-TWELVE-

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Keith

Ich wusste selbst nicht genau, was mich gestern dazu gebracht hatte Ivy von meinen Eltern zu erzählen. Normalerweise redete ich nicht viel über meine Eltern, nicht weil ich es nicht wollte, sondern weil es zu sehr schmerzte. Die einzige Person mit der ich über sie sprach, war Ashton. Nicht einmal mit Carter sprach ich viel über meine Eltern, dabei hatte er sie gekannt, immerhin waren sie seine Tante und sein Onkel gewesen. Ohne viel darüber nachzudenken, hatte ich es Ivory einfach erzählt. Die meisten meiner Freunde und Teamkameraden wussten zwar, dass meine Eltern tot waren, doch die wenigsten wussten, wie sie gestorben waren. Wenn man es genau nahm, dann wussten nur Ashton und Nolan die Todesursache meiner Eltern. Dass ich es Ivy gestern einfach erzählt hatte, hatte mich selbst überrascht, doch es hatte sich einfach richtig angefühlt ihr die Wahrheit zu erzählen. Gestern Abend hatten wir zu dritt noch ein paar Stunden auf der Couch gesessen, geredet und gezockt. Nachdem Ash gegen 22 Uhr gegangen war, hatten wir noch einen Film geschaut, doch im Laufe des Films war Ivy an mich gekuschelt eingeschlafen, daraufhin habe ich sie in ihr Bett getragen, bevor ich selbst ins Bett gegangen war. Als ich heute morgen aufgestanden und zum Training los bin, hat Ivy noch tief und fest geschlafen, zugegebenermaßen hätte ich um 8 Uhr auch lieber noch im Bett gelegen, doch mein Trainingsplan sah das heute nun mal nicht vor. Zwar hatten wir erst um 10 Uhr offiziell Training, da ich jedoch das gestrige Training verpasst hatte, wollte ich vorm Training eine Extraeinheit im Kraftraum schieben. Um diese Zeit war allerhöchstens unser Coach da. Das dachte ich zumindest, denn als ich in die Kabine kam, zog sich Nolan gerade sein Trainingsshirt an. „Morgen", begrüßte ich ihn, während ich meinen Rucksack an meinem Platz in der Umkleide abstellte. „Morgen, wie geht's dir?", begrüßte er mich. „Gut und dir?", antwortete ich ihm. „Mir geht es auch gut." „Was verschlägt dich so früh hierher?", wollte ich von ihm wissen, denn es kam nicht gerade oft vor, dass Nolan vor dem Training eine Sondereinheit schob. „Ich weiß es nicht wirklich. Scheint so, als ob ich heute einfach mal die Motivation hatte. Und du, was verschlägt dich hierher?", stellte er die Gegenfrage. „Ich will meine verpasste Trainingseinheit von gestern nachholen", antwortete ich ihm. „Verstehe. Wie läufts mit Ivy?", wechselte Nolan abrupt das Thema. „Ich habe ihr von meinen Eltern erzählt", antwortete ich ihm. Das sollte Antwort genug sein, um zu verstehen, wie es lief. „Das ist gut, Keith. Mit Ashton auch alles okay?", stellte er direkt die nächste Frage. „Ja, ich habe mit ihm gesprochen und es ist alles gut", versicherte ich ihm. „Ehrlichgesagt habe ich auch nicht erwartet, dass Ashton dir den Kopf abreißt", sagte er zu mir. „Bis jetzt hat er auch noch keinen Grund dazu." „Keith, du kennst Ash und er kennt dich. Wenn er glauben würde, dass du nicht gut genug für seine Schwester bist, dann hätte er es dir gesagt", gab Nolan zu bedenken. „Stimmt auch wieder." „Natürlich stimmt das. Und jetzt lass uns endlich trainieren gehen."

