Property of Negan (Negan FF #1)

Lucille

Ich setzt mich auf und schaue ihn leicht verdutzt an. Hat er gerade 'Ich dich auch' gesagt? Und meint er das auch wirklich ernst?

"..wirklich?" frage ich vorsichtig und zögerlich nach.

Als Antwort bekomme ich ein Lächeln. Sein weißen Zähne blitzen wieder einmal durch seinen grau-schwarzen Bart. Er zieht mich zu sich und drückt mir einen ehrlichen Kuss auf die Lippen. Ich erwidere den Kuss und sehe ihm danach in die Augen.

"Naja weißt du Süße, ich habe mir schon länger eingestanden, dass ich dich sehr gern hab. Und irgendwann wurde mir klar, dass es mehr ist als nur mögen. Ich wusste nur nicht, dass du genau so empfindest. Immerhin wolltest du mich vor einiger Zeit noch tot sehen."

Ich lege mich wieder in seinen Arm und genieße seine Nähe.

[...]

Nach einer Weile fällt mein Blick auf Lucille. Sie steht an den Kleiderschrank gelehnt neben dem Bett. Noch immer weiß ich nicht, warum er seinem Baseballschläger einen Namen gegeben hat und warum er ihn ..oder sie immer und überall dabei hat. Er hütet sie wie seinen Augapfel. Aber warum ist ihm ein Stück Holz so wichtig?

"Sag mal Negan?" fange ich vorsichtig an die Stille zu durchbrechen.

"Ja?"

"Kann ich dich was fragen?"

"Ich weiß nicht, ob du das kannst. Aber du darfst." er lacht leicht.

"Warum hast du deinen Baseballschläger Lucille genannt? Und warum bedeutet er dir so viel?" ich hoffe sehr, dass ich ihn mit meiner Fragerei nicht verärgere.

Er zögert kurz und sein Gesichtsausdruck verändert sich. Er wirkt traurig.

"Es fällt mir nicht besonders leicht darüber zu sprechen aber ich denke, ich sollte es dir erzählen. Ich hatte damals, vor der ganzen blöden Scheiße hier, eine Frau. Lucille. Wir haben uns sehr jung kennen- und auf lieben gelernt. Wir kannten uns gerade einmal zwei Wochen, als wir ein Paar wurden. Sie war bezaubernd. Sie lachte den ganzen lieben langen Tag. Sie war nie traurig und in ihrer Gegenwart war es auch sonst keiner. Sie betrat einen Raum und jeder hatte sofort gute Laune. Wir haben dann auch sehr schnell geheiratet. Naja wir waren glücklich miteinander und uns absolut sicher, dass wir den Rest unseres Lebens zusammen verbringen wollten. Irgendwann haben wir uns eine eigene Wohnung gekauft und versucht Kinder zu bekommen. Allerdings wurde sie einfach nicht schwanger. Wir haben uns erstmal nichts dabei gedacht, ich meine, man hört ja öfter mal, dass es Paare lange versuchen. Eines Tages aber wurde sie aus heiterem Himmel ohnmächtig. Wir wusste nicht warum, aber sie wollte auch nicht zum Arzt gehen. Naja in der Hinsicht war sie ein kleiner Sturkopf. In den nächsten Wochen kam es aber immer öfter vor, dass sie sich schwach und ausgelaugt gefühlt hat. Irgendwann hatte ich dann gewonnen und sie ist endlich zum Arzt gegangen. Sie wurde von oben bis unten durchgecheckt und dann haben wir die Diagnose bekommen.." er schluckt kurz und ich merke, dass er sich die Tränen zurück halten muss.

"..Krebs. Sie hatte Krebs. In ihrem jungen Alter. Gerade Anfang 30. Unsere Welt brach innerhalb von Sekunden zusammen und das Schlimmste neben ihrer Diagnose: ihr Lachen war verschwunden. Dieser eine Tag machte aus meiner glücklichen und lebensfrohen Lucille einen komplett anderen Menschen. Ich habe sie nicht wieder erkannt. Sie hatte keine Lust mehr auf ihre Hobbys und verließ unsere Wohnung kaum noch. Sie zog sich immer mehr zurück und ließ mich auch immer weniger an sich heran. Das ging einige Wochen so, bis es ihr auf einmal richtig schlecht ging. Sie bekam schon wochenlang Medikamente, Chemo und Bestrahlung. Das hat sie natürlich auch sehr mitgenommen. Ihre Haare fielen aus und man konnte ihr mit der Zeit immer mehr ansehen, dass sie ernsthaft krank war. Als es ihr dann plötzlich deutlich schlechter ging, fuhr ich sie ins Krankenhaus. Sie wurde dort stationär aufgenommen und noch intensiver behandelt. Ich nahm einen zweiten Job als Hilfskellner und irgendwann einen dritten Job in einem Kasino an. Ich konnte die Krankenhausrechnungen kaum noch bezahlen. Ich hab Wochenlang kaum geschlafen. Früh zu meinem Hauptjob, zwischendurch ein - zwei Stunden im Krankenhaus und abends der Job im Kasino bis spät in die Nacht. Am Wochenende der Job als Kellner. Das Krankenhaus drohte mir immer wieder an, die Behandlung einzustellen, sollte ich die Rechnungen nicht bezahlen können. Aber das konnte ich nicht zulassen, ich wollte um jeden Preis, dass sie meiner Frau ..meiner Lucille helfen würden. Es ging ihr von Tag zu Tag schlechter und irgendwann, es war ein Donnerstag, ich war gerade auf dem Weg ins Kasino bekam ich einen Anruf vom Krankenhaus.." ihm liefen die ersten Tränen über seine Wangen.

"..das Krankenhaus rief mich an und sagte mir, dass ..dass sie gestorben ist. Ihr Körper war einfach zu schwach und kraftlos und sie hatte aufgegeben. Meine ganze Welt ist in diesem einen Augenblick, an diesem einen Donnerstag Nachmittag zusammen gebrochen. Auf einen Schlag hatte ich nichts mehr. Ich sah keinen Sinn mehr in meinem Leben, begann zu trinken und schleppte fast jeden Abend eine andere Frau mit nach Hause um mich abzulenken. Um meinen Schmerz und meinen Verlust zu verdrängen. Naja und etwa ein halbes Jahr nach ihrem Tod, begann die ganze Scheiße hier auf einmal. Ich war immer mit einigen kleinen Gruppen unterwegs und fand irgendwann diesen Baseballschläger. Ich präparierte ihn mit dem Stacheldraht und weil er mit unzählige Male mein Leben gerettet hatte, nannte ich sie schließlich Lucille. Die Waffe hat mich stark gemacht, genau wie meine geliebte Frau damals. Ich weiß für viele ist es krank, dass ich meiner Waffe einen Namen gegeben hab und sie nie aus den Augen lasse, aber es ist zu meiner Erinnerung an sie geworden."

"..das tut mir so leid, wirklich. Danke, dass du mir das alles anvertraut hast." ich weiß nicht, was ich sonst sagen soll.

"Schon gut, dir muss nichts leid tun. Eigentlich bin ich ganz froh, dass sie diese ganze Scheiße hier nicht mitbekommen muss."

Ich wische ihm sanft seine Tränen von der Wange und küsse ihn liebevoll.

"Vielleicht habe ich mit meiner neuen Liebe mehr Glück." bei diesen Worten lächelt er mich leicht an und streichelt sanft über meinen Kopf.

Er starrt einen Moment lang auf einen unbestimmten Fleck im Raum. Er sieht nachdenklich aus, bis er mich wieder anschaut und anfängt zu lächeln.

"Ab morgen wirst du meine einzige Frau sein."