Ivory
Als ich heute Morgen aufgewacht war, war ich allein in der WG. Wo auch immer Keith so früh an einem Samstagmorgen war. Ich hatte mir heute Morgen reichlich Zeit genommen, um mich fertigzumachen. Da ich heute nicht vorhatte die Wohnung zu verlassen, trug ich eine Jogginghose und ein Croptop. Nachdem ich gefrühstückt hatte, hatte ich mit Dad telefoniert. Anscheinend hatte unsere Mutter noch mehrmals versucht herauszufinden, wo ich war. Zwar hatte Dad mir versichert, dass er ihr nichts gesagt hatte, trotzdem machte sich langsam ein unwohles Gefühl in mir breit. Der Gedanke, dass Mum mich suchte, machte mir mehr Angst, als er sollte. Ich wollte endlich leben können, ohne die Angst, dass meine Mutter mir das Leben zur Hölle macht, auch wenn sie in dem ganzen Szenario nicht die Hauptrolle spielte, sie spielte die wichtige Nebenrolle. Seit dem Telefonat mit Dad vor etwas mehr als einer Stunde, lag ich in meinem Bett und starrte die Decke an. Vielleicht sollte ich mit Ash reden, doch ich war mir ziemlich sicher, dass auch er regelmäßige Updates von Dad bekam. Egal an was ich dachte, ich bekam unsere Mutter nicht aus meinen Gedanken. Ich war so sehr in meine Gedanken vertieft, dass ich nicht einmal mitbekam, wie Keith mein Zimmer betrat. Ich bemerkte ihn erst, als er direkt vor meinem Bett stand. „Alles gut bei dir?", fragte er mich. „Ja, alles gut", log ich, dabei musterte ich ihn. Er sah gut aus, dass tat er eigentlich immer. Eine Strähne seiner schwarzen Haare fiel ihm in die Stirn, die restlichen Haare lagen wirr auf seinem Kopf herum. Keith trug eine schwarze Jogginghose und einen Hoodie. „Sicher?", hakte er nach und musterte mich mit zusammengekniffenen Augen. „Ja", versicherte ich ihm. Er schaute mich noch immer misstrauisch an, als ob er meinen Worten keinen Glauben schenken würde. „Hast du Lust zu zocken und später Pizza zu bestellen?", wollte er von mir wissen. „Klar, gerne", antwortete ich ihm. Ablenkung war mir heute mehr als nur Recht. „Dann los, wir wollen ja keine Zeit verlieren", sagte er zu mir, bevor er sich umdrehte und mein Zimmer verließ. Ich folgte ihm und ließ mich neben ihn auf die riesige Couch sinken. „Also was willst du spielen?", fragte er mich. „Mario Kart", antwortete ich ihm. „Okay." Er reichte mir einen der Controller, dann machte er den Fernseher und die Wii an, legte Mario Kart ein und setzte sich wieder zu mir auf die Couch. Ziemlich schnell hatten wir uns auf eine Strecke geeinigt, die wir Beide fahren wollten. „Möge der Bessere gewinnen", sagte Keith grinsend zu mir, bevor das Rennen anfing. Spätestens nach dem ersten Rennen, war ihm das Grinsen vergangen. Während ich auf einem soliden zweiten Platz gelandet war, war Keith auf Platz 10 gelandet. „Das war nicht fair", jammerte er. „Du bist dauernd in jede Bananenschale gefahren anstatt auszuweichen", sagte ich lachend zu ihm. Das war nicht gelogen, das ganze Rennen über war er immer wieder in herumliegende Bananenschalen gefahren, dabei hatte er jedes Mal geflucht, was mich zum Lachen gebracht hatte. „Das ist nicht witzig", murrte er, dabei verschränkte er beleidigt die Arme vor der Brust. „Also ich finde es schon witzig", gab ich noch immer lachend zurück. „Mal sehen, ob du nach der nächsten Runde immer noch lachst", sagte er grinsend zu mir, bevor er die nächste Runde startete.