Als ich gegen kurz nach 12 Uhr zurück in die WG kam, saß Ivy im Wohnzimmer auf der Couch und schaute irgendeine Serie. „Hi, was schaust du?", begrüßte ich sie, während ich mich zu ihr auf die Couch setzte. „Hi, ich schaue The Bold Type", antwortete sie mir lächelnd. „Noch nie gehört", sagte ich ehrlich. „Dann verpasst du was." „Hast du Lust heute Nachmittag gemeinsam etwas zu unternehmen?", wollte ich von ihr wissen. „Klar, wieso nicht", antwortete sie mir. „Sei einfach gegen 15 Uhr fertig und zieh dich warm an, heute ist es kalt draußen", sagte ich zu ihr, bevor ich aufstand, um in mein Zimmer zu gehen. Zwar war ich direkt nach dem Training duschen gewesen, jedoch wollte ich später ungerne mit Ivy in Trainingsklamotten draußen herumlaufen. Ich suchte mir aus meinem Schrank eine Jeans und einen Hoodie heraus, und tauschte meine Trainingsklamotten gegen sie aus. Als ich mein Zimmer wieder verließ, um zurück ins Wohnzimmer zu gehen, saß Ivory nicht mehr auf der Couch, jedoch hörte ich, das im Badezimmer mittlerweile die Dusche lief. Ich ließ mich auf der Couch nieder, griff nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher ein, bevor ich wahllos die Sender durchschaltete, nur um genervt festzustellen, dass um diese Uhrzeit nur Schrott im Fernsehen lief. Als schaltete ich den Fernseher wieder aus. Stattdessen nahm ich mein Handy und ging ein bisschen auf Instagram, bevor ich zu WhatsApp wechselte, um die Nachrichten zu beantworten, die sich im Laufe des heutigen Tages angesammelt hatten. Eine Nachricht stammte von Nolan, der wissen wollte, ob ich heute Abend vorbeikommen wollte, da die Jungs in ihrer WG einen Filmabend machen wollten. Ich antwortete ihm damit, dass ich etwas mit Ivy unternahm, wir jedoch eventuell spontan vorbeischauen würden.

Pünktlich um 15 Uhr machten wir uns auf den Weg. „Wohin fahren wir überhaupt?", fragte Ivy mich, sobald ich mein Auto auf die Straße gelenkt hatte. „Das wird eine Überraschung", antwortete ich ihr. Wenn ich ganz ehrlich war, hatte ich noch keinen genauen Plan, was wir machen würden. Das würde ich spontan entscheiden. Das Einzige, was für mich schon feststand, war, dass wir essen gehen würden. Das war Punkt eins unseres kleinen Ausfluges. Essen gehen. Ich wusste auch schon ganz genau wo. Im Diner, wo wir schon einmal als Gruppe waren. Ich hoffte inständig, dass heute weder die Jungs noch Ashton und Hope dort sein würden. „Ich hasse Überraschungen", murrte Ivy, während ich in die Straße einbog, in der das Diner war. „Da wären wir", sagte ich zu ihr, während ich den Schlüssel aus der Zündung zog. „Essen ist immer gut", sagte sie lächelnd, bevor sie die Beifahrertür öffnete und ausstieg. Ich folgte ihr ins Innere des Diners, wo wir uns einen Platz in einer Ecke suchten, damit wir weitestgehend unsere Ruhe hatten. „Könntest du mir wenigstens einen Tipp geben, was wir später noch machen?", fragte Ivy mich. „Ich würde dir eventuell einen geben, wenn ich es wüsste, aber ehrlichgesagt weiß ich es auch noch nicht genau", antwortete ich ihr ehrlich. „Uns wird schon noch etwas einfallen, was wir machen können", sagte sie schulterzuckend, bevor sie nach einer der Speisekarten griff. „Ich glaube ich weiß, wohin wir danach gehen", sagte ich zu Ivy, die gerade dabei war das Essensangebot zu studieren. Fragend schaute sie mich an, was mich dazu brachte weiterzusprechen. „Ich zeige dir einen meiner persönlichen Lieblingsorte in San Francisco."

