Ivory
„Kann ich so gehen?", fragte ich Keith, der im Wohnzimmer auf der Couch saß und darauf wartete, dass ich fertig wurde. „Das Trikot steht dir", sagte er grinsend zu mir. Ich trug ein 59ers Trikot, welches ihm gehörte und mir eigentlich viel zu groß war, jedoch hatte ich einen Knoten hineingemacht, sodass es jetzt zumindest einigermaßen passte. „Dann können wir los", sagte ich zu ihm. Sofort sprang er von der Couch an und schneller als ich gucken konnte, hatte Keith seine Schuhe angezogen und unsere Jacken von der Garderobe genommen. Ich nahm ihm meine Jacke ab und legte sie mir über den Arm, da ich mir sicher war, dass es aktuell noch zu früh am Tag war, um eine Jacke zu tragen.
Als wir am Stadion ankamen, war schon unheimlich viel los. Zum Glück hatte Keith von seinem Cousin VIP-Karten bekommen, somit waren wir nicht direkt in den Massen von Menschen, da es für VIP-Karteninhaber extra Eingänge gab. Das letzte Mal war ich vor ein paar Jahren mit Ashton und Dad gemeinsam bei einem NFL-Spiel gewesen, damals hatte Dad uns mit den Karten überrascht, das war kurz bevor Ashton nach San Francisco gezogen ist. Den ganzen Weg über, hielt Keith meine Hand schon fest in seiner. Diese kleine Geste beruhigte mich unglaublich, denn so wusste ich, dass er wirklich die ganze Zeit bei mir war. Selbst als wir bei unseren Plätzen angekommen waren, ließ Keith meine Hand nicht los. Sobald wir auf unseren Plätzen saßen, stellte ich Keith die Frage, die ich mir stellte, seitdem er mir erzählt hatte, dass sein Cousin bei den 59ers spielte. „Wer von den Spielern ist eigentlich dein Cousin?" „Carter Westford, vielleicht hast du schon mal von ihm gehört. Er spielt als Runningback", antwortete Keith mir. In meinem Kopf fing es an zu arbeiten, ja, der Name kam mir bekannt vor. „Der Name sagt mir auf jeden Fall was", sagte ich zu Keith. „Naja du lernst ihn nach dem Spiel kennen. Er hat versprochen später kurz hier vorbeizukommen", erzählte Keith mir. „Steht ihr euch sehr nah?" „Schon ja. Ich habe nach dem Tod meiner Eltern bei seinen Eltern gewohnt. Carter war damals schon am College, aber wir sind von klein auf schon sowas wie Brüder gewesen." „Er ist wahrscheinlich auch ein Grund, warum du gerne bei den 59ers spielen würdest, oder?" „Ja, ich wollte schon immer mit ihm gemeinsam in einem Team spielen", bestätigte Keith mir meine Vermutung, danach legten wir unseren Fokus auf das Spielfeld vor uns, denn das Spiel würde gleich anfangen und natürlich wollten wir nichts davon verpassen.
Das erste Viertel des Spiels lief für die 59ers etwas holprig. Ihr Quaterback schaffte es oft nicht den Ball rechtzeitig abzuspielen und wurde mehr als einmal gesacked. Zum Ende des ersten Viertels waren die 59ers mit 3: 10 im Rückstand. Zum Glück schafften sie es im zweiten Viertel jedoch den Rückstand aufzuholen, sodass es zur Halbzeit 10:10 stand. Im dritten Viertel lief es relativ ausgeglichen. Beide Teams erzielten einen Touchdown. Mit jeder Spielminute, die verstrich, in der es unentschieden stand, wurde Keith neben mir nervöser. „Ich raste aus, wenn das Spiel in die Overtime geht", sagte er sichtlich nervös kurz vor Schluss des vierten Viertels zu mir. „Die 59ers machen das noch", sagte ich hoffnungsvoll zu ihm. „Hoffentlich", murmelte er, bevor er sich wieder auf das Spiel vor uns fokussierte. Gerade war die Offensive der 59ers auf dem Feld. Allzu weit waren sie nicht mehr von der gegnerischen Endzone entfernt. Wenn sie es jetzt schaffen würde einen Touchdown zu machen, oder zumindest ein Fieldgoal, dann hätten sie das Spiel gewonnen, denn auf der Uhr waren gerade mal noch dreißig Sekunden. Im Stadion war es still, als sich die Spieler an der Line of Scrimmage aufstellten. Es war so still man hätte eine Stecknadel fallenlassen können und jeder hätte es gehört. Dann ging der Spielzug los. Der Ball gelangte durch den Snap des Centers zum Quaterback. Der Quaterback übergab den Ball an den Runningback aka Carter. Carter schaffte es ein Tackle zu brechen, bevor er bis in die Endzone rannte. Touchdown. Die 59ers hatten gewonnen. Keith und ich fingen zeitgleich an zu Jubeln und in Sekunden lagen wir einander in den Armen und freuten uns über den Sieg. Als wir uns langsam lösten, schauten wir uns direkt in die Augen. Ich hielt inne, genauso wie Keith. „Ivy", sagte er leise zu mir, während er seine Hand sanft an meine Wange legte. Wir müssten uns beide nur ein bisschen vorbeugen und schon würden wir uns küssen. Mein Blick huschte zwischen seinen Augen und seinem Mund hin und her. Die Tatsache, dass um uns herum tausende Menschen waren, hatte ich gerade komplett ausgeblendet. Dafür war ich viel zu sehr auf Keith fokussiert. Keith fuhr mit seinem Daumen über meine Unterlippe, bevor er sich vorbeugte und mich sanft küsste. Ich erwiderte den Kuss ohne lange darüber nachzudenken. Es fühlte sich gut an, seine Lippen endlich auf meinen zu fühlen. Das hier war der Moment, nach dem ich mich gesehnt hatte, seit wir uns kennengelernt hatten. Und es fühlte sich besser an, als in all meinen Tagträumen, die ich darüber hatte. Als wir uns lösten, lächelten wir beide, bevor wir uns sofort wieder küssten. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie lange ich das schon tun wollte", wisperte Keith und strich mir dabei eine Haarsträhne hinters Ohr. Er schlang seine Arme um meine Taille und zog mich wieder an sich. „Ich würde gerne länger hier stehenbleiben, aber ich habe Carter versprochen, dass wir uns nach dem Spiel im VIP-Bereich treffen, also wollen wir langsam reingehen?", fragte Keith mich. Erst jetzt bemerkte ich, dass sich das Stadion mittlerweile fast vollständig geleert hatte. „Klar, können wir machen." Er nahm meine Hand in seine, bevor wir uns einen Weg hinein in den VIP-Bereich suchten.
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Strong Side
Storie d'amore*Triggerwarnung, diese Geschichte enthält sensible Inhalte* Als Ivory nach San Francisco zieht, hat sie genau ein Ziel. Ihr altes Leben endgültig hinter sich lassen. Sie zieht in die alte WG ihres Bruders und lebt dort gemeinsam mit Keith, dem beste...