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Ich hatte mir die Worte tausendmal in meinem Kopf herumgeschoben, während ich am Vormittag auf der Arbeit gewesen war, doch trotzdem war nun, wo ich den Schlüssel in die Tür meines Elternhauses steckte, mein Kopf wie leergefegt. In mir hatte sich ein unaushaltbarer Druck aufgebaut und der musste raus. Ich wusste jetzt, dass es nur eine Möglichkeit für mich gab, ich musste ehrlich sein. Und damit musste ich auch bei den Menschen anfangen, die mich eigentlich am längsten kannten. Meine Eltern. Gestern Abend als ich von Piet kam war es zu spät gewesen und ich hatte Schiss bekommen, aber heute würde ich mich trauen.

Als ich den Schlüssel im Schloss drehte, atmete ich noch einmal tief ein und aus. Meine Hand zitterte. Als ich das Haus meiner Kindheit betrat konnte ich bereits die Stimme meines Vaters hören. Es war gut, dass er schon zuhause war, so konnte ich mich nicht mehr davor drücken, das zu tun, was ich tun musste. Als ich extra langsam die Schuhe auszog und mich ins Esszimmer schob baute sich noch mehr Druck in mir auf und mein Herz begann schneller zu schlagen. Doch als ich dann um die Ecke bog, erschrak ich. Nicht nur meine Eltern saßen am Esstisch, sondern auch mein Bruder und seine Verlobte Kathrin. Die beiden waren schon seit einigen Jahren ein Paar und ergänzten sich in ihrer Durchschnittlichkeit recht gut. Wir hatten uns nie viel unterhalten, doch Kathrin schien mir wie ein Mensch, der gut zu meinem Bruder passte. Ordentlich und genügsam.

„Ach, gut dass du zuhause bist, Jannik", stieß meine Mutter erfreut aus, als sie mich unschlüssig im Türrahmen stehen sah, „Lasse und Kathrin haben ganz große Neuigkeiten!" Meine Mutter strahlte übers ganze Gesicht und mir wurde schlecht. Doch dann ging ein Ruck durch mich. Ich durfte jetzt keinen Rückzieher machen. Jetzt oder nie, Jannik.

„Hallo zusammen", stieß ich ungelenk aus und bewegte mich etwas auf den Esstisch zu. Mein Bruder und seine Freundin hatten sich zu mir umgedreht und schauten mich ungewöhnlich glücklich an. Mein Bruder wollte gerade den Mund aufmachen, da unterbrach ich ihn schon.

„Ich habe auch große Neuigkeiten", sagte ich schnell.

„Ich denke, unsere Neuigkeiten, sind etwas wichtiger", versuchte mein Bruder meine Unhöflichkeit wegzulachen, so wie immer. Einen Moment lang fing es in meinem Kopf an zu rattern, was wohl so wichtig sein könnte, dass die ganze Happy Family hier am Esstisch versammelt war. Ich atmete noch einmal tief durch und schaute durchdringend meine Eltern an. Meine Mutter, die immer noch wie ein Honigkuchenpferd strahlte. Mein Vater, der für seine Verhältnisse auch recht beschwingt aussah. Mein Bruder war gerade dabei den Mund aufzumachen.

„Wir sind schwanger..."

„Ich glaube, ich stehe auch auf Männer", fiel ich meinem Bruder ins Wort, bevor ich auch nur realisieren konnte, was er da gerade gesagt hatte. Langsam kamen seine Worte bei mir an. „Oh", stieß ich aus, „Glückwunsch." Mein Blick huschte mit einem entschuldigenden Lächeln zu Kathrin.

Nicht nur ihr, sondern auch dem Rest der am Tisch versammelten Menschen, fiel alles aus dem Gesicht. Mir wurde heiß und mein Puls beschleunigte sich erneut um das zehnfache. Das war eine dumme Idee gewesen.

„Was?", rutschte es meinem Vater noch etwas ungläubig heraus.

„Ich... Ich glaube ich bin bisexuell. Ich, also ich stehe auch auf Männer. Tut mir echt leid, dass ich euch jetzt gerade diesen schönen Moment so ...", stammelte ich herum und schaute schnell hilfesuchend zu meiner Mutter, die mich jedoch nur ungläubig anstarrte. Dann war es still. Alle schauten mich mit offenen Mündern und ich wusste nicht, ob es an meinem furchtbaren Timing oder an dem, was ich gesagt hatte, lag.

Langsam, viel zu langsam, richtete sich mein Vater auf, stand von seinem Stuhl auf und stützte sich auf den Esstisch auf. Sein Blick veränderte sich. Der Verwunderung wich Wut.

Wenn dann das hierWo Geschichten leben. Entdecke jetzt