Einige Zeit später verließen wir satt und zufrieden das Diner. Immerhin hatte ich mittlerweile einen Plan, wohin ich mit Ivy wollte. Ich wollte ihr den Ort in San Francisco zeigen, an dem ich immer mit meinen Eltern war, wenn wir mal zu Besuch hier waren. Der Dolores Park. Wenn ihr mich fragt, dann gibt es keinen schöneren Ort in San Francisco, außer vielleicht das Footballstadium. Die Fahrt bis zum Park dauerte vom Diner aus zwar etwas, jedoch lohnte es sich definitiv. Soweit ich mich erinnern konnte, hatte ich im Kofferraum immer noch eine Picknickdecke, die ich irgendwann mal dort hineingelegt hatte, damit ich immer eine dabei hatte, wenn ich mal in den Park ging. „Wir müssen nur noch ein kleines Stück laufen, dann sind wir da", sagte ich zu Ivy, während ich den Schlüssel aus der Zündung zog und ausstieg. Wie ich bereits vermutet hatte, lag im Kofferraum noch immer die Picknickdecke, welche ich mitnahm. „Ich war früher immer mit meinen Eltern hier, wenn wir meine Großeltern besucht haben", erzählte ich Ivy, als wir den Park betraten und uns eine freie Stelle suchten, an der wir die Picknickdecke ausbreiten konnten. „Es ist schön hier", sagte sie lächelnd zu mir, dabei setzte sie sich auf die Picknickdecke. „Mein Dad hat meiner Mum hier einen Heiratsantrag gemacht", sagte ich, während ich mich neben Ivy setzte. „Als sie sich kennengelernt haben waren sie ständig hier", erzählte ich ihr weiter. Die Tatsache, dass ich so frei über meine Eltern sprach, überraschte mich selbst ein wenig, denn sonst vermied ich so gut wie möglich über sie zu sprechen. Nicht weil ich nicht über sie sprechen wollte, sondern weil es zu sehr schmerzte, mich an die Zeit zu erinnern, an denen meine Eltern noch da waren. „Ich glaube das hier ist der schönste Ort für einen Heiratsantrag, den ich je gesehen habe", sagte Ivy. Ihr Blick glitt durch den gesamten Park, bis er schließlich an der Skyline, die man von hier aus perfekt sehen konnte, hängen blieb. „Als Kind habe ich mit Dad hier immer Football gespielt, während Mum uns zugeschaut hat", schwelgte ich weiter in den Erinnerungen. „Wieso sind deine Eltern hier weggezogen?", wollte Ivy von mir wissen. Sie rückte ein kleines Stück näher zu mir, bis sie sich schließlich gegen mich lehnte. „Meine Mum hat ihre Heimat vermisst, deshalb sind sie nach Detroit gezogen, aber wir waren trotzdem oft hier", antwortete ich ihr. „Willst du irgendwann wieder nach Detroit ziehen?" „Nein. Ich liebe es hier. Der einzige Grund, den es für mich gibt, um aus San Francisco wegzuziehen ist, wenn ich gedraftet werde. Dann würde ich aber nach meiner Karriere hierher zurückkehren." Ich wusste schon als Kind, dass ich irgendwann einmal in San Francisco leben wollte. Daran würde sich wahrscheinlich auch nichts ändern. „Also wärst du froh, wenn die 59ers dich draften würden?" „Ich könnte mir nichts Schöneres vorstellen, als für die 59ers zu spielen", antwortete ich ihr. „Hast du schon darüber nachgedacht, wann du dich für den Draft anmelden willst?", wollte Ivy von mir wissen. Damit stellte sie die Frage aller Fragen, die Frage, die mir seit Wochen durch den Kopf geisterte. „Ja, ich will wahrscheinlich am nächsten Draft teilnehmen, aber auch nur, wenn ich mit meiner Saison zufrieden bin, sonst warte ich noch ein Jahr." „Wenn du schon am nächsten Draft teilnimmst und nicht von den 59ers gedraftet wirst, dann muss ich mir einen neuen Mitbewohner suchen", stellte sie mürrisch fest. „Stand jetzt bin ich hier, Ivy. Also mach dir darüber keine Gedanken", beruhigte ich sie. „Okay, du hast recht." „Ich weiß", sagte ich grinsend zu ihr, dabei schlang ich meinen Arm um ihre Taille und zog sie näher zu mir. 

Strong SideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt