Ivory
Ich freute mich auf den heutigen Tag, denn heute würde ich gemeinsam mit Cooper Einkaufen gehen. Cooper hatte mir eben gerade geschrieben, dass er gleich da wäre, um mich abzuholen. Deshalb machte ich mich auf den Weg in den Flur, um Schuhe und Jacke anzuziehen, so musste Cooper nicht unnötig auf mich warten. Ich schnappte mir meine Tasche, packte Handy, Schlüssel und Geldbörse hinein, bevor ich meine Schuhe anzog. Ich warf einen Blick in den Spiegel, der im Flur stand, als Keith aus seinem Zimmer kam. Er trug eine Jogginghose und ein T-Shirt. Seine Haare lagen ihm wirr auf dem Kopf herum. Scheint so, als ob er eben erst aufgewacht war. „Morgen", begrüßte ich ihn. „Morgen. Gehst du weg?", wollte er von mir wissen. „Ich gehe mit Cooper einkaufen", antwortete ich ihm. „Dann viel Spaß", wünschte er mir, bevor er im Badezimmer verschwand. Es klingelte an der Tür, was für mich das Zeichen war, dass Cooper da war.
„Hey", begrüßte ich Cooper, als ich unten an der Tür angekommen war. „Hi", begrüßte er mich ebenfalls. „Wie geht's dir?", fragte ich ihn, während wir auf sein Auto zuliefen. „Gut und dir?", antwortete er mir. „Auch. Ich freue mich ein paar neue Sachen für mein Zimmer zu kaufen." Ich freute mich wirklich. Mein ganzes Zimmer konnte ich so einrichten, wie ich es wollte. Mir waren keine Grenzen gesetzt. Ich konnte kaufen, was ich wollte. Darauf freute ich mich ungemein. Cooper startete den Motor und fuhr aus der Parklücke heraus auf die Straße. Zwanzig Minuten später parkte er das Auto auf dem Parkplatz des Einrichtungshauses. „Glaubst du ein Einkaufswagen reicht uns?", wollte ich von ihm wissen. „Ich denke schon. Wir wollen ja eigentlich nur kleine Sachen kaufen", antwortete er mir. „Stimmt auch wieder." Cooper war so nett und erklärte sich dazu bereit den Einkaufswagen zu schieben. Da wir relativ früh waren, war das Geschäft noch nicht allzu voll, was mich beruhigte, denn wenn es etwas gab, was ich hasste, dann waren es überfüllte Geschäfte. „Also wo willst du anfangen?", wollte er von mir wissen. Gute Frage. Ich hatte mir vorher nicht wirklich viele Gedanken gemacht, was ich alles kaufen wollte. Das Einzige, was in meinem Kopf herumschwirrte, war ein ungefährer Plan, was ich haben wollte. Mehr jedoch nicht. „Lass uns einfach herumlaufen und schauen was wir finden", schlug ich ihm vor. „Okay." „Freust du dich schon auf's Studium?", fragte Cooper mich, während wir durch die einzelnen Abteilungen liefen. „Ja. Ich fiebere seit Monaten auf diesen Tag hin, genauso wie ich mich monatelang auf meinen Umzug gefreut habe. Und du?" Seit ich letzten November endgültig beschlossen hatte Boston zu verlassen, war meine Vorfreude mit jedem Tag größer geworden. Da konnte selbst meine Mutter mit ihrer schlechten Laune und ihren Versuchen mich doch in Boston zu behalten, nichts gegen tun. „Ich freue mich zwar mehr auf mein erstes Footballspiel, aber ja ich freue mich auch ein bisschen auf mein Studium", sagte er grinsend zu mir. „Ash hat mir erzählt, dass das erste Heimspiel der Saison immer etwas besonderes ist. Ich freue mich da auch schon drauf, obwohl ich nicht einmal selbst spiele, sondern nur auf der Tribüne sitze", sagte ich zu ihm. Ich freute mich Ashton endlich wieder live spielen zu sehen. Die letzten Jahre musste ich mich damit zufrieden geben seine Spiele im Fernsehen zu verfolgen, umso aufgeregter war ich ihn wieder live beim Spielen zuzuschauen. In seiner gesamten High School Zeit hatte ich nicht ein einziges Spiel verpasst. Als Ash damals seine Anfragen für ein Stipendium bekommen hat, bin ich als kleine Schwester vor Stolz fast explodiert. Dad hatte sich für Ash auch gefreut. Die Einzige, die sich nicht gefreut hatte, war Mum gewesen. Sie hatte sich nie für irgendetwas gefreut, was wir geschafft hatten. Außer vielleicht über die Dinge, die Ashton und ich beide am liebsten vergessen würden. „Das hat Ace mir auch erzählt. Ich freue mich endlich wieder auf dem Platz zu stehen. Zwar ist es noch nicht allzu lange her, dass ich das letzte Mal gespielt habe, aber jeder Tag ohne Football ist ein Tag zu viel." „Aber ihr trainiert doch schon, oder?" Ich glaubte mich wage erinnern zu können, dass Ashton gesagt hatte, dass sie wieder