„Wie kann es sein, dass du in diesem Spiel so gut bist? Ash hat nie gegen mich gewonnen", maulte Keith, nachdem er auch die nächste und übernächste Runde verloren hatte. „Das könnte daran liegen, dass Ash es hasst Mario Kart zu spielen, weil er auch immer verloren hat", antwortete ich ihm breitgrinsend. Ash und ich hatten früher viel Mario Kart gespielt, zumindest bis er irgendwann keine Lust mehr hatte, weil er immer verloren hat. „Immerhin bin ich mit meinem Schicksal nicht alleine", sagte er zu mir, dabei schauten wir uns direkt in die Augen. In diesem Moment verlor ich mich in seinen Augen. Sie strahlten so viel Wärme aus, dass ich mich magisch angezogen fühlte. Auch Keith wandte seinen Blick nicht ab. Er rückte ein Stück näher zu mir. Ich schluckte schwer, während er seine Hand hob und mir sanft eine Haarsträhne hinters Ohr strich. „Ivy", hauchte er, dabei kam sein Gesicht meinem immer näher. Ich kannte Keith kaum, trotzdem wollte ich ihn küssen. Ich wollte wissen, wie sich seine Lippen auf meinen anfühlten. Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass ich ihn nicht anziehend fand. Seitdem ich ihn das erste Mal gesehen hatte, war ich fasziniert von ihm. Sein Blick glitt zu meinen Lippen und dann wieder zurück zu meinen Augen. Er schluckte einmal schwer, dann waren unsere Gesichter nur noch Millimeter voneinander entfernt. Eine seiner Hände umfasste sanft meine Wange. Ich schloss meine Augen und kam ihm ein Stück entgegen. Sein Atem war so nah, dass ich ihn auf meiner Haut spüren konnte. Mein Herz pochte mir bis zum Hals. Gerade als unsere Lippen sich berührten, fing ein Handy an zu klingeln und wir führen erschrocken auseinander. Mein Blick glitt zum Couchtisch, auf dem unsere Handys lagen, es war meins, welches klingelte. Ich griff danach, um zu sehen, wer uns unterbrochen hatte. Innerlich verfluchte ich die Person schon jetzt dafür. Auf dem Display leuchtete Coopers Name auf. „Hi", begrüßte ich ihn, als ich den Anruf entgegennahm. „Ivy, hey. Hast du heute schon was vor? Ich wollte feiern gehen und fragen, ob du mitmöchtest?", wollte er von mir wissen. Feiern gehen mit Cooper oder auf der Couch gammeln mit Keith? Ich hatte wohl die Qual der Wahl. „Tut mir leid, aber ich habe schon was vor", antwortete ich ihm recht schnell. Die Worte von Nolan von gestern Abend kamen mir wieder in den Sinn, außerdem wollte ich meinen Samstag lieber auf der Couch als in einem Club verbringen. „Okay, bis dann." Sofort danach war die Leitung tot. „Was wollte er?", wollte Keith wissen, der noch immer ganz nah neben mir saß. „Er wollte wissen, ob ich mit ihm feiern gehen möchte", antwortete ich ihn. „Und möchtest du?", hakte er nach. „Nein. Ich werde den Tag mit dir auf der Couch verbringen", antwortete ich ihm. Keith fing an zu grinsen. „Na wenn das so ist, lass uns einen Film schauen", sagte er und griff nach der Fernbedienung, die ebenfalls auf dem Couchtisch lag. „Also was willst du schauen?", fragte er mich. Ich überlegte kurz. „Ein Liebesfilm?", gab ich unsicher zurück, dabei hörte sich meine Antwort wie eine Frage an. „Such dir einen aus." „Kein Ort ohne dich", antwortete ich ihm. Keith suchte den Film raus und startete ihn, während ich noch damit beschäftigt war, mich so hinzusetzen, dass es bequem war. „Hast du es?", fragte er mich lachend. „Lass mich, ich versuche nur bequem zu sitzen." Er seufzte, bevor er seinen Arm um meine Taille schlang und mich zu sich zog, bis ich mich an ihn lehnen konnte. „So gut?", fragte er mich. „Mh", seufzte ich, während ich mich an ihn kuschelte. Ein raues Lachen verließ bei meiner Antwort seine Kehle. Dieses Lachen war mit Abstand das schönste, das ich je gehört hatte.
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Strong Side
Romance*Triggerwarnung, diese Geschichte enthält sensible Inhalte* Als Ivory nach San Francisco zieht, hat sie genau ein Ziel. Ihr altes Leben endgültig hinter sich lassen. Sie zieht in die alte WG ihres Bruders und lebt dort gemeinsam mit Keith, dem beste...