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Am nächsten Tag brachte ich Finn alleine zum Hafen und half ihm seine Sachen zu tragen. Piet war zuhause geblieben, um uns unseren herzzerreißenden Abschied alleine durchstehen zu lassen. Wir waren übernächtigt und verkatert, weil wir uns die Nacht zuerst mit Piet in der Kneipe und dann betrunken zu zweit im Bett um die Ohren geschlagen hatten. Zu kostbar waren uns unsere letzten gemeinsamen Stunden vorgekommen, um sie mit Schlaf zu verschwenden.

Piet und Finn hatten sich mit einer langen Umarmung in Piets Garten verabschiedet, während ich danebenstand und bereits mit den Tränen ringen musste. Finn hatte sich tausendmal bei Piet für alles bedankt, aber besonders dafür, dass er uns quasi zusammengebracht hatte. Wäre Piet nicht gewesen, hätten Finn und ich sturköpfig wie wir waren, einander wahrscheinlich nie eingestanden, dass da etwas zwischen uns war. Piet sagte zu Finn, dass er sich melden solle, wenn er mal in der Stadt sei und Finn hatte gemeint, dass er sich darauf freue ihn irgendwann mal wiederzusehen. Danach musste auch ich Piet noch einmal in den Arm nehmen, weil mir wieder bewusstwurde, was für einen großartigen Freund ich da hatte.


Der Frachter, auf dem Finn die nächsten drei Jahre verbringen würde, war riesig und eindrucksvoll. Grau und vollgeladen mit bunten Containern ragte er vor uns, wie ein Hochhaus, auf. Der Frachter trug einen für mich unaussprechlichen Namen und Finn musste lachen, als ich versuchte es vorzulesen. Ich fragte mich, welches der vielen kleinen Bullaugen wohl zu seiner zukünftigen Kabine gehörte.

„Ich denke, auf so einem Schiff wirst du genug starke Seemänner um dich herumhaben, damit dir nicht langweilig wird, was?", versuchte ich einen dummen Witz zu reißen, um die beklemmende Stimmung aufzulockern. Um uns herum herrschte geschäftiges Treiben und ich sah einige junge Matrosen mit Seesäcken die Gangway zum Schiff erklimmen, die wahrscheinlich Finns zukünftige Kollegen sein würden.

Finn verzog gequält das Gesicht über meinen Witz. „Ja, bestimmt", stieß er dennoch aus.

„Sorry", entschuldigte ich mich, da nun eigentlich wirklich nicht der richtige Zeitpunkt für Witze war. Nur leider trug ich so viele Emotionen in mir, dass ich gar nicht wusste wohin mit den ganzen Gefühlen.

„Alles gut", sagte Finn leise, als wir ein paar Meter von der Gangway entfernt stehen blieben. Er ließ seine Tasche auf den Boden sinken und schien mit der Situation genauso überfordert wie ich. Sein Blick sprach Bände. Tausende von Wörtern, die wir sagen und hören wollten, doch wofür keine Zeit blieb. Er machte vorsichtig einen Schritt auf mich zu und wie automatisch huschte mein Blick um uns herum um sicher zu gehen, dass uns niemand beobachtete. Ich hasste mich dafür, hatten wir doch eigentlich die Zeit des Versteckens hinter uns gelassen. Deswegen versuchte ich diese Angst ein für alle Mal zu verbannen und mich nur noch auf Finn zu konzentrieren.

„Danke", hauchte er, als er nur noch ein paar Zentimeter von mir entfernt war. Ich überwand die letzte Distanz und schlang meine Arme um seinen Körper. Seine Arme zogen mich noch dichter zu sich heran und ich versuchte mir alles einzuprägen. Dieses Gefühl, seinen Geruch, seine Worte. Diese Wärme, die sich in meinem Bauch ausbreitete.

„Wofür?", nuschelte ich in seinen Nacken, in dem ich mein Gesicht vergraben hatte.

„Für alles", seine Stimme zitterte kaum hörbar gegen meine Schulter, „Dafür, dass du mir geholfen hast, ich zu sein und mir den Mut gegeben hast ein neues Leben zu beginnen. Dafür, dass du mir gezeigt hast, was es heißt am Leben zu sein", wiederholte er die gestrigen Worte vom Hafen.

„Jederzeit wieder", flüsterte ich in unsere Umarmung hinein und ich spürte die längst überfälligen Tränen sich ihren Weg aus meinen Augen bahnen, „Ich danke dir auch."

So standen wir gefühlt eine Ewigkeit da auf diesem Platz, auf dem so viel geschäftiges Treiben war in unserer kleinen Blase und genossen die Körperwärme und den zittrigen Atem des jeweils anderen. Die Zeit schien still zu stehen und ein letztes Mal überlegte ich, ihn einfach nicht gehen zu lassen. Ihn festzuhalten bis ans Ende aller Tage.

Wenn dann das hierWo Geschichten leben. Entdecke jetzt