trainierten. „Ja. Wir trainieren schon, aber auf dem Feld zu stehen und richtig zu spielen, ist das beste Gefühl auf der Welt. Da kommt kein Training heran." „Das kann ich mir vorstellen. Ich freue mich auf euer erstes Spiel." Wir liefen weiter durch das Geschäft. Unser Einkaufswagen hatte sich mit der Zeit gut gefüllt. Bis jetzt hatte ich eine Bilderrahmen-Collage, einen einzelnen Bilderrahm, eine Kuscheldecke, einen kleinen Schminkspiegel, eine Pinnwand und ein Schreibtischorganisator sowie eine Schreibtischunterlage eingepackt. Nichts Besonderes. Fürs erste war das alles, was ich brauchte. „Brauchst du noch etwas?", fragte ich Cooper, denn wir steuerten geradewegs auf die Kasse zu. „Nein. Ich habe alles, was ich brauche." Nachdem wir bezahlt hatten und all unsere Sachen in Tüten gepackt hatten, machten wir uns wieder auf den Weg nach Hause. „Brauchst du noch Hilfe beim anbringen der Sachen?", wollte Cooper von mir wissen. „Danke, aber das kriege ich allein hin", versicherte ich ihm. An dieser Stelle danke an meinen Dad, der mir beigebracht hatte, wie man eine Bohrmaschine benutze und allgemein Dinge aufbaute oder anbrachte. Dad hatte darauf bestanden sowohl Ash als auch mir solche Sachen beizubringen. „Okay, dann sehen wir uns sicher in den nächsten Tagen", sagte er lächelnd zu mir. „Ja, wir sehen uns", verabschiedete ich mich von ihm. „Bis dann, Ivy."
In der Wohnung angekommen, brachte ich meine Sachen erst einmal in mein Zimmer, bevor ich mich im Wohnzimmer auf die Couch setzte und eine Nachricht an Ashton schrieb. Im Vergleich zu mir besaß er nämlich einen Akkuschrauber und eine Bohrmaschine. Beides würde ich brauchen, um meine Sachen an der Wand anzubringen. Zum Glück antwortete Ash mir recht schnell und versprach mir gleich vorbeizukommen. Wenn mein großer Bruder gleich meinte, dann dauerte es wirklich nicht lange, bis er da war. Um genau zu sein dauerte es etwas weniger als zwanzig Minuten, bis er vor der Tür stand. „Hi", begrüßte ich ihn, als ich ihm die Tür öffnete. „Hi. Ist Keith nicht da?", fragte Ash mich, als er die Sachen in meinem Zimmer abgestellt hatte. „Nein, und ich weiß auch nicht, wo er ist", antwortete ich ihm. Ash zuckte mit den Schultern. „Ist auch egal. Ich bin hier, um meiner kleinen Schwester zu helfen. Also was müssen wir machen?", wollte er von mir wissen. „Du weißt, dass du mir nicht helfen musst, Ash." „Ich weiß, aber wenn ich jetzt sowieso hier bin, kann ich dir auch helfen. Keine Widerrede, Ivy", sagte er zu mir. Ich seufzte. „Wir müssen die Pinnwand und die Bilderrahmen-Collage aufhängen", erklärte ich ihm. „Nichts leichter als das." In Rekordzeit schafften wir es die Sachen an die Wand zu hängen, sodass wir nach zehn Minuten fertig waren. „Ich habe vorhin mit Dad telefoniert", sagte Ash zu mir, als wir uns im Wohnzimmer auf die Couch setzten. „Und?", hakte ich nach. Normalerweise erzählte Ash mir nicht, wenn er mit Dad telefoniert hatte. „Er meinte, dass Mum ihn jetzt schon mehrmals angerufen hat und wissen wollte, wo du hingezogen bist", seufzte mein großer Bruder. „Sag bitte, dass das ein Witz ist", sagte ich hoffnungsvoll zu ihm. Er schüttelte mit dem Kopf. „Ich wünschte es wäre ein Witz, Ivy." Ich hatte Mum extra nicht gesagt, wohin ich zog. Das war eine reine Sicherheitsmaßnahme gewesen. Außer Dad wusste niemand in Boston, wo ich war. Das sollte auch so bleiben. Hätte ich gewollt, dass sie weiß, wo ich bin, dann hätte ich es ihr gesagt. Doch ich wollte es nicht. Das hatte mehrere Gründe. „Dad hat ihr nichts gesagt, Ivy. Ich wollte nur, dass du es weißt", sagte er zu mir. Dad würde ihr auch nichts sagen, jedoch war Mum hartnäckig. Irgendwie würde sie herausfinden, wo ich war. Ab dann würde der Teufelskreis wieder von vorne beginnen. Der Teufelskreis, dem ich endlich entkommen war. Der Teufelskreis wegen dem ich Therapiestunden hatte. Alles um meine Vergangenheit zu verarbeiten.
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Strong Side
Romance*Triggerwarnung, diese Geschichte enthält sensible Inhalte* Als Ivory nach San Francisco zieht, hat sie genau ein Ziel. Ihr altes Leben endgültig hinter sich lassen. Sie zieht in die alte WG ihres Bruders und lebt dort gemeinsam mit Keith, dem beste...