„Wenn du willst kann ich wieder gehen, dann kannst du allein und in aller Ruhe mit Keith sprechen", bot Ashton mir an. „Danke, Ash." Mein großer Bruder zog mich in eine feste Umarmung. „Wenn irgendwas ist, dann ruf mich an. Ich bin für dich da, Ivory. Ich werde gleich mal Dad anrufen", sagte er zu mir. „Okay, danke." „Nicht dafür, Ivory. Wir sehen uns die Tage. Pass bitte auf dich auf", verabschiedete er sich von mir, bevor er aufstand und mein Zimmer verließ. Keine Minute später hörte ich die Wohnungstür ins Schloss fallen. Keith und ich waren wieder allein in unserer Wohnung. Müde stand ich auf und verließ mein Zimmer. Ich wollte jetzt direkt mit Keith reden, denn wer weiß, ob ich in ein paar Stunden oder Tagen noch die Kraft und den Mut dazu hatte. Keith saß im Wohnzimmer auf der Couch. Als ich mich neben ihn setzte, legte er sofort sein Handy zu Seite und schaute mich an. „Möchtest du darüber reden?", fragte er mich mit einem sanften Unterton in der Stimme. Ich nickte. „Okay. Ich bleibe genau hier sitzen und höre dir zu." Ein letztes Mal atmete ich tief durch, bevor ich den Satz aussprach, der mich wahrscheinlich mehr Überwindung kostete als die meisten Sätze, die ich sonst sagte. „Der Typ, der eben vor unserer Tür stand, ist mein Ex-Freund. Also der Ex von dem ich dir erzählt habe." Für eine Sekunde entglitten Keith seine Gesichtszüge. „Der Ex der-?" Er schluckte schwer und beendete den Satz nicht. Natürlich wusste ich trotzdem, was er sagen wollte. „Ja, der Ex-Freund", bestätigte ich ihm. „Was wollte er von dir?", wollte Keith von mir wissen. Ich senkte meinen Blick auf den Boden, bevor ich ihm antwortete. „Er meinte, dass ich ihm sein Leben ruiniert hätte und er wegen mir keinen Job findet und so weiter." Tränen bildeten sich in meinen Augen, während ich all diese Worte aussprach. Es schmerzte so sehr immer wieder von meiner Vergangenheit eingeholt zu werden. Von all den Sachen, von denen ich dachte, dass ich sie in Boston zurückgelassen hätte. „Du weißt, dass er absoluten Schwachsinn redet. Er hat sein Leben selbst ruiniert, daran trägst du keine Schuld, Ivy. Hast du mit Ashton darüber gesprochen?" Die Ruhe, welche Keith gerade ausstrahlte, beruhigte mich so unheimlich. Wie konnte eine Person so sehr das Gefühl von Sicherheit vermitteln, wie er das bei mir gerade tat? „Ja, ich habe mit Ashton darüber gesprochen. Er hat gesagt, dass er mit unserem Dad redet und alles tut, was in seiner Macht steht, damit Ilja mich endlich in Ruhe lässt", antwortete ich ihm. „Das ist gut, Ivory. Ich glaube, dass Ashton ebenfalls alles tun wird, was in seiner Macht steht und ich werde das auch tun. Alle von uns Jungs würden das tuen, Ivory", sagte er zu mir. Ein kleinwenig sprachlos schaute ich Keith an. „Du gehörst zu uns, Ivy. Also passen wir auch auf dich auf. Ich weiß, dass die anderen nicht wissen, was dir passiert ist, aber sie werden trotzdem auch für dich da sein und dir helfen", sagte er zu mir, bevor er seine Arme um mich schlang und mich an sich zog. „Danke, Keith."
Am nächsten Tag saß ich wie gewöhnlich mit Cooper gemeinsam in einer Vorlesung, doch im Vergleich zu sonst fühlte ich mich heute nicht wohl. Bessergesagt fühlte ich mich noch unwohler, als ich es gestern getan hatte. Zu wissen, dass Ilja wahrscheinlich noch in San Francisco war und mir wahrscheinlich auch noch näher war, als es mir lieb war, machte mich nervös. „Alles okay bei dir, Ivory?", wollte Cooper von mir wissen, während wir den Hörsaal verließen, in dem wir eben die letzte Vorlesung des Tages gehabt hatten. „Alles bestens", antwortete ich ihm schnell. Kritisch beäugte er mich, sagte jedoch nichts weiter dazu, wofür ich ihm unheimlich dankbar war. „Ist es okay für dich, wenn ich dich allein lasse? Ich wollte vorm Training noch einmal schnell nach Hause", erklärte er mir. „Klar, alles gut. Geh ruhig", antwortete ich ihm. „Okay, dann bis morgen", verabschiedete er sich von mir, bevor er auch schon verschwand. Lange blieb ich jedoch nicht allein, denn noch bevor ich das Gebäude verließ, gesellte sich Nolan zu mir. „Wie läuft das Studium?", fragte er mich, dabei traten wir hinaus ins Freie. „Naja bis jetzt ist nicht sonderlich viel passiert, aber es macht Spaß und bei dir?", antwortete ich ihm. „Das zweite Jahr ist bis jetzt deutlich entspannter als das erste. Ich kann mich also nicht beschweren." „Ihr habt gleich Training, richtig?", wollte ich von ihm wissen. „Ja, das erste Training der Woche steht an. Da fällt mir ein, dass ich mich mit Keith gleich nach seiner Vorlesung hier auf dem Campus treffen wollte, weil wir gemeinsam zum Trainingsgelände laufen wollten." Ich musste schmunzeln, weil Nolan in diesem Moment so