Bei jeder Bodenschwelle und jedem Bordstein stöhnte Finn hinter mir vor Schmerzen auf. Ich versuchte so vorsichtig wie möglich zu fahren, doch es half nicht wirklich. Schweißgebadet kam ich vor Piets Haus zum Stehen. Finn brauchte Hilfe, aber ihn zu meinen Eltern ins Haus zu bringen, kam für mich nicht in Frage. So war Piet mal wieder mein rettender Hafen.
Umständlich versuchte ich vom Rad abzusteigen, da fiel mir Finn völlig erschöpft schon entgegen. Ich schaffte es ihn stabilisieren, indem ich mir seinen Arm über die Schulter legte. So humpelten wir um das Haus herum und ich betete inständig, dass nicht ausgerechnet in diesem Moment Piets Mutter aus dem Fenster schauen würde. Hektisch klopfte ich gegen Piets Kellertür und als er nicht öffnete kramte ich fahrig mein Handy hervor, um ihn anzurufen. Doch nach einer gefühlten Ewigkeit öffnete Piet endlich die Tür. Als er mich sah, wollte er schon zu einem seiner Sprüche ansetzen, doch dann fiel sein Blick auf Finn, der wie ein Schluck Wasser auf zittrigen Beinen an meiner Schulter hing.
„Was ist...", er unterbrach sich selbst, „Rein mit euch", sagte er dann streng. Er nahm Finns freien Arm und gemeinsam manövrierten wir ihn auf Piets Sofa. Finn ließ sich erschöpft fallen und stöhnte wegen der plötzlichen Bewegung erneut auf. Piet entfernte sich augenblicklich, nur um ein paar Sekunden später aus seinem Bad mit einer Erste-Hilfe-Tasche wiederzukommen. Wie versteinert betrachtete ich den malträtierten Finn, wie er bewegungslos und mit vor Schmerz verzogenem Gesicht auf Piets Couch lag.
„Hier, kümmere dich um die Blutung, ich geh Eis holen", rief mich Piet zurück in die Realität und wieder einmal war ich unglaublich dankbar für seine kluge, bedachte Art. Er drückte mir das Täschchen in die Hand und verschwand nach oben. Langsam kniete ich mich vor das Sofa. Das Handy, das ich immer noch in der Hand hielt, landete unsanft auf dem Couchtisch.
„Finn?", versuchte ich es vorsichtig. Meine zittrigen Finger brauchten drei Anläufe, um den Reißverschluss des Erste-Hilfe-Kits aufzubekommen. „Finn, ich wisch dir jetzt das Blut aus dem Gesicht", versuchte ich erneut seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Mit einem Wattebausch und Desinfektionsmittel tupfte ich in seinem Gesicht herum. Er zog scharf die Luft ein vor Schmerz.
„Scheiße", rutsche es mir heraus, als unter dem Blut, eine fiese Wunde auf seinem Wangenknochen zum Vorschein kam. Sein Vater musste ihn ordentlich erwischt haben. Auch sein Kiefer färbte sich auf der linken Seite immer dunkler.
„Hier ist das Eis und ein Kühlpack habe ich noch gefunden", hörte ich Piet hektisch die Treppe herunterkommen. Ihm rutschte ein „Oh" heraus, als er Finns aufgeplatzte Wange sah.
„Krankenhaus?", fragte Piet mit Nachdruck und sah mich ernst an.
„Nein", nuschelte dann auf einmal Finn, bevor ich etwas sagen konnte, „Es geht schon", presste er hervor.
Ich sah Piet an und zuckte hilflos mit den Achseln. Dieser verdrehte die Augen und drückte vorsichtig das Kühlpack gegen Finns Kiefer. Finn stöhnte erneut auf.
„Hier", sagte ich und kramte eine Schmerztablette aus der Tasche hervor. Er schluckte sie trocken herunter, doch Piet bestand darauf, dass Finn noch einen Schluck Wasser trinken würde, um die Nerven zu beruhigen. Als gerade eine gewisse Ruhe einkehrte, wollte Finn sich ein Stück aufsetzen, um etwas zu trinken, doch zuckte bei der Bewegung heftig zusammen.
„Bauch", presste er hervor. Zitternd streckte ich die Hand aus und schob vorsichtig sein T-Shirt nach oben. Piet und ich erschraken zeitgleich als wir die dunklen, blau-violetten Flecken auf Finns seitlichem Bauch sahen, dort wo ihn sein Vater getreten hatte. Piet schob mich sanft zur Seite und nahm mir die Erste-Hilfe-Tasche aus der Hand, während er versuchte, das Eis, das er noch in der Hand hielt auf Finns Bauch abzulegen. Er kramte eine weitere Schmerztablette hervor.
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Wenn dann das hier
RomanceEgal, wie ehrlich und aufrichtig ich versuchte zu sein, es führte trotzdem nicht zu meinem Happy End. Die kleine, graue Hafenstadt, die Jannik sein Heimatkaff nennt, liegt an der Nordsee, doch fühlt sich für ihn wie eine andere Welt an, im Gegensatz...