einmal. Ich hörte sie auf der anderen Seite des Telefons atmen.

„Wer ist es?", fragte sie belegt, aber erstaunlich monoton.

„Das ist doch jetzt nicht wichtig. Es tut mir sehr leid, Helena." Ich wollte sie nicht verletzen, aber ich wollte auch, dass sie aufhörte zu fragen. Ich wartete drauf, ob sie noch etwas sagen würde, doch eine Zeit lang war es still.

„Ist es Finn?", fragte sie schließlich und in mir platzte etwas. Die Fassung, die ich bis jetzt versucht hatte zu wahren, zerbrach in tausend Teile. Ich hörte mich zittrig die Luft einsaugen, versuchte die Tränen zurückzuhalten.

„Ja", stieß ich schließlich flüsternd aus und hoffte, dass sie mich nicht hörte.

„Dachte ich mir... die Art, wie du auf ihn reagiert hattest, als er auftauchte und wie er dich ansah." Ihre Stimme klang bitter, aber gefasst.

„Es tut mir so leid, bitte glaub mir", schluchzte ich leise.

„Dann ist es wohl besser so", sagte sie traurig.

„Warum bist du nicht wütend?", fragte ich vorsichtig, noch völlig übermannt von ihren Worten und meinen Emotionen.

„Ich bin wütend. Ich denke sogar, dass du ein riesengroßes Arschloch und ein Wichser bist, besonders weil du mich angelogen hast", stieß sie zynisch aus, „Aber, wie gesagt, irgendwie dachte ich mir das schon. Das Vermissen war wohl nur ein letzter Versuch an etwas festzuhalten, was schon längst kaputt war."

Wenn dann das hierWo Geschichten leben. Entdecke jetzt