verloren und verwirrt wirkte. „Hast du Lust mitzukommen?", fügte er fragend hinzu. „Ja, gerne." Gemeinsam liefen wir also ein Stück über den mittlerweile recht leeren Campus, bevor ich abrupt stehen blieb, als ich sah wer schnurstracks auf uns zu gelaufen kam. Verwirrte schaute Nolan erst mich an, bevor sein Blick zu Ilja wanderte, der jetzt bei uns angekommen war. „Ich dachte schon, dass ich dich heute gar nicht mehr sehe", sagte Ilja grinsend zu mir. „Was willst du?" Ich versuchte mir nicht anmerken zu lassen, wie unwohl ich mich fühlte, wenn er mir gegenüberstand und außerdem wollte ich mich nicht einschüchtern zu lassen. Immerhin stand Nolan neben mir und ich war mir sicher, dass er eingreifen würde, falls dies nötig war. Jedoch machte mich Iljas Gegenwart noch nervöser, als ich bislang gedacht hatte. Ich wusste, wozu er fähig war, wenn er nicht das bekam, was er wollte. „Ich dachte das hätte ich gestern schon mehr als deutlich gemacht", lachte er. Natürlich hatte er das, aber ich hatte versucht all das so schnell wie möglich wieder in die letzte Ecke meines Gedächtnis zu schieben. „Dir fehlen die Worte, also wie immer. Ich dachte wirklich, dass du mittlerweile erwachsener geworden wärst, Ivory." „Geh, Ilja. Geh einfach weg", sagte ich mit zitternder Stimme zu ihm. „Wieso sollte ich?", provozierte er mich. „Was stimmt denn mit dir nicht? Ivory hat doch deutlich gemacht, dass sie nicht mit dir sprechen will", mischte sich jetzt Nolan neben mir ein. Ilja musterte Nolan kurz herabwürdigend, bevor er sich wieder an mich wandte. „Also wie sieht es aus, muss deine Mutter erst auch noch nach San Francisco kommen, damit du verstehst, dass ich es ernstmeine?" Bei der Erwähnung meiner Mutter zuckte ich ein kleinwenig zusammen. Wenn es eine Person gab, die ich genauso wenig in San Francisco haben wollte, wie Ilja, dann war es meine Mutter.
„Wenn du auch nur auf die Idee kommst unsere Mutter nach San Francisco zu holen, dann mache ich Hackfleisch aus dir, Ilja", sagte Ashton zu meinem Ex Freund, dabei schob er sich schützend vor mich. Wo kam denn mein großer Bruder jetzt auf einmal her? Natürlich war Ash nicht allein, denn jetzt tauchte neben mir auch noch Keith auf, dessen Hand sofort meine fand und mich näher zu ihm zog. Ilja lachte. „Süß, drei Footballer, um die arme kleine Ivory zu beschützen. Wenn ich euch beiden einen Tipp geben kann." Ilja zeigte auf Keith und Nolan. „Dann denkt lieber zwei Mal darüber nach, ob ihr etwas mit Ivory anfangt, nicht, dass sie euch am Ende unterstellt, dass ihr sie zu irgendwas genötigt hättet." „Ich glaube du gehst jetzt besser, bevor ich es mir anders überlege und hier und jetzt Hackfleisch aus dir mache", knurrte Ashton, dabei machte er einen Schritt auf Ilja zu. Mein Ex schluckte schwer. Er war schlau genug, um zu wissen, dass er gegen jeden Einzelnen der Jungs, die vor ihm standen, keine Chance hatte. Also machte er das einzig vernünftige. Er drehte sich um und ging. Natürlich nicht, ohne mir vorher noch einen finsteren Blick zuzuwerfen. „Was ist denn bei dem Typ falsch gelaufen", murrte Nolan, sobald Ilja außer Sichtweite war. „Alles", murrte Ashton zurück, bevor er sich mir zuwandte. „Geht es?", wollte Ash von mir wissen. Der Blick, mit dem er mich dabei anschaute, trieb mir Tränen in die Augen, denn in seinen Augen lag so viel Sorge. Ashton wartete meine Antwort gar nicht erst ab, sondern zog mich direkt in seine Arme, was im Endeffekt dafür sorgte, dass ich sofort anfing zu weinen und mich an meinen Bruder krallte, als ob mein Überleben von ihm abhängen würde. „Wir kriegen das alles wieder hin, Ivy", flüsterte er mir zu. Ich wollte ihm so gerne glauben, aber aktuell konnte ich das nicht. San Francisco sollte ein Neuanfang für mich werden, doch jetzt drohte meine Vergangenheit damit mich einzuholen und das war das Letzte, was ich wollte. Als er sich von mir löste, um mir einige Tränen von den Wangen zu wischen, realisierte ich, dass sowohl Keith als auch Nolan weg waren. „Kommst du mit zum Training? Du kannst dich dort auf die Tribüne setzen und zu schauen. Ich möchte dich gerade wirklich nur ungern allein lassen, Ivy", sagte mein Bruder zu mir. „Ich komme mit", antwortete ich ihm. „Gut. Es kann übrigens sein, dass Dad hier in den nächsten Tagen auftaucht. Er meinte es gibt etwas, das er mit uns persönlich besprechen möchte."

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Strong Side
Roman d'amour*Triggerwarnung, diese Geschichte enthält sensible Inhalte* Als Ivory nach San Francisco zieht, hat sie genau ein Ziel. Ihr altes Leben endgültig hinter sich lassen. Sie zieht in die alte WG ihres Bruders und lebt dort gemeinsam mit Keith, dem beste...