-NINETEEN-

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Keith

Der gestrige Abend hatte eine Wendung genommen, mit der ich zugegebenermaßen nicht gerechnet hatte. Zwar hatte ich damit gerechnet, dass Ivory etwas Schlimmes in ihrer Vergangenheit erlebt hatte, jedoch nicht, dass es so schlimm war. Als Ashton und ich uns damals angefreundet hatten, hatte er immer wieder erwähnt, dass seine Familie und vor allem seine kleine Schwester eine schwere Zeit hinter sich hatten. Er hatte damals ein schlechtes Gewissen gehabt, Ivy alleine bei ihrer Mum zu lassen. Es gab Tage da hatte er mir erzählt, dass er am liebsten sein Studium hinschmeißen würde, um für seine kleine Schwester da zu sein. Manchmal hatte ich gedacht, dass er überfürsorglich war, aber jetzt wo ich wusste, was passiert war, verstand ich alles. Er hatte Angst gehabt, dass ihr noch mehr passieren würde, wenn er nicht da war, um auf sie aufzupassen. Ich hatte alles was ich gestern Abend zu ihr gesagt hatte, genauso gemeint. Ich verurteilte sie nicht für das, was passiert war. Es machte sie zu der Person, die sie jetzt war und ich mochte diese Ivory. Sie war stärker, als sie selber dachte. Und ich mochte sie. Jede Seite, die ich von ihr kennengelernt hatte, mochte ich. Ich mochte alles an ihr und noch immer hoffte ich, dass sie mich auf dieselbe Art und Weise mochte, wie ich sie.

Ich senkte meinen Kopf etwas und schaute direkt auf Ivory, die noch immer hier bei mir war. Im Vergleich zu mir schlief sie jedoch noch tief und fest, deshalb hatte ich es noch nicht gewagt mich zu bewegen, denn sie lag noch immer, genau wie gestern Abend auf meiner Brust und ich musste zugeben, dass ich alles daran genoss. Sie so nah bei mir zu haben, war ein neues Gefühl, jedoch fühlte es sich gut an. Sehr gut sogar. Irgendwann fing sie langsam an sich etwas zu bewegen, bis sie schließlich langsam ihre Augen öffnete. „Guten Morgen", sagte ich leise zu ihr. „Guten Morgen", nuschelte sie verschlafen gegen meine Brust. „Gut geschlafen?", fragte ich sie, während ich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht hinters Ohr strich. „Mh", murrte Ivy noch immer völlig verschlafen gegen meine Brust. „Aufstehen ist wahrscheinlich noch keine Option für dich, oder?", hakte ich nach, während ich meine Arme um sie schlang. „Können wir einfach liegenbleiben?", stellte sie die Gegenfrage, wobei sie zumindest ein bisschen wacher wirkt. „Wir können noch ein bisschen liegenbleiben. Und später könnten wir zum Spiel der 59ers gehen", schlug ich ihr vor. Carter hatte mir schon vor einiger Zeit zwei Karten für das erste Saisonspiel seines Teams zukommen lassen. Nur hatte ich davon noch niemandem erzählt, da ich nicht wusste, wen ich mitnehmen sollte. Ivy mitzunehmen, hörte sich jedoch nach einer sehr guten Option an. „Woher willst du jetzt noch Karten für das Spiel bekommen?", fragte sie mich, dabei stand ihr die Verwirrung ins Gesicht geschrieben, denn es war eigentlich eine Sache der Unmöglichkeit Karten für die Spiele zu bekommen. „Mein Cousin spielt bei den 59ers und er hat mir schon vor ein paar Wochen zwei Karten für das Spiel gegeben. Also wie sieht's aus?" Innerlich betete ich dafür, dass Ivy ja sagen würde, denn ehrlichgesagt wollte ich mit ihr zu diesem Spiel und nicht mit einem von den Jungs. „Sehe ich so aus, als ob ich zu einem Footballspiel nein sagen würde?", fragte sie mich grinsend. „Nicht wirklich, nein." Es war also beschlossene Sache, dass Ivy und ich heute Nachmittag gemeinsam zu dem Spiel gehen würde, damit konnte heute nur ein guter Tag werden.

„Wenn du willst, dann könnte ich aufstehen und Frühstück machen", schlug ich Ivory vor. „Bleib hier, Keith, bitte", sagte sie fast schon flehend zu mir. „Alles okay?" Mir war nicht entgangen, dass sie sich leicht panisch anhörte. „Ich muss nur noch realisieren, dass ich dir gestern alles erzählt habe und du trotzdem noch hier bist." Ich schluckte schwer. „Dachtest du ich würde dich allein lassen?", hakte ich unsicher nach. Ich wollte wissen, was gerade in ihrem Kopf vor sich ging. Wie fühlte sie sich? Ging es ihr wirklich so gut, oder haderte sie mehr mit den Dämonen ihrer Vergangenheit, als ich dachte? „Nein, es ist nur", sie stoppte kurz. „Die meisten Menschen haben sich von mir angewandt nachdem sie davon erfahren haben. Viele dachten, dass ich mir alles nur ausgedacht habe. Ich musste lernen damit umzugehen. Leute zu verlieren von denen ich dachte, dass sie mir glauben würden. Wenn man es so sieht, dann haben Ashton und ich unsere Mum verloren." Mein Herz wurde schwer, als sie das sagte. So als ob es für sie mittlerweile okay ist, dass ihre eigene Mutter ihr nicht glaubte. Vielleicht wurde Ivy damals doch mehr verletzt, als ich gedacht hatte. „Ich glaube dir, Ivy." Ich wusste nicht, ob diese Worte ihr helfen würde, wahrscheinlich nicht. Wahrscheinlich würden nur Taten helfen, um ihr das Gefühl zu geben, dass ich da war und ihr glaubte. „Danke, Keith." „Wenn du reden möchtest, ganz egal über was, dann bin ich da, Ivy. Selbst wenn du über das Wetter reden möchtest." Ich wollte das alles. Ich wollte für sie da sein, ganz egal wann, egal ob sie glücklich oder traurig war. Sie sollte wissen, dass sie immer zu mir kommen konnte. Vielleicht war es egoistisch, aber ich wollte diese Person für Ivy sein, der sie alles erzählte, ganz egal was. Die Person in deren Armen sie liegen wollte, ganz egal ob sie lachen oder weinen wollte. Verdammt, ich wollte ihr Freund sein, die Person, die sie liebte. 

Strong